Von: luk
Bozen – Obdachlosigkeit bleibt eine der drängendsten sozialen Herausforderungen unserer Zeit – auch in Südtirol. Bei der Vollversammlung vor wenigen Tagen hat der Verein Dormizil EO Bilanz gezogen: “Hinter dem Winterbetrieb liegen Monate intensiver Arbeit, mutiger Entscheidungen und leiser Fortschritte. Nun richtet sich der Blick in die Zukunft: mit klarem Fokus auf das derzeit im Umbau befindliche Haus in der Rittner Straße 25, auf nachhaltige Begleitung obdachloser Menschen und auf gesellschaftlichen Wandel. Drei neue Mitglieder stärken das Team, weitere sind herzlich willkommen.”
Räume, die tragen – das Projekt Rittner Straße 25
In der Rittner Straße 25 entsteht ein Projekt mit Modellcharakter: Acht Housing-First-Wohnungen für ehemals obdachlose Menschen, eine Übergangswohnung mit fünf Betten für Notfälle, sanitäre Einrichtungen im Tiefparterre und ein offener Veranstaltungsraum im Erdgeschoss. Maria Lobis, Vorstandsmitglied von Dormizil EO erklärt: „Hier geht es nicht um Notlösungen, sondern um neue Perspektiven.“ Bis zur geplanten Eröffnung des Hauses im September 2025 wird der Umbau in den kommenden Monaten abgeschlossen, werden die Konzepte der vier dort untergebrachten Projekte finalisiert, um den Einzug der ersten Bewohner und Bewohnerinnen im Oktober sorgfältig vorzubereiten. Parallel dazu begleitet der Verein Dormizil EO bereits jetzt sieben ehemals obdachlose Menschen, die in kleinen Wohnungen in verschiedenen Stadtteilen von Bozen in Miete leben und intensiv sozialpädagogisch begleitet und betreut werden. „Wir bauen unser Team in der Sozialarbeit aus und bringen gleichzeitig auch Verwaltung und Buchhaltung besser auf Schiene“, beschreibt Maria Lobis die heurigen Herausforderungen.
Der Winter – 181 Nächte, unzählige Geschichten
Vom 17. Oktober 2024 bis 13. April 2025 – 181 Nächte – war das Nachtquartier Dormizil in der Vintler Straße 9 geöffnet. Insgesamt wurden 38 Gäste aus 14 Herkunftsländern begleitet, davon sieben Frauen und 31 Männer. Der jüngste Gast stammte aus einem Südtiroler Seitental und war 23 Jahre alt, gut ein Drittel der Gäste waren italienische Staatsbürger, mehrheitlich in Südtirol aufgewachsen. „Die Stimmung war nicht immer einfach – aber wir mussten in all den Monaten nicht ein einziges Mal die Polizei rufen. Das spricht für das Vertrauen, das hier entstanden ist“, sagt Paul Tschigg, Vorstandsvorsitzender. Er hebt hervor, wie wichtig das soziale Umfeld ist, nicht nur in der Notunterkunft, sondern auch im Alltag der Gäste: „Viele kämpfen mit psychischer Belastung und Einsamkeit. Wir wollen ihnen nicht nur einen Schlafplatz geben, sondern Halt, Zugehörigkeit und langfristige Stabilität.“ Die Gäste waren durchwegs dankbar für ein warmes Bett im kalten Winter, für ein Frühstück, ein Gespräch auf Augenhöhe, Nächte in Sicherheit.
Gemeinschaft als Antwort und als Einladung
Borbert Pescosta, Vorstandsmitglied von Dormizil EO bedankt sich bei allen Freiwilligen, bei den Vereinsmitgliedern und Spendern für ihr unglaubliches Engagement. Rund 120 Ehrenamtliche leisteten im Winterbetrieb über 5.000 Stunden Freiwilligenarbeit, standen früh auf, um rechtzeitig zu den Frühstücksdiensten zu kommen, übernahmen Nachtschichten, reinigten Gemeinschaftsräume, begleiteten Menschen zu Ämtern, trugen die Visionen des Vereins mit. „Ohne diesen enormen Einsatz könnten wir unsere Arbeit nie leisten“, sagt Norbert Pescosta. Der Verein Dormizil EO versteht sich aber nicht nur als Nothelfer, sondern auch als gesellschaftliche Stimme. Mit Medienarbeit, Lesungen, Theaterabenden und kreativen Begegnungsformaten wird das Thema Obdachlosigkeit aus der Tabuzone geholt – verbunden mit dem Aufruf an Politik und Gesellschaft, strukturell gegenzusteuern.
Dass bei der Vollversammlung in der vergangenen Woche gleich drei neue Mitglieder – Petra Lemayr, Tanja Pichler und Anna Rastner – offiziell aufgenommen wurden, ist ein starkes Zeichen der Solidarität. Weitere Menschen, die sich einbringen wollen, sind herzlich willkommen. Der Verein Dormizil EO bleibt ein Ort, an dem Menschen nicht nur Hilfe finden, sondern auch Teil einer Gemeinschaft werden jenseits von Kälte, hin zu einem solidarischen Aufbruch.
Mitglieder des Vereins Dormizil EO (Stand Vollversammlung April 2024)
Paul Tschigg, Maria Lobis, Norbert Pescosta (Vorstandsmitglieder), Verena von Aufschnaiter, Sigrid Bracchetti, Christian Anderlan, Magdalena Amonn, Martina Schullian, Wolfgang Aumer, Erich Innerbichler, Ulli Lerchbaumer, Hans Peter Haselsteiner, Anna Rastner, Petra Lemayr, Tanja Pichler (Mitglieder)
“Spenden an den Verein Dormizil EO sind herzlich willkommen. Jede noch so kleine Spende unterstützt den Verein, Menschen von der Straße zu holen”, heißt es abschließend.
Aktuell sind 1 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen