Anhänger des Ultranationalisten Simion feiern in Rumänien

Simion und Dan in Stichwahl um rumänisches Präsidentenamt

Montag, 05. Mai 2025 | 14:09 Uhr

Von: APA/Reuters/dpa

In Rumänien wird die am 18. Mai stattfindende Stichwahl um das Präsidentenamt zwischen dem Rechtsaußenkandidaten George Simion und dem parteifreien Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan entschieden. Nach der Wiederholung der im vergangenen Jahr annullierten Wahl am Sonntag lag Simion mit 40,96 Prozent auf Platz eins, während Dan 20,99 Prozent der Stimmen erhielt. Die Regierungskoalition stand unterdessen nach dem Scheitern ihres Kandidaten vor dem Aus.

Dan stellt sich auf eine schwierige Endrunde ein. Was als Nächstes anstehe, sei de facto eine Debatte über die Zukunft Rumäniens – nämlich, ob das Land fortan eine westenfeindliche Richtung einschlage oder weiter prowestlich orientiert bleibe, stellte der liberalkonservative, proeuropäische Bürgermeister am Montag klar. Bürgerinnen und Bürger seien daher aufgefordert, diese “Schlacht” gemeinsam mit ihm zu schlagen. Seine Pflicht sei es, die Menschen davon zu überzeugen, dass der prowestliche Weg der einzig richtige sei. Das sei zwar nicht leicht, doch bleibe er optimistisch, “dass wir er letztlich schaffen”, sagte der Bukarester Bürgermeister.

Wahlsieger Simion per Videobotschaft

Simion tauchte indes noch in der Wahlnacht ab – der 38-Jährige trat nicht vor die Journalisten, sondern zog es vor, sich per Videoansprache an seine Wähler zu wenden. Er versicherte darin, dass er als Präsident, wie versprochen, den prorussischen Rechtsextremisten Călin Georgescu mit einem hohen Amt, voraussichtlich jenes des Regierungschefs, betrauen werde, da das Land dessen “Vision” brauche.

Bei der Abstimmung handelte es sich um eine Wiederholungswahl. Rumäniens oberstes Gericht hatte die Wahl vom November wegen illegaler Einflussnahme Russlands annulliert, eine Wiederholung angeordnet und den rechtsextremen und pro-russischen Kandidaten Georgescu, der mit einer Wahlkampagne vor allem auf der Onlineplattform TikTok als Sieger hervorgegangen war, ausgeschlossen. Gegen ihn ermittelt seit Ende Februar die Staatsanwaltschaft.

Daraufhin trat Simion in seine Fußstapfen. Georgescu trat als Simions Verbündeter auf. Am Wahltag gingen die beiden sogar demonstrativ gemeinsam zur Stimmabgabe. Seine Videoansprache hielt er anschließend vor einer Ikonen-besetzten Kulisse. Rumänischen Politbeobachtern zufolge kopiert der 38-Jährige augenscheinlich die bisherige Wahlkampfstrategie Georgescus: Statt an Debatten teilzunehmen, mache er lieber prophetische Ansagen vor mystisch-religiöser Kulisse.

“Sieg der rumänischen Würde”

“Dies ist nicht nur ein Wahlsieg”, sagte Simion in seiner ersten Reaktion. “Es ist ein Sieg der rumänischen Würde. Es ist der Sieg derjenigen, die die Hoffnung nicht aufgegeben haben, derjenigen, die noch immer an Rumänien glauben, an ein freies, respektiertes und souveränes Land.” Simion profitierte von einer Welle der Wut der Bevölkerung auf etablierte Politiker. Er steht der EU kritisch gegenüber und sieht sich auf einer Linie mit US-Präsident Donald Trump. Simion plädiert für eine Wiederherstellung der Landesgrenzen von 1940 und beansprucht damit Gebiete von Bulgarien, Moldawien und der Ukraine.

Georgescu hatte unter anderem erklärt, die Zukunft Rumäniens liege in der “Weisheit Russlands”. Zudem hatte Georgescu öffentlich bezweifelt, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine real sei. Auch Simion lehnt Militärhilfen für das von Russland angegriffene Nachbarland Ukraine ab. Nach Einschätzung von Beobachtern dürfte Simion Rumänien isolieren, private Investitionen könnten zum Erliegen kommen und die NATO-Ostflanke destabilisiert werden. Andererseits ist Simions Partei AUR im EU-Parlament Teil der russlandkritischen Fraktion EKR, zu der auch die Partei von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehört.

Regierungskoalition vor dem Aus

Rumäniens Regierungskoalition steht indes nach der Wahlpleite ihres Kandidaten Crin Antonescu, der den Einzug in die Stichwahl trotz der Unterstützung dreier Regierungsparteien verpasst hatte, vor dem Aus. In einer Dringlichkeitssitzung forderten am Montagvormittag sowohl Spitzenpolitiker der postkommunistischen Sozialdemokraten (PSD) als auch der Liberalen (PNL) den umgehenden Rücktritt von Regierungs- und PSD-Chef Marcel Ciolacu.

Dessen Unbeliebtheit habe zu einer neuen Protestwahl geführt und sich für den Koalitionskandidaten Antonescu als deutlicher “Hemmschuh” entpuppt, so der Tenor. Unbestätigten Medienberichten zufolge soll Ciolacu tatsächlich einen Rücktritt in Betracht ziehen – ob zum jetzigen Zeitpunkt oder erst nach der Stichwahl, bleibt unklar.

USR-Chefin Lasconi zurückgetreten

Konsequenzen aus ihrer herben Wahlniederlage zog auch die Chefin der Reformpartei USR, Elena Lasconi, die am Sonntag klägliche 2,68 Prozent der abgegebenen Stimmen einfuhr, nachdem sie bei der annullierten ersten Runde der Präsidentenwahl vom Spätherbst noch als Zweitplatzierte in die Stichwahl eingezogen war. Sie lege mit sofortiger Wirkung den Parteivorsitz nieder – und zwar “guten Gewissens” innerhalb der letzten zwölf Monate alles unternommen zu haben, “damit es Rumänien besser geht”, teilte Lasconi in einem Facebook-Posting mit.

Präsident spielt wichtige Rolle

In Rumänien, das an die vom russischen Angriffskrieg heimgesuchte Ukraine grenzt, bestimmt der Staatschef die Richtlinien der Außen- und Sicherheitspolitik. Er führt das Kommando über die Streitkräfte und sitzt dem Sicherheitsrat vor, der unter anderem über Militärhilfen entscheidet, und nimmt an EU-Gipfeln teil. Die Amtszeit ist auf zwei Fünfjahresperioden begrenzt.

Politikbeobachter verwiesen darauf, dass Simion noch im Spätherbst kaum 14 Prozent der abgegebenen Stimmen eingefahren habe. Binnen weniger Monate habe es Simion aber geschafft, seinen Stimmanteil mehr als zu verdoppeln. Entsprechend ziehe der 38-Jährige als deutlicher Favorit in die Stichwahl des Präsidentenrennens ein – das proeuropäische Lager werde Mühe haben, seinen Durchmarsch zu verhindern, so die übereinstimmende Meinung von Politologen.

Reaktionen aus dem Ausland

Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen begrüßte den Erfolg von Simion. “Rumänien hat Frau von der Leyen gerade einen sehr hübschen Bumerang geschenkt”, erklärte die Fraktionschefin des Rassemblement National (RN) am Montag im Onlinedienst X. Damit unterstellte sie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen indirekt, die Annullierung der rumänischen Präsidentschaftswahl vor fünf Monaten beeinflusst zu haben.

Die EU-Kommission hatte nach der ersten Wahlrunde im Dezember ein Verfahren gegen TikTok wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen den Digital Services Act (DSA) eingeleitet. Es soll geprüft werden, ob der chinesische Konzern bei Wahlen ausreichend gegen die Einmischung von ausländischen Akteuren vorgeht.

Auch die FPÖ zeigte sich erfreut über das Wahlergebnis des Kandidaten aus dem EU-kritischen Lager. “Die rumänische Bevölkerung hat den Eliten aus Brüssel gestern deutlich gezeigt, was sie von ihrer Einmischung hält – nämlich gar nichts!”, erklärte Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter im Europäischen Parlament, am Montag in einer Aussendung. Der RN und die FPÖ gehören beide der Rechtsaußen-Fraktion “Patrioten für Europa” an.

SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder warnte dagegen vor anhaltender russischer Desinformation und Einflussnahme auf demokratische Prozesse: Dass der russische Präsident Wladimir “Putin Rechtsextreme durch Einmischung in unseren Wahlen in Europa stärken will, ist kein Zufall. Putin, (FPÖ-Chef Herbert) Kickl, (die deutsche AfD-Chefin Alice) Weidel und auch Simion haben das gleiche Ziel: Europa zu spalten”, sagte er in einer Aussendung und forderte: “Wahlen in Europa müssen besser beschützt werden.”

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