Von: luk
Bozen – Gesundheitsförderliches Führen bedeutet nicht, Leistungsstandards abzusenken, sondern Mitarbeitern und Führungskräften Mittel an die Hand zu geben, um Belastungen und Stress besser bewältigen zu können, sagt Paul Jiménez, Organisationspsychologe und Forscher der Uni Graz im Bereich „Human Resources“ auf der Fachtagung des AFI …und was gesundes Führen mit Tango zu tun hat.
Die Fachtagung des AFI „Gesundes Führen“ mit dem Workshop-Vortrag des Grazer Organisationspsychologen Paul Jiménez im Mittelpunkt hatte eine interessante Mischung von etwa 30 Führungskräften und Mitarbeitern aus Wirtschaft, Gewerkschaften und öffentlicher Verwaltung zusammengebracht. In seinem Rahmenvortrag skizzierte der Arbeitspsychologe im AFI, Tobias Hölbling, das Profil der Führungskräfte in Südtirol aus der AFI/EWCS-Studie: „Jeder fünfte Beschäftigte in Südtirol führt andere Mitarbeiter und 3 von 4 Führungskräften sind männlich“. Zwar würden die Führenden ihre Mitarbeiter recht gut unterstützen, Mängel gebe es jedoch bei Anerkennung des und Feedback zum Geleisteten, so Hölbling. Mit konkreten Vorschlägen zur Gestaltung eines gesunden Arbeitsklimas für Führungskräfte und Mitarbeiter schlug der Vortrag von Dr. Paul Jiménez genau in diese Kerbe. Der Organisationspsychologe und Forscher im Bereich „Human Resources“ der Uni Graz stellte von Beginn an klar: Gesundheitsförderliches Führen bedeute nicht, Leistungen abzusenken, sondern den Mitarbeitern und Führungskräften über Techniken und Anleitungen die Ressourcen an die Hand zu geben, um die Belastungen und den Stress besser bewältigen zu können. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen belegten, dass mitmenschliche und gesundheitsförderliche Führungstechniken genauso zu den vorgesetzten Leistungszielen führten wie weniger „freundliche“, dass aber bei den ersteren die Mitarbeiterzufriedenheit um ein Vielfaches höher sei. Damit sei auch ein Produktivitätsvorteil gesichert.
Wertschätzung ist Trumpf
Ein Trumpf im gesundheitsförderlichen Führen sei die Wertschätzung, betonte Jiménez. Diese bestehe nicht nur aus Loben und Danke sagen, sondern äußere sich in der Art der Zusammenarbeit, den Umgangsformen, der Beachtung scheinbarer Nebensächlichkeiten, die für die zu führende Person bedeutsam sind. „Das Gegenteil von Wertschätzung, die Nicht-Anerkennung, erhöht den Rückzug und die Unproduktivität“, so Jiménez. Absichtlich langsamer arbeiten 30% der Mitarbeiter, die sich nicht wertgeschätzt fühlen, aber nur 8% derer, die sich anerkannt fühlen. „Das ist Geld, das verloren geht“, bringt der Organisationspsychologe den Kern des mitmenschlichen Umgangs im Unternehmen auf den Punkt. Jiménez verstand sich darauf, Ergebnisse der Forschung geschickt mit Workshop-ähnlichen Handlungsanleitungen zu verbinden. So bat er eine Teilnehmerin nach vorne und versuchte mit ihr einige Tangoschritte zu Musik. Der Zweck? „Beim Führen ist es wie beim Tango-Tanzen: Die führende Person muss die folgende Person gut aussehen und eine gute Figur machen lassen, nicht sich selbst, dann wird der Tanz gut und schaut schön aus.“ Das Tango-Bild fasst die gesundheitsförderliche Führung nach Jiménez zusammen: Eine Führungskraft ist ein Hebel, eine Führungskraft muss führen dürfen („Organisationskultur“), eine Führungskraft muss Engagement zulassen und muss Demotivation vermeiden (mit der Wertschätzung als zentraler Basis) – und eine Führungskraft muss unterstützt werden: Von ‚oben‘, vom Team und von sich selbst.
Auch auf sich selbst achten
Ähnlich wie beim Durstgefühl wird der Erholungsbedarf von den meisten Führungskräften zu spät erkannt. Daher sei Selbstdisziplin auch bei sich selbst gefragt: Ist die 61. Arbeitsstunde wirklich noch so wichtig? Jetzt abschalten würde nicht nur gesünder sein, sondern auch mehr bringen. Am Ende bringt das Führen Miteinander und nicht Gegeneinander auch sichtbare gesundheitliche Vorteile: Ein gesunder Mensch gehe aufrecht, zitierte Jiménez den Psychologen Eberhard Ulich. „Man sieht Leuten an, wenn es ihnen gut geht“. Das sei wichtig für Beruf und Betrieb: Gerade in der von individuellen Leistungen geprägten digitalen Arbeitswelt („Arbeit 4.0“) wird Gesundheit und Identifikation mit dem Betrieb und dem Team zum entscheidenden – auch wettbewerbsentscheidenden – Faktor. Über allen Nutzerwägungen aber steht die Kunst, Menschen gut zu führen. Die Quintessenz des Gesundheitsförderlichen Führens: „Es ist keine verlorene Zeit, mit Menschen zu reden“.