Von: mk
Bozen – Die Unterschiede in Südtirol zwischen denen, die viel haben und jenen, die wenig haben, bewerten Südtirols Arbeitnehmer zu 31 Prozent mit „sehr groß“ und zu 50 Prozent mit „groß“. Als Hauptursachen machen die Befragten die Wirtschaftspolitik aus, gefolgt von der Lohn- und der Steuerpolitik. Neben einer soliden Bildungsbasis und mehr Angeboten für lebensbegleitendes Lernen brauche es eine stärkere Beteiligung von Frauen in Entscheidungsprozessen, sagen Südtirols Arbeitnehmer.
Noch ist der epidemiologische Notstand nicht ausgestanden, und schon debattiert man in Kreisen der Wirtschaft- und Sozialforschung darüber, wie der wirtschaftlicher Aufschwung und der Abbau der Schuldenlast sozial gerecht verteilt werden könnte.
In der Sommerausgabe des AFI-Barometers hat das Arbeitsförderungsinstitut Südtirols Arbeitneh-mer*innen mit der Frage konfrontiert, wie hoch sie die wirtschaftliche Ungleichheit in Südtirol einstufen, worin sie die Ursachen sehen und an welchen Stellschrauben gedreht werden sollte, um die Situation zu entschärfen.
Wahrgenommene Kluft bleibt bedeutend
Wie das AFI vorausschickt, muss zwischen der gefühlten und der aus Verwaltungsquellen belegbaren Vermögens- und Einkommensungleichheit unterschieden werden. Die folgende Darstellung gibt somit nur die subjektive Wahrnehmung der interviewten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder. Ihrer persönlichen Einschätzung nach stufen 81Prozent der im AFI-Barometer Befragten die bestehende Ungleichheit zwischen Arm und Reich in Südtirol als „sehr groß“ (31 Prozent) oder „groß“ (50 Prozent) ein.
In den AFI-Barometer-Befragungen der Vorjahre waren die Werte zum Teil noch höher, dennoch lässt sich für den Zeitraum 2015-2020 kein eindeutiger Trend in die positive Richtung ablesen.
Wirtschaftspolitik berücksichtigt zu wenige Aspekte der sozialen Gerechtigkeit
Den Hauptgrund für die Kluft zwischen Arm und Reich ortet 29 Prozent der Südtirols Arbeitnehmer-schaft in der gesamtstaatlichen und lokalen Wirtschaftspolitik. Offensichtlich sind viele der Meinung, dass die Wirtschaftspolitik heute zu wenig die Aspekte der sozialen Gerechtigkeit beinhalte.
26 Prozent sehen in einer verfehlten Lohnpolitik den Grund für Ungleichheiten. 21 Prozent finden, das bestehende Steuersystem fördere mehr die wirtschaftliche Auseinanderentwicklung der Gesellschaft als dass sie dazu beitrage, diese zusammenzuführen würde.
Bildungs- und Frauenpolitik zentrale Stellschrauben
Zu den Interventionsschienen, um Ungleichheit entgegenzuwirken: Am stärksten in der Gunst von Südtirols Arbeitnehmerinnen und -nehmern steht die Garantie einer soliden Bildungsbasis und von lebensbegleitender Weiterbildung (71 Prozent stufen diese Maßnahme als „sehr wirksam“ ein). Dicht darauf folgt die stärkere Beteiligung der Frauen in Entscheidungsprozessen (68 Prozent). Die Schaffung von qualitativ hochwerteigen Arbeitsplätzen sehen 54Prozent als zentrales Element. Ein progressives Steuersystem in Kombination mit Transferleistungen stufen 50Prozent als sehr wirksam ein.
„Wir wünschen uns, dass sich durch Corona der soziale Verteilungskampf nicht unnötig zuspitzt. Grundlage dafür ist, dass alle Entscheidungsträger den sozialen Frieden als hohes Gut anerkennen“, erklärt AFI-Präsident Dieter Mayr zur Erhebung.