Von: luk
Feldthurns – Mythen bergen Botschaften, sie bieten Orientierung, sie gerieren sich als Mahnmal für menschliches Handeln, sie regeln das Miteinander. Sie legen fest und sind festlegend. Sie lehren uns das Fürchten – „Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen” – und sie sind zuweilen zum Fürchten, wenn wir an heutige Mythen denken. Sie geben Spuren vor, Menschenbilder, Lebensentwürfe und Vorstellungen, denen wir oft ungefragt und unhinterfragt folgen. Und oft ist die Grenze zur Ideologie nicht weit. Was wird ausgelassen, was wird verschwiegen?
In “Von Mythen umgeben” – dem Eröffnungsvortrag von Maxi Obexer wird die Vieldeutigkeit der Mythen, der Zauber, aber auch das Verführungspotenzial benannt; zugleich die Tatsache, dass wir uns nicht jenseits von Mythen aufhalten können, weshalb es gerade heute wichtig ist, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Den Mythen und den Narrativen früheren und heutigen Ursprungs folgt die Summer School Südtirol 2019 mit der Frage, wie können wir ihnen begegnen, kritisch und affirmativ.
Die Gründungsmythen von Staaten, die Schöpfungserzählungen von Menschen und Landschaften, die Mythen aus den Dolomiten, oder die der Griechen, Märchen aus Japan und China, Heiligenbiographien aus der Legenda Aurea…
Bei der Eröffnung der Summer School am Sonntag, 14. Juli im wunderschönen Ambiente des Schlossgartens von Feldthurns lasen die Autorinnen und Autoren Marlene Sellemond, Kathrin Gschleier, Toni Bernhart, Ulrike Syha, Vernesa Berbo, Kathrin Röggla, Carlo Gallo, Erika Wimmer, Theresa Seraphin, Sarah Dulgeris, Muhammet Ali Bas und Mehmet Sözer Geschichten und Märchen aus aller Welt. Der Ahrntaler Musiker “Oachale fan Toule” spielte und sang von heutigen Geschichten, wie sie beispielsweise am Tresen im Gasthaus ersonnen werden.
Der Montag, 15. Juli startete mit den philosophischen Reflexionen und Ausführungen der französischen Philosophieprofessorin Catherine Perret zu den Mythen; sie hob die kritische Rezeption durch die Aufklärung hervor, die sich bei vielen modernen Philosophen fortsetzt, wobei sie in besonderer Weise Claude Lévi-Strauss und Walter Benjamin beleuchtete, die den Wandel von einer sehr kritischen Haltung zu einer neuen Hinwendung zu den Mythen durch die kritische Kraft des Bildes (Benjamin) vollzogen haben.
Am Montag Abend trug der Autor und Bildungsforscher Hans Karl Peterlini zum Thema „Identität und Identitäre“ vor. Umgeschichtete Ängste (habe ich meinen Job auch morgen noch?) stärken Bewegungen, wie jene der rechtsextremen „Identitären“ in Österreich. Diese zeigten sich in ihren markantesten Formen als rückwärtsgewandte, nach Wurzeln suchenden Identitätsentwürfe, wobei das Schlagwort “Heimat” zur magischen Formel wird. Hinter den mythisch verklärten Vorstellungen von Einheit und Reinheit ließen sich jedoch, so Peterlini, existenzielle Nöte und Bedürfnisse erkennen, die verdrängt und auf Feind- und Bedrohungsbilder projiziert werden.
Ulrike Syha, Autorin, Dramatikerin und Übersetzerin, las aus ihrer Erzählung „Das Haus – Texte zum Mythos Stadt.“
Der Autor und Schauspieler Carlo Gallo brachte die Performance „Bollari – Memorie dallo Jonio“ auf die Bühne im Vier-Jahreszeiten-Saal von Schloss Velthurns; Erzählungen der kalabresischen Fischer und ihrer Fischfangmethoden aus den 1930er Jahren, wo mit Hilfe von Sprengstoff alles Leben unter Wasser ausradiert wurde, und auch die eine oder andere Fischerhand dran glauben musste.
Mit Montag, 15. Juli startete auch der literarische Workshop für internationale und lokale Autorinnen und Autoren, der von Kathrin Röggla, Bernhard Studlar und Maxi Obexer geleitet wird. Die Teilnehmenden 2019 sind: Mehmet Soezer, Erika Wimmer, Patricia Bateira, Theresa Seraphin, Sarah Dulgeris, Vernesa Berbo, Neutro – Anna Neuwirth und Martin Troger (Duo), Anna Maria Pircher, Bas Ali Muhammed. Die Kurzbios finden Sie im Programm auf unserer homepage.