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Verdrängen bringt nichts

Dienstag, 18. November 2025 | 01:58 Uhr

Von: mk

Bozen – Die berühmten Kessler-Zwillinge Alice und Ellen sind am Montag im Alter von 89 Jahren im Grünwald bei München gemeinsam gestorben. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben bestätigte, dass es sich um einen assistierten Suizid handelte. Die Schwestern, die als Sängerinnen, Schauspielerinnen und Entertainerinnen international bekannt geworden sind, haben damit ungewollt ein heikles Vermächtnis hinterlassen.

Sterbehilfe bleibt ein umstrittenes Thema: Wie gewährt man einem Menschen einerseits das Recht auf Sterben in Würde und verhindert andererseits, dass alte und schwerstkranke Menschen zum Suizid gedrängt werden, weil die Umgebung sie als Last empfindet?

Im katholisch geprägten Italien hat sich das Parlament bislang nicht durchgerungen, eine klare gesetzliche Regelung zu verabschieden. Wer Sterbehilfe ausübt oder nach ihr verlangt, bewegt sich rechtlich in einem Vakuum. Ausnahme ist die Toskana, die auf regionaler Ebene den medizinisch assistierten Suizid erlaubt.

In Deutschland ist Suizidbeihilfe nur dann nicht strafbar, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind: Die Entscheidung muss frei, also ohne Überredung und Druck, erfolgen und es darf auch keine psychische Störung vorliegen. Die entscheidende Person muss geistig in der Lage sein, alle relevanten Informationen zu Alternativen abzuwägen. Außerdem muss die todbringende Handlung, etwa die Einnahme eines Medikaments, immer vom Betroffenen selbst vorgenommen werden. In Abgrenzung zur verbotenen aktiven Sterbehilfe oder „Tötung auf Verlangen“ ist es wichtig, dass die Sterbewilligen das Geschehen selbst in der Hand behalten.

Den Wunsch nach assistiertem Suizid äußern jedoch nicht nur sterbenskranke Patienten, sondern auch Menschen, die unter Depressionen leiden oder sich als lebenssatt bezeichnen. Inwiefern in diesen Fällen Sterbehilfe moralisch legitim ist, bleibt äußerst strittig. Immerhin sind Depressionen oft erfolgreich behandelbar.

Anders schaut es im Alter oder bei schweren gesundheitlichen Problemen, etwa infolge einer Krankheit oder eines Unfalls aus. Hier besteht die Möglichkeit, im Rahmen einer Patientenverfügung festzulegen, was bei einer medizinischen Behandlung getan oder unterlassen werden soll, wenn man seine Einwilligung nicht mehr selbst geben kann. So kann man etwa erklären, dass man keine Behandlung will oder dass bereits begonnene Maßnahmen abgebrochen werden sollen, auch wenn damit eine Verkürzung der Lebenszeit einhergeht. Die passive Sterbehilfe ist in Italien erlaubt.

Voraussetzung dafür ist: Man muss sich bereits vorher mit der eigenen Sterblichkeit befassen. Verdrängen bringt nichts. 

Anmerkung der Redaktion

Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über (mögliche) Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn ihr selbst Betroffene von Suizidgedanken oder Depressionen seid oder jemand in eurem Umfeld betroffen ist, findet ihr hier niederschwellige sowie spezifische Hilfeangebote infopoint.bz/suizid/. Im Notfall solltet ihr die Notrufnummer 112 anrufen oder euch in ein Krankenhaus begeben, dort wird euch weitergeholfen.

Weitere Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige sind unter www.suizid-praevention.it und www.dubistnichtallein.it erreichbar.

Bei psychischer Belastung gibt es außerdem das psychologische Krisentelefon 24/7, das unter der Grünen Nummer 800 101 800 zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar ist.

Für junge Menschen wurde der Beratungsdienst Young+Direct eingerichtet, der von Montag bis Freitag von 14.30 bis 19.30 Uhr telefonisch unter 0471 155 1 551 aktiv ist – oder auch per WhatsApp unter 345 0817 056 sowie per Mail unter online@young-direct.it.

Die Psychologischen Dienste in Bozen (0471 435001), Meran (0473 251960), Bruneck (0474 586220) und Brixen (0472 813100) kann man zu Bürozeiten erreichen.

Die Caritas Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.bz.it) bietet telefonisch unter der Nummer 0471 052 052 und per Mail Beratung rund um die Uhr an. Der Chatroom ist hingegen von Montag bis Donnerstag von 18.00 bis 21.00 Uhr geöffnet.

Bezirk: Bozen

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