Von: mk
Bozen – Die internationale wirtschaftliche Erholung setzt sich fort und der Arbeitsmarkt in Südtirol zeigt sich zusehends freundlicher. Gleichzeitig verharren die Stimmungsindikatoren, welche die wirtschaftliche Situation der Arbeitnehmerfamilien beschreiben, weitgehend auf unverändertem Niveau. AFI-Direktor Stefan Perini: „Der wirtschaftliche Aufschwung festigt sich – Südtirols Arbeitnehmer haben im Moment aber eher wenig davon.“
Im Frühjahr 2017 expandiert die Weltwirtschaft recht kräftig, relativ unbeeindruckt von steigenden geopolitischen Risiken: Die Aktienmärkte ziehen seit Herbst 2016 an. Im Euro-Raum bleibt das Zinsniveau unverändert niedrig. Die Inflation ist, bedingt durch den steigenden Rohölpreis, wieder auf Normalniveau. Doch die Unsicherheitsfaktoren nehmen zu: geopolitische Spannungen, anhaltender Terror, gepaart mit der Unklarheit über die zukünftige politische Ausrichtung der USA und die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien. Mit den Wahlen in Frankreich, Deutschland und im Vereinigten Königreich bahnt sich 2017 ein Superwahljahr an. Das IMK (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung) aus Düsseldorf prognostiziert für 2017 folgende Wirtschaftswachstumsraten: USA +2,0 Prozent, Eurozone +1,6 Prozent, Deutschland +1,6 Prozent, Österreich +1,8 Prozent und Italien +1,1 Prozent.
Aufschwung? Nicht für Südtirols Arbeitnehmer
Das Südtiroler Arbeitsmarktumfeld hat sich zuletzt deutlich aufgehellt und auch das wirtschaftliche Stimmungsbild lässt im längerfristigen Verlauf eine positive Tendenz erkennen. Die Indikatoren, welche die wirtschaftliche Situation der Arbeitnehmerfamilien abbilden, springen demgegenüber immer noch nicht an. Das leitet sich aus den sieben Stimmungsindikatoren ab, die das AFI-Barometer bei der Südtiroler Arbeitnehmerschaft ermittelt hat. Aktuell geben 31 Prozent der Arbeitnehmer an, nur mit Schwierigkeiten über die Runden zu kommen, weil das Geld nicht bis ans Monatsende reicht.
Arbeitsmarkt: Ein „Jobwunder“ der besonderen Art
Der Positiv-Trend am Südtiroler Arbeitsmarkt hat sich auch in den ersten Jahresmonaten 2017 fortgesetzt. Seit einigen Monaten liegt die Arbeitslosenrate wieder unter der Marke von vier Prozent. Diese Daten allein sagen aber nur die halbe Wahrheit. Noch nie war der Anteil an Festanstellungen so gering wie derzeit: Im Jahr 1998 waren noch 82 Prozent der Arbeitsverhältnisse unbefristet und nur 18 Prozent befristet. Im Jahr 2016 machen die Festanstellungen nur mehr 74 Prozent aus, während die zeitlich befristeten Verträge auf 26 Prozent angestiegen sind. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Beschäftigungszuwachs ausschließlich auf dem Vormarsch von Teilzeitarbeit zurückzuführen ist. Die Vollzeit-Arbeitsverhältnisse bleiben zwischen 2002 und 2016 relativ konstant bei 140.000, die Teilzeitverhältnisse nehmen von 15.000 auf 52.000 zu.
2017: AFI hält zwischenzeitlich an Wirtschaftswachstumsprognose von +1,4 Prozent fest
Die wieder anziehende internationale Konjunktur dürfte zwar auch auf Südtirol positiv abfärben – trotzdem sind die Risikofaktoren so präsent wie noch nie. Die Südtiroler Wirtschaft begegnet diesen Herausforderungen mit einem guten allgemeinen Gesundheitszustand, mit einer gefestigt positiven Grundstimmung und einem zuversichtlichen Arbeitsmarktausblick. Dies veranlasst das AFI, an seiner Wachstumsprognose von +1,4 Prozent für die Südtiroler Wirtschaft im Jahr 2017 festzuhalten. Damit wächst Südtirols Wirtschaft zwar etwas schwächer als die der Euro-Länder im Schnitt, aber stärker als Gesamtitalien.
Arbeitszufriedenheit verschlechtert sich von hohem Niveau aus
Im Frühjahrsbarometer ermittelt das AFI auch immer die Zufriedenheit am Arbeitsplatz, die Bewertung von Belastungs- und Entlastungsfaktoren und die Einschätzung der körperlichen und geistigen Fitness. Die Zufriedenheit am Arbeitsplatz hat in den letzten drei Jahren von hohem Niveau aus etwas abgenommen. Die Verschlechterung zeigt sich quer durch alle Indikatoren, am stärksten aber was die Weiterbildungsmöglichkeiten, den Führungsstil des Vorgesetzten und das Ansehen der Arbeitnehmer in der Gesellschaft anbelangt. Ein steigender Anteil an Arbeitnehmern (62 Prozent) glaubt hingegen, mit 65 Jahren noch den derzeitigen Beruf ausüben zu können. Als zentrale Maßnahmen zur Verlängerung des Arbeitslebens werden folgende angesehen: weniger Stress, bessere zwischenmenschliche Beziehungen, faire Einkommen.
Stellungnahme von AFI-Präsidentin Christine Pichler
„Der Südtiroler Arbeitsmarkt läuft gut, aber nicht so glatt, wie es nach außen hin scheint. Wenn man die Entwicklung in einem längeren Zeitraum betrachtet, stellt man fest, dass die Festanstellungen von Arbeitnehmern zurückgehen und die befristeten Arbeitsverhältnisse vorrücken. Die Teilzeitarbeit hat sich sogar verdreifacht: 2002 waren knapp 16.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt, 2016 waren es bereits mehr als 52.000. Das neue Jobwunder kommt also vielfach durch die Vermehrung der „Jobs mit Ablaufdatum“ und der „Jobs mit reduzierter Arbeitszeit“ zustande. Jetzt ist es notwendig und auch machbar, die Arbeitsplätze zu stabilisieren und die Löhne nach oben anzupassen. Angemessen höhere Löhne sind gerecht und bringen das Wirtschaftsrad noch mehr in Schwung“, erklärt AFI-Präsidentin Christine Pichler.
Stellungnahme von Landesrätin Martha Stocker
„Der wirtschaftliche Aufschwung in Südtirol setzt sich fort – das sehen auch Arbeitnehmer so, bestätigt uns das aktuelle AFI-Barometer. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt ist recht zufriedenstellend, auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt – siehe die große Zahl von befristeten Verträgen. Der Wohlfahrtsstaat braucht eine florierende Wirtschaft, damit er finanzierbar bleibt. Umgekehrt ist der Wohlfahrtsstaat die Grundlage für eine funktionierende Wirtschaft. Beide brauchen einander und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, betont Landesrätin Martha Stocker.
Alle Ergebnisse des AFI-Barometers sind im Internet unter www.afi-ipl.org/afi-barometer veröffentlicht.