Von: mk
Bozen – Das Friedensgericht in Bozen hat eine Strafanzeige der Band Frei.Wild wegen übler Nachrede gegen den Jugendarbeiter und Künstler Armin Mutschlechner archiviert – auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bozen. Die Entscheidung des Gerichts verweist auch auf ein von Frei.Wild gegen einen Schweizer Journalisten angestrengtes Verfahren, das gleichfalls vom Zürcher Obergericht abgewiesen wurde.
Grund der Strafanzeige gegen Mutschlechner war die Tatsache, dass er im November 2013 – im Rahmen des oew-Filmfestivals – Nachbereitungen in Pustertaler Oberschulklassen zum Film „Die Kriegerin“ (D, 2011) betreut hat. Es waren Diskussionen mit Schülern, die von ihm moderiert wurden. Auf seine Diskussionsimpulse, die dank einer widerrechtlichen Audioaufnahme die Schulklasse verließen, folgte im Februar 2014 die Strafanzeige der Mitglieder der Band „Freiwild“. In der Anzeige beschwerte sich die Band darüber, dass Mutschlechner in einer Brunecker Oberschule die Band „Frei.Wild“ ins rechtsextreme Eck gerückt habe.
Doch damit nicht genug: Im Jänner 2014 war auch ein Mahnschreiben der Kanzlei Brandstätter an Bildungslandesrat Philipp Achammer und Schulamtsleiter Peter Höllrigl sowie an die Direktionen aller Südtiroler Ober- und Berufsschulen verschickt worden. Das Schreiben schloss mit der Aufforderung „Vorkehrungen zu treffen, auf dass sich solche Vorfälle nicht mehr wiederholen“, wie am „Germanistischen Gymnasium“ in Bruneck; Mutschlechner wurde als „selbsternannter Rechtsextremismusexperte“ bzw. „selbsternannter Moralapostel“ bezeichnet, der Falsches verbreitet.
„Auch Teile der Südtiroler Öffentlichkeit setzten mich unter Druck. Ich solle klein beigeben und mich demütig entschuldigen. Ich hätte keine Chance und ich würde die Prozesse finanziell ohnehin nicht durchstehen. Als Draufgabe kam leider eine vorauseilend devote Entschuldigung von Seiten der oew gegenüber der Band und der Presse für meine ‚Entgleisungen‘. Den wachsenden Pressionen, die gerichtlich bis vor den Kassationsgerichtshof führten, war nur standzuhalten dank des Beistands vorzüglicher Rechtsanwälte (Dr. Anton v. Walther, Dr. Nicola Canestrini) und dem Zuspruch vieler Südtirolerinnen und Südtiroler. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen herzlich bedanken, die mich bestärkten, standhaft zu bleiben“, erinnert sich Mutschlechner.
In Mutschlechners Fall spielte auch ein von Frei.Wild gegen einen Schweizer Journalisten angestrengtes Verfahren eine Rolle, bei dem es um die Begrifflichkeit „rechtsextrem“ ging. Auslöser für den Prozess war eine Bilderstrecke der Nachrichtenplattform 20Minuten unter dem Titel “Wenn harmlose Kleidung zur Provokation wird”, die 18 Beispiele von Kleidungsstücken zeigte, die gerne von Rechtsextremen getragen werden. Darunter befand sich auch ein T-Shirt von Frei.Wild.
„Eine rechtsextreme Überzeugung lässt sich auch versteckter transportieren, zum Beispiel durch T-Shirts von Bands wie Frei.Wild, Landser oder Skrewdriver”, lautete der Text dazu. Während der Journalist im Oktober 2016 noch zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, wurde er vom Zürcher Oberlandesgericht im Jahr 2017 freigesprochen.
Mutschlechner kritisiert, dass laut NZZ der Leadsänger der Band am 12. Mai 2017 vor dem Zürcher Obergericht erklärt habe, „es sei das erste Mal in 15 Jahren, dass sich die Band gerichtlich gegen eine solche Bezeichnung wehre.“ „Die mit großem Engagement betriebene Prozessflut in Südtirol und Rom gegen den Unterfertigten hat Burger vor den Zürcher Richtern tunlichst unterschlagen. Alles nur geträumt“, meint Mutschlechner.
Mutschlechner warnt vor Kultur an „Prozessandrohungen“
Aus dem Alptraum sei er nach über dreieinhalb Jahren erwacht. „Als Teil der Südtiroler Zivilgesellschaft halte ich es für sehr bedenklich, wie in letzter Zeit mit Prozessandrohungen Druck gemacht wird. Das Meinungsklima in Südtirol hat sich nicht nur aufgrund vielfacher Hetze im Netz verschärft (wovon ich ein Lied singen kann), sondern auch wegen der aktuell anhängigen Verfahren gegen Künstler und Autoren. Die Tatsache, dass mit dem Instrument der Strafanzeige vermehrt persönliche private und wirtschaftliche Ziele verfolgt werden ist Ausdruck einer zunehmend unduldsamen und illiberalen Grundstimmung, die vor allem Kulturschaffende präventiv einschüchtert. Wie lange werden wir noch ‚so segn holts mirs‘ als ungeschminkte Satire genießen können? Dass in Südtirol Zivilcourage ohnehin nur ein zartes Pflänzchen ist, ist zur Genüge bekannt; das aktuell besonders frostige Klima wird ihr Aufkommen nicht fördern“, meint Mutschlechner.
Daher sein Appell: „Lassen wir uns nicht einschüchtern: kritisches Hinterfragen, Meinungsfreiheit und künstlerische Äußerungen dürfen nicht zur ‚Entnahme‘ frei gegeben werden und zum ‚Freiwild‘ der Mächtigen verkommen.“
Auch in Südtirol sollten laut Mutschlechner möglichst viele Bürgerinnen und Bürger – und vor allem Künstlerinnen, Künstler und Kulturschaffende – realisieren, was auf dem Spiel stehe und öfter als bisher ihre Stimme erheben. „Trotz des von mir erlebten scharfen Gegenwinds kann ich dazu nur ermutigen“, meint Mutschlechner abschließend.