Von: Ivd
Innsbruck – In einer abgelegenen Höhle im Norden Grönlands hat ein Forschungsteam um die Geologen Gina Moseley, Gabriella Koltai und Jonathan Baker von der Universität Innsbruck Spuren einer deutlich wärmeren Arktis entdeckt. Die Höhlenablagerungen zeigen, dass die Region vor Millionen Jahren frei von Permafrost war und sensibel auf steigende Temperaturen reagierte. Die Ergebnisse, veröffentlicht in Nature Geoscience, liefern neue Einblicke in vergangene Klimaentwicklungen und ihre Bedeutung für den heutigen Klimaschutz.
Ein gutes Verständnis historischer Klimaentwicklungen ist entscheidend, um künftige Entwicklungen besser verstehen und vorhersagen zu können. Besonders aufschlussreich ist das späte Miozän, das vor etwa elf Millionen Jahren begann: Diese Periode der Erdgeschichte umfasst eine Zeit, in der die Verteilung von Land und Meer der heutigen ähnlich war und sowohl Temperatur als auch Kohlendioxidwerte mit den Prognosen für die kommenden Jahrzehnte vergleichbar sind. Die Arktis gilt als besonders empfindlich gegenüber Klimaveränderungen, über ihre damaligen Umweltbedingungen ist bislang allerdings wenig bekannt. Um diese Wissenslücke zu schließen, begab sich ein Team unter der Leitung von Gina Moseley an die Nordküste Grönlands, eine der entlegensten Regionen der Erde. Die Höhle „Cove Cave“ ist nur mit Kleinflugzeug und mehrtägigen Wanderungen durch unbewohntes Gelände erreichbar. Im Rahmen der Expedition stießen die Forscher auf Kalkablagerungen, die nur dann entstehen können, wenn der Boden nicht gefroren ist und Wasser fließen kann: „Diese Ablagerungen sind für uns wie kleine Zeitkapseln. Sie zeigen, dass Nordgrönland einst frei von Permafrost war und ein deutlich feuchteres Klima herrschte, als wir es heute kennen“, sagt Gina Moseley von der Arbeitsgruppe für Quartärforschung am Institut für Geologie der Uni Innsbruck.
Einblicke in vergangene Warmzeiten
Die Analysen belegen mehrere warme und feuchte Phasen im späten Miozän. In Zeiträumen zwischen 9,5 und 5,3 Millionen Jahre lag die durchschnittliche Jahrestemperatur in Nordgrönland rund 14 Grad über den heutigen Werten, und die Kohlendioxidkonzentration betrug mindestens 310 ppm. Die Untersuchungen der Höhlenablagerungen zeigen, dass es zwischen den Warmphasen aber auch immer wieder zu Abkühlungen und sogar kurzzeitigen Gletscherbildungen kam. „Daraus können wir ablesen, dass das Klima stark und rasch auf veränderte Rahmenbedingungen reagierte“, erklärt Moseley. Solch detaillierte Einblicke in die Klimageschichte des hohen Nordens waren bislang nur aus Meeresablagerungen möglich. „Normalerweise stammen Klimaaufzeichnungen mit diesem Alter aus dem Meer“, erklärt Moseley. „Unsere Studie liefert erstmals einen hochaufgelösten Datensatz vom Land, der sich erstaunlich gut mit den marinen Daten deckt.“ Das Klima im hohen Norden konnte sich demnach schon damals rasch verändern, selbst bei vergleichsweise moderaten CO₂-Werten. Für Moseley ist das ein wichtiger Hinweis darauf, wie sensibel das arktische System auch heute reagiert könnte: „Die Arktis war in der Erdgeschichte nie stabil. Das zeigt, wie dynamisch dieses System ist und wie schnell sich Bedingungen ändern können.“
Bedeutung für die Zukunft
Die Studie macht deutlich, dass bereits geringe Änderungen im Kohlendioxidgehalt große Auswirkungen auf die Arktis haben können. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie sensibel das arktische Klima reagiert und dass jedes Zehntelgrad zählt“, betont Moseley. Heute liegen die CO₂-Werte deutlich über den Mindestkonzentrationen, bei denen im späten Miozän kein Permafrost vorhanden war. Das unterstreicht das zunehmende Risiko, dass große Permafrostgebiete auftauen: In diesen dauerhaft gefrorenen Böden sind große Mengen an Kohlenstoff gespeichert, die beim Auftauen als Kohlendioxid und Methan freigesetzt werden können. „Jede noch so kleine Begrenzung der Erwärmung ist entscheidend, um diese Rückkopplung zu vermeiden und die Folgen des Klimawandels zu mindern“, betont die Geologin.
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