Von: idr
Tiere, die sich hauptsächlich von Fleisch ernähren, und fleischfressende Pflanzen bezeichnet man als Karnivoren. Entsprechend ist die karnivore Ernährung (engl. Carnivore Diet) eine Ernährung, die kohlenhydrathaltige und pflanzliche Nahrungsmittel vom Teller verbannt und lediglich Fleisch einschließlich der Innereien, Fisch, Meeresfrüchte, Eier und – in der gemäßigten Form – laktosearme Milchprodukte gestattet. „Wie die Paleo- oder Steinzeitdiät ist die karnivore Ernährung eine (extreme) Form der ketogenen Ernährung“, weiß Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol. „Die Zufuhr jeglicher Kohlenhydrate wird mehr oder weniger stark, bis hin zum vollständigen Verzicht, eingeschränkt, zugunsten einer höheren Protein- und Fettaufnahme.“
Verbreitung findet die karnivore Ernährung über die sozialen Netzwerke und umstrittene Influencer mit vielsagenden Namen wie Dr. Carnivore oder Liver King. Nicht selten zelebrieren die Anhänger eine übertriebene Männlichkeit und beschwören das Bild des prähistorischen Jägers. Fleisch sei gesund und natürlich, schon immer hätten Menschen Fleisch gegessen. Die karnivore Ernährung bewirke eine Gewichtsabnahme durch Fettabbau, einen niedrigeren Blutdruck und bessere Blutzuckerwerte sowie eine Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems, sogar chronische Krankheiten ließen sich damit zum Verschwinden bringen. Im Internet sind sowohl Erfolgsberichte von Einzelpersonen als auch Schilderungen von Menschen, die sich aufgrund extremer gesundheitlicher Folgen nicht mehr karnivor ernähren, zu finden. Da viele Anhänger die karnivore Ernährung mit dem Intervallfasten kombinieren, ist zudem nicht klar, ob die beschriebenen Erfolge auf Fleisch und Fisch oder auf die Art des Fastens zurückgehen.
Aussagekräftige Studien zur karnivoren Ernährung, insbesondere Langzeitstudien, sind noch rar. Die Wissenschaft kann daher die Auswirkungen einer karnivoren Ernährung auf die Gesundheit noch nicht seriös bewerten. Kurzfristig ist es tatsächlich möglich, mit der karnivoren Ernährung einen Gewichtsverlust zu erzielen. Denn dank des vollständigen Verzichts auf süße Snacks und zuckergesüßte Getränke nimmt man insgesamt weniger Kalorien auf. Zudem begünstigt die geringere Ausschüttung von Insulin den Fettabbau. Drittens baut der Körper in den ersten Tagen nach der Umstellung die Glykogenspeicher ab, wodurch auch das an Glykogen gebundene Wasser (nicht Fett!) frei gesetzt und ausgeschieden wird. Langfristig könnten jedoch eher negative Folgen eintreten. Zahlreiche epidemiologische Studien belegen einen Zusammenhang zwischen einem hohen Verzehr von rotem Fleisch (im Rahmen einer omnivoren Ernährung) und einem höheren Risiko für Schlaganfall, koronare Herzerkrankung, Typ-2-Diabetes und bestimmte Krebserkrankungen. Auch ist es eine Tatsache, dass eine karnivore Ernährung viele gesättigte Fettsäuren, aber praktisch keine Ballaststoffe und sekundären Pflanzenstoffe liefert. Langfristig fehlen zudem jene Vitamine und Mineralstoffe, die typischerweise in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten sind.
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