SBB bezieht Stellung

“Online ist angesagt, aber aufwändig”

Dienstag, 23. November 2021 | 23:38 Uhr

Bozen – Mehr bio, vegan oder vegetarisch? Online-Shop oder Bauernmarkt? Welche Hürden und Chancen birgt die Lebensmittelproduktion der Zukunft? Auf der Fachmesse Agrialp diskutierten Experten über die Trends auf den Lebensmittelmärkten – und stellten sich der Frage: Ist Südtirol darauf vorbereitet?

Die Ansprüche der Kundinnen und Kunden haben sich in den letzten Jahren stark verändert, nicht zuletzt durch Corona. Die Pandemie hat die Märkte aufgerüttelt und vor Augen geführt, dass zum Beispiel die Versorgungssicherheit nicht selbstverständlich ist. „Auch Trends wie Regionalität, Nachhaltigkeit und Gesundheit haben sich beschleunigt“, unterstrich Ulrich Wallnöfer, Geschäftsführer von „Pur Südtirol“ bei der Podiumsdiskussion „Die Lebensmittelmärkte der Zukunft: Ist Südtirol dafür gerüstet?“, zu welcher der Südtiroler Bauernbund auf die SBB-Aktionsbühne in die Messe Bozen geladen hatte.

Wallnöfer prognostizierte eine Hybridisierung der Lebensmittelmärkte. Künftig werde sowohl online als auch in Geschäften und auf Märkten eingekauft. Der Trend geht aber klar in Richtung Online-Einkauf. Das bestätigt eine deutsche Studie, laut der bis 2050 mehr als drei Viertel der Lebensmitteleinkäufe online erfolgen werden. Ob das auch für Südtirol gilt, wagt Georg Lun vom Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen zu bezweifeln. Trotzdem: „Der Online-Handel hat durch Corona einen enormen Aufschwung erfahren, der sich fortsetzen wird.“

Für die Verkäufer sei der Online-Handel sehr aufwändig, erklärte Wallnöfer: „Seit 2012 vermarkten wir online. Die Endkunden verlangen aber ständig mehr und das immer schneller.“ Große Konzerne wie Amazon seien die Treiber dahinter. „Wir als kleine Anbieter tun uns schwer, dem Kunden zu erklären, dass wir damit nicht konkurrieren können und wollen“, sagte Wallnöfer.

Thomas Reiter, Marketingleiter des Milchhofes Brixen Brimi, unterstrich die große Bedeutung des Lebensmitteleinzelhandels für die landwirtschaftlichen Genossenschaften. „Als die Gastronomie während des Lockdowns wegbrach, weil Bars und Restaurants geschlossen waren, hat der Handel vieles aufgefangen.“
Veränderungen gibt es auch im Handel. Bei den Supermärkten sind vor allem zwei große Tendenzen festzustellen: Einerseits wird es mehr Supermärkte geben, wo der Einkauf zum Erlebnis wird. Anderseits werden Supermärkte kommen, wo der Einkauf „automatisiert“ ist, d. h. die Waren an Kassen ohne Verkäuferin bzw. Verkäufer gescannt werden und der Kunde mit Karte bezahlt. Laut Georg Lun bringt diese Entwicklung für kleine Geschäfte und die Südtiroler Realität Chancen. „Es wird Änderungen geben, weil es unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedigen gilt. In Südtirol geht es eher um das Einkaufserlebnis und den persönlichen Kontakt, das den Handel am Leben erhalten kann.“

Nicht nur das Wo und Wie, sondern auch, was Konsumentinnen und Konsumenten zukünftig kaufen, verändert sich. Für zunehmend mehr Menschen sind Herkunft und Produktionsart bei ihrer Kaufentscheidung von Bedeutung. „Da haben wir als Genossenschaften mit regionaler Produktion einen klaren Vorsprung. Diesen gilt es zu nutzen“, betonte Thomas Reiter. Südtirol dürfe die Trends nicht verschlafen, sondern müsse sich weiterentwickeln. Gerade im Bereich Verpackung tue sich viel. „Plastik zu reduzieren ist ein Thema, ein anderes ist, Plastik fachgerecht zu entsorgen und wieder in den Wirtschaftskreislauf zu integrieren.“

Kritisch wird der Fleischkonsum gesehen. „Klimaschutz ist ein zentrales Thema“, meinte Georg Lun. „Produkte mit einem starken ökologischen Fußabdruck werden sicher teurer werden. Deshalb wird es in Richtung weniger Fleisch gehen, aber dafür umso hochwertiger.“ In den Pur-Südtirol-Genussmärkten, ergänzte Wallnöfer, merke man eine stärkere Nachfrage nach veganen und vegetarischen Produkten. Für Südtirol braucht es aber ein Sowohl-Als-Auch: „Fleisch ja, aber hoch qualitativ, so wie wir es im Weinbereich bereits erreicht haben. Hohe Qualität, dafür weniger Menge und dadurch insgesamt nachhaltiger.“

Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler stimmte dem zu: „Alle Sektoren der Südtiroler Landwirtschaft wirtschaften nachhaltig, mit den neuen Nachhaltigkeitsstrategien soll das noch weiterentwickelt werden. Wir sind auf einem guten Weg, den müssen wir weitergehen.“

Wallnöfer wünscht sich für Südtirol noch mehr Vielfalt: Da könne man von der Schweiz lernen. „Südtirol hat noch viel Potential. Bäuerinnen und Bauern könnten wieder Innovationstreiber sein. Hier liegt unsere Chance!“

 

Von: bba

Bezirk: Bozen