Von: mk
Bozen – Mehr Rechtssicherheit beim neuen Urbanistik Gesetz, mehr Flexibilität bei den Fristen des Gemeindeentwicklungsplans und den Nutzungsmöglichkeiten von Immobilien sowie mehr Anwendbarkeit für Raumordnungsvereinbarungen und der Kubaturbonus – das sind die Vorschläge der Vereinigung Südtiroler Freiberufler, die im Rahmen einer Veranstaltungsreihe diskutiert wurden. Der Präsident der Vereinigung Peter Gliera unterstreicht, dass die Urbanistik ein wesentliches Element der Wirtschaftsentwicklung bleiben müsse und die Reform derselben nicht zum Hindernis für organisierte Verbauung werden dürfe.
Das neue Urbanistikgesetz hat in den vergangenen Monaten und Jahren einiges an Staub aufgewirbelt – verständlich angesichts der erheblichen Auswirkungen des neuen Regelwerks auf die Bautätigkeit im gesamten Land. Die Vereinigung Südtiroler Freiberufler vertritt jene Berufskategorien, die das neue Gesetz in ihrer täglichen Arbeit anwenden müssen. Dabei haben sich einige notwendige Anpassungen herauskristallisiert, die die Freiberufler im Rahmen einer Veranstaltungsreihe diskutiert und der Landesrätin für Urbanistik, Maria Hochgruber Kuenzer, vorgebracht haben – mit der Forderung, dass die Anliegen in den entsprechenden politischen Gremien konstruktiv diskutiert und bei künftigen Änderungen möglichst berücksichtigt werden.
Bei den Veranstaltungen der Vereinigung Südtiroler Freiberufler, zu denen Mitglieder und interessiertes Fachpublikum eingeladen waren, informierten Rechtsanwalt Paul Lintner und Architekt Markus Lunz über wesentliche und einschneidende Veränderungen im neuen Urbanistikgesetz, sowie die mittlerweile genehmigten Änderungen.
Heinrich Ferretti, Direktor der Freiberuflervereinigung, fasste die notwendigen Verbesserungspotentiale auf fünf wesentliche Kernaussagen zusammen.
Freiberufler benötigen an mehreren Stellen Rechtssicherheit in der Anwendung des Gesetzes
„Als Planer wollen wir Freiberufler uns in unserer Kernkompetenz entfalten: der Planung und Gestaltung. Langatmige Bürokratie und unsichere Gesetzeslage erzeugen derzeit aber zunehmend Frustration“, so die Freiberufler. Die mangelnde Rechtssicherheit mache sich unter anderem im fehlenden Austausch zwischen Öffentlicher Verwaltung, Bauherr und Planer bemerkbar. Es sei schwierig, verlässliche und verbindliche Aussagen von Gemeinde- und technischen Ämtern zu erhalten. „Um den Berufsalltag in den Bauämtern zu erleichtern, wäre es wichtig, wenn Gemeindetechniker, Landesbedienstete und Freiberufler dieselbe Informationsbasis hätten“, so die Freiberufler, die zu diesem Zweck anregen, wieder einen Einheitstext zu erstellen. Dass die Anzahl der Bauanträge in den Gemeinden signifikant zurückgegangen ist, führen die Freiberufler unter anderem auch auf die fehlende Rechtssicherheit des neuen Urbanistik Gesetzes zurück.
„Punktuelle Änderungen am Gemeindeentwicklungsplan müssen auch vor Ablauf der zehnjährigen Frist möglich sein“
So wie sich die Gesellschaft ständig wandelt und wirtschaftliche Erfordernisse sich ändern, so müsse auch das Instrument des Gemeindeentwicklungsplans eine Mindestflexibilität haben. Im Austausch zwischen Politik, Verwaltung und Gestaltern könnten so sinnvolle Win-Win-Lösungen gefunden werden.
Effektivere Maßnahmen für leistbares Wohnen sind notwendig
Die Ausweisung neuen Wohnraums werde durch das neue Raumordnungsgesetz stark gedrosselt, ebenso die Möglichkeiten zur Nutzung innerhalb des Bestandes. Dadurch würden sich gezwungenermaßen die Preise erhöhen. Wohnen werde durch die neuen Regeln nicht leistbarer, sondern im Gegenteil teurer. Dass der Kubaturbonus in Wohnbauzonen nur für Gebäude mit mindestens 50 Prozent Wohnkubatur zulässig ist, widerspreche dem Grundsatz „Braun vor Grün“. „Warum sollte ein ‚Nicht-Wohngebäude‘ bei energetischer Sanierung nicht um eine oder mehrere Wohnungen erweitert werden können?“, fragen sich die Freiberufler und fordern gleichzeitig eine Flexibilisierung der Zweckbestimmungen: „Eine Kubatur sollte heute als Wohnung und morgen als Büro nutzbar sein, ohne dass dafür ein bürokratischer und kostenintensiver Weg beschritten werden muss. Wenn heute Wohnraum benötigt wird, sollte die verfügbare Kubatur dafür genutzt werden können; wenn es morgen Geschäfts- und Dienstleistungsflächen sind, dann eben für diese Zwecke.“ Das sei eine effiziente und unkomplizierte Möglichkeit, Leerstände zu reduzieren und Preise niedrig zu halten. Zudem fordern die Freiberufler die Einrichtung einer Wohnungsbörse. „Es gibt in Südtirol viele geförderte 110-Quadratmeter-Wohnungen, die von nur einer Person bewohnt werden. Eine Wohnungsbörse könnte eine Plattform sein, damit beispielsweise Familien mit Kindern ihre kleinen Wohnungen gegen größere eventuell mit Aufzahlung eintauschen können. Und wir müssen kreative Modelle schaffen – flexibel nutzbare Wohngemeinschaften zum Beispiel, die von Jugendlichen, Studenten, Arbeitern oder Senioren genutzt werden können“, schlagen die Freiberufler vor.
Raumordnungsvereinbarungen als dynamische Komponente des Raumordnungsgesetzes
„Damit die Gemeinden nicht gezwungen werden, die für öffentliche Strukturen benötigten Gründe ausschließlich zu enteignen, verlangen die komplexen Herausforderungen maßgeschneiderte und interdisziplinäre Ansätze wie eben jene der Raumordnungsvereinbarungen. Dieses Instrument soll als Chance für eine intakte Gestaltung der öffentlichen Räume gesehen werden“, so die Freiberufler.
Ausgewählte Maßnahmen im Natur- und Agrargebiet
Jeder zweite Beherbergungsbetrieb befindet sich im Landwirtschaftsgebiet. „Qualitative Erweiterungen müssen daher unbedingt zugelassen werden“, fordert die Vereinigung Südtiroler Freiberufler. Auch der Kubatur-Bonus sei ein wichtiger Baustein für eine gesunde Entwicklung und darf im Landwirtschaftsgebiet nicht ausgeklammert werden.
Für die Bestands Kubaturen, etwa in Dachgeschossen oder Wintergärten, müsse eine gesetzeskonforme Regelung gefunden werden, um diese Bauwerber nicht zu benachteiligen. „Das neue Urbanistik Gesetz bringt nämlich über die Verordnung zum Bauwesen auch eine Neuinterpretation der Mehrkubatur mit sich, die dann von einer eventuellen Erweiterungskubatur abgezogen werden muss.“