"Südtirols Verhandlungspotenzial in Rom gestärkt"

“Renzi in einem Jahr wieder da”

Montag, 05. Dezember 2016 | 17:27 Uhr

Rom/Bozen – Die große Mehrheit der Italiener – 59,1 Prozent – hat die Verfassungsreform von Ministerpräsident Matteo Renzi am Sonntag abgelehnt. Die Wahlbeteiligung lag bei 68,4 Prozent und war damit höher als erwartet. Auch bei uns wurde das Verfassungsreferendum mit Spannung verfolgt. Während Renzi am Montag seinen Rücktritt bekanntgab, spricht SVP-Senator Karl Zeller im Interview mit Südtirol News von einer verpassten Chance – und zwar gleich in doppelter Hinsicht.

 

Das Nein hat gesiegt, sind Sie enttäuscht?

Nun, es ist sicher eine vertane Chance, nicht nur für Südtirol, sondern auch für Italien. Für Italien deshalb, weil das überholte Zweikammern-System aufrechtbleibt, was in Europa einzigartig ist. Eine Aufwertung des Parlaments hat damit nicht stattgefunden. Für Südtirol ist schade, dass das Einvernehmen in Zusammenhang mit dem Autonomiestatut den Bach hinunter ist. Trotzdem ist die Situation für Südtirol anders. Dadurch, dass die Mehrheit der Bevölkerung für die Reform gestimmt hat, wurde unser Verhandlungspotenzial in Rom gestärkt.

 

In Südtirol hat das Ja gewonnen, obwohl die Opposition geschlossen für das Nein geworben hat. Was bedeutet das für ihre Partei?

Hier bewahrheitet sich das alte Sprichwort, dass man doch lieber zum Schmied als zum Schmiedl geht. Die Südtiroler Volkspartei hat die Autonomie zum Blühen gebracht – schon zu Magnagos Zeiten, während andere über die Autonomie nur geschimpft haben. Gleichzeitig muss man auch den Wählern ein Kompliment aussprechen, weil sie sich bei der Wahl von der Vernunft leiten ließen.

 

Renzi, der von SVP als Freund der Autonomie bezeichnet wird und zu dem die SVP einen guten Draht hatte, ist nun weg. Was passiert, wenn Grillo oder die Lega kommen?

Neuwahlen werden frühestens in einem halben Jahr angesetzt, da ein neues Wahlgesetz geschrieben werden muss. Da rinnt noch viel Wasser den Tiber hinunter. Es ist richtig, dass Renzi die Konsequenzen nach dem Referendum zieht, einen Schritt zurückmacht und sich aus der Schusslinie nimmt. Doch spätestens in einem Jahr ist er wieder da. Die Mehrheiten in Rom werden sich nicht so schnell ändern.

 

Trotzdem gibt es auch innerhalb des Partito Democratico Vertreter, denen die Sonderautonomien ein Dorn im Auge sind.

Solche Vertreter gibt es in jeder Partei. Ausschlaggebend für uns ist immer die Parteiführung. Langfristig gesehen waren es immer Mittelinksparteien, die nicht nur Zugeständnisse gemacht, sondern auch geliefert haben. Ich sehe keinen großen Grund, die Fronten zu wechseln. Aber man weiß nie.

 

Glauben Sie, dass Südtirol noch einmal so eine Chance erhält?

Ich bin seit 22 Jahren im römischen Parlament. Zweimal hat es eine Chance gegeben, das Einvernehmen auf Augenhöhe mit dem Staat festzuschreiben und zweimal wurde sie verpasst. Trotzdem hat Südtirol intelligenter und schlauer abgestimmt als die übrigen Sonderautonomien. Dort überwog das Nein. Damit wurde das Signal ausgesandt, dass man auf das Einvernehmen weniger Wert legt. Falls die Schutzklausel erneut Thema wird, könnte es sein, dass man sie nur mehr Südtirol zugesteht und den anderen Sonderautonomien nicht mehr. Außerdem ist unsere Position sowieso komfortabler, da die Autonomie international abgesichert ist und wir Österreich als Schutzmacht haben.

Von: mk

Bezirk: Bozen