Von: luk
Bozen – Es ist viel in Bewegung im Bereich Behinderung. Das neue Landesgesetz wird nun Schritt für Schritt umgesetzt und wirksam. Damit findet man in der Südtiroler Behindertenpolitik wieder zur beispielhaften Rolle zurück, wofür das Land und ganz Italien schon vor 30 Jahren standen. Inklusion ist das Leitmotiv.
“Mittendrin, statt nur dabei” ist das wegweisende Motto des neuen Landesgesetzes zur Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Südtirol. Es ist seit Sommer 2015 in Kraft. Nun wurde ein weiterer Schritt zu seiner Umsetzung gemacht. Neu beschlossen wurden jetzt die „Richtlinien für die Dienste zur Arbeitsbeschäftigung und die sozialpädagogische Tagesbegleitung der Sozialdienste“. Ähnlich wie schon bei der Ausarbeitung des Landesgesetzes sind dabei wieder auch die Vertreter von Betroffenenverbänden aktiv miteinbezogen worden. „Dadurch können die Anliegen und Bedürfnisse der Nutzerfamilien direkt eingebracht werden und zwar für die Zielgruppen Menschen mit Behinderungen, Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen“, erklärt Dorotea Postal, Präsidentin des achverbandes für Soziales und Gesundheit.
Was für konkrete Auswirkungen der neue Beschluss der Landesregierung Nr. 883 vom 4. September 2018 bringt, erklärt Landesrätin Martha Stocker: „Die Richtlinien bewirken eine Neuausrichtung der Dienste. Gab es bisher nur eine kurze, allgemeine Beschreibung der Leistungen, die in den Werkstätten und Tagesstätten erbracht werden, wurden diese nun genau definiert. Das schafft mehr Klarheit und Transparenz sowohl für die Bürgerinnen und Bürger, als auch für die Fachkräfte der Sozialdienste.“
„Es ist ein Paradigmenwechsel, weil die Inklusion nun als Ziel über allem steht. Das bedeutet auch, dass die betreuten Personen nun aktiv einbezogen werden müssen.
Gemeinsam werden nun individuelle Lebensprojekte entworfen, die flexibel auf die sich verändernden Bedürfnisse und Fähigkeiten eingehen“, so Stocker. Diese Teilhabe sei entscheidend, unterstreicht auch Dachverband-Präsidentin Dorotea Postal: „Es ist nicht mehr eine Planung für die Person, sondern mit der Person.“ Grundsätzlich gestärkt wird auch die Beratung der Familien durch das Personal der sozialpädagogischen Grundbetreuung in den Sprengeln, also auch von den teilstationären Diensten. Ein zusätzlicher weiterer Qualitätssprung, so Stocker, sei die Zusicherung des Sanitätsbetriebs, die systematische und kontinuierliche psychologischen und psychiatrischen Betreuung in den Einrichtungen zu gewährleisten und die Zusammenarbeit mit den Fachkräften der Sozialdienste zu verbessern.
Mit ausgearbeitet hat die Richtlinien auch Irmhild Beelen vom AEB – Arbeitskreis Eltern Behinderter: „Dadurch, dass in den Richtlinien vieles präzisiert und genau beschrieben wird, steckt in ihnen großes Potential. Sie ermöglichen viele positiven Entwicklungen, davon sind wir überzeugt. Als familienentlastende Maßnahme ist etwa die Aufnahme von Minderjährigen mit schwerer Beeinträchtigung am Nachmittag und in der schulfreien Zeit eine wichtige Errungenschaft, ebenso wie die auf Menschen mit Autismus-Spektrum-
Störungen ausgerichteten Dienste“, betont Beelen.
Der personenzentrierte Ansatz, bei dem Selbstbestimmung, Entscheidungsfähigkeit, Teilhabe und Übernahme einer aktiven und verantwortlichen Rolle der Betreuten berücksichtigt werden, eröffne mehr Flexibilität und viele neue Möglichkeiten der Arbeitsbeschäftigung, so Beelen: „Der gut geplante Übergang von der Schule mit der Durchführung von Praktika, sowie die Möglichkeit, in den öffentlichen Einrichtungen der Sozialdienste eine Ausbildung über eine Arbeitsrehabilitationsmaßnahme abzuschließen, kann und soll den Übergang von der Arbeitsbeschäftigung zur Arbeitsintegration erleichtern.“ Das Netzwerk zwischen den Diensten zur Arbeitsbeschäftigung mit dem Arbeitsservice und der Berufsbildung eröffnet Möglichkeiten für Praktika, individuelle Vereinbarungen und neue flexible Arbeitsmodelle und Beschäftigungsbereiche. Die Hoffnung ist, dass es damit mehr junge Menschen mit Behinderung schaffen, im Arbeitsleben Fuß zu fassen, denn der Berufseinstieg ist für sie sehr schwer. Die Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Schulen bei den Übergängen soll diesen Knoten etwas lösen.
Wie das in der Praxis geht, sieht man am Beispiel der Geschützten Werkstatt “Menhir” des Betriebs für Sozialdienste in der Bari-Straße in Bozen, wo junge Menschen mit Behinderung im Alter von 18 bis 25 Jahren beim Übergang von der Schule zum Beruf begleitet und auf das Arbeitsleben vorbereitet werden. Aktuell absolvieren zehn junge Erwachsene dieses Training. Sie arbeiten in einem Zeitrahmen von zwei bis drei Jahren mit im Gartenanbau von Gemüse, in der Küche, in der Wäscherei, erledigen Reinigungsaufträge und kleinere Auftragsarbeiten, etwa den Zusammenbau von Kleinteilen, oder Dokumentenvernichtung.