Gesundheitsüberwachung von Covid-19-Patienten

App der Uni Bozen könnte Krankenhäuser entlasten – VIDEO

Montag, 09. November 2020 | 10:55 Uhr

Bozen – Eine Anwendung, die es Hausärzten ermöglicht, den Verlauf einer Covid-Infektion aus der Ferne zu überwachen: diese Schnittstelle hat Forscherin Daniela D’Auria (im Bild) programmiert. Sie arbeitet an der Smart Data Factory, die an der Fakultät für Informatik (Freie Universität Bozen/Südtirol) den Technologietransfer vorantreibt. Das System reCOVeryaID kann in der integrierten häuslichen Pflege ein alarmierendes Fortschreiten der Krankheit umgehend signalisieren. Nützlich ist die Anwendung, um eine Einweisung ins Krankenhaus auf Fälle absoluter Notwendigkeit zu beschränken und somit das Gesundheitssystem zu entlasten.

Während des Lockdowns im Frühjahr kam der Forscherin Daniela D’Auria in Gesprächen mit Medizinerinnen und Medizinern in ihrem Bekanntenkreis die Idee, ihre Kompetenzen zur Unterstützung des Gesundheitssystems einzusetzen. Wesentlich war dabei der Aspekt der begleitenden Beobachtung bei zunehmenden Infektionsfällen, damit dem Bettennotstand, von dem jetzt wieder die Rede ist, entgegengewirkt werden könnte. So entstand innerhalb weniger Wochen der erste Prototyp von “reCOVeryaID”. Die Anwendung, die von D’Auria in Zusammenarbeit mit dem Leiter der Smart Data Factory, Professor Diego Calvanese und in der Prototyping-Phase mit Forscher Andrea Janes erstellt wurde, ist ein IT-Tool, das es dem behandelnden Arzt ermöglicht, täglich ein aktuelles, klares und umfassendes klinisches Bild des Krankheitsverlaufs von Patient*innen zu erhalten und gleichzeitig, dank eines eingebauten Nachrichtendienstes, sofortige Rückmeldung zu geben. „Mit reCOVeryaID habe ich versucht, ein intelligentes System zu programmieren, das automatisch jene Informationen sammelt und verarbeitet, die auch das medizinische Fachpersonal jeden Tag einholt, wenn eine an Covid erkrankte Person ins Krankenhaus eingeliefert wird”, erläutert D’Auria. Hier das Video dazu.

Dabei geht es um die Messung einfacher Parameter wie Herzfrequenz, Körpertemperatur und Sauerstoffgehalt im Blut, allesamt Messungen, die die Menschen auch autonom zu Hause durchführen und über reCOVeryaID übermitteln können: Sie benötigen dazu nur ein Fieberthermometer, das die meisten bereits besitzen, und ein Pulsoxymeter, das den Sauerstoffgehalt im Blut messen und die Herzschläge aufzeichnen kann (Kostenpunkt für das Gerät: 20-30 Euro). reCOVeryaID kann auch von Personen genutzt werden, die sich noch keinem Covid-19-Test unterzogen haben, aber mit infizierten Personen in Kontakt gekommen sind und daher dem Risiko des Ausbruchs der Krankheit ausgesetzt sind.

Wie funktioniert reCOVeryaID?

Die Webanwendung sieht eine Registrierung von positiv auf Covid-19 getesteten Bürgerinnen und Bürgern in einer Datenbank der lokalen Gesundheitsbehörde vor. Eine Mobilanwendung von reCOVeryaID befindet sich in der Implementierungsphase. Positiv getestete Personen könnten somit zu Hause bleiben und dem Hausarzt über reCOVeryaID ihre Messdaten senden, sodass dieser sie kontinuierlich überwachen kann. Das System weist jeder Messung aufgrund eines speziellen Regelsatzes in der Datenbank eine Alarmstufe zu, von grün über orange bis rot. Rot empfiehlt eine sofortige Einweisung des Patienten ins Krankenhaus. Eine weitere Funktion misst den Trend in den aufgezeichneten Werten und schlägt bei einer besorgniserregenden Entwicklung Alarm. Weiters führt das System periodisch detailliertere statistische Analysen der Messungen durch. Diese werden in einer Datenbank gespeichert, in der die Identität aller Patienten, das Messintervall und das Ergebnis festgehalten werden. „So können weitere Warnmeldungen übermittelt werden, die sich nicht auf die aktuelle Situation, sondern auf ein größeres Zeitintervall beziehen”, so Daniela D’Auria. Teil der Notfallkommunikationen wird es sein, dass die Anwendung automatisch einen Krankenwagen zum Wohnort des Patienten ruft, sollte der Arzt den Bedarf bestätigen.

Zu den Vorteilen dieser Anwendung der Fakultät für Informatik gehören nicht nur die Entschärfung der Situation an den Krankenhäusern sowie die konstante Überwachung von Covid-19-Patienten, die noch nicht auf der Intensivstation behandelt werden, sondern auch der Schutz der Hausärzte selbst. Diese Berufsgruppe zahlte bekanntlich bei der ersten Erkrankungswelle einen sehr hohen Preis, da sie zu den am stärksten Betroffenen zählte. Mit reCOVeryaID können sie ihrer Rolle nachkommen, ohne einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt zu sein.

Testphase

D’Auria hofft, die Anwendung im italienischen Gesundheitssystem und darüber hinaus einsetzen zu können. „reCOVeryaID wird vorerst als eigenständige Anwendung genutzt, da sie mit einer systemeigenen Datenbank verbunden ist”, schließt sie. „In naher Zukunft könnte die Möglichkeit bestehen, dass reCOVeryaID auch mit den Datenbanken italienischer Sanitätsbetriebe interagiert.” Aber auch über eine Zeit nach Covid-19 denkt die Forscherin nach: „reCOVeryaID kann auf Bereiche wie beispielsweise die Überwachung von Patienten mit Diabetes oder Bluthochdruck übertragen werden“, schließt die Ingenieurin aus dem Biomedizin-Bereich.

Smart Data Factory und E-Health

Der Bereich E-Health oder „Vernetzte Gesundheit” ist einer der Forschungsschwerpunkte der Gruppe Smart Data Factory unter der Leitung von Prof. Diego Calvanese. Er ist Professor für Datenintegration an der Fakultät für Informatik und derzeit Wallenberg-Gastprofessor an der Universität Umeå in Schweden. „Im Bereich Medizin und Gesundheitswesen ist es extrem wichtig, Innovation voranzutreiben, um den Anschluss nicht zu verpassen, vor allem wenn es um den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) und digitaler Technologien geht“, bemerkt Calvanese. Dank KI können Prävention, Diagnose, Behandlung und Überwachung von Krankheiten sowie die Verwaltung der Gesundheit immer effektiver und effizienter gestaltet werden.

Allgemeinmediziner oder Fachärzte, die an einer Anwendung von reCOVeryaID interessiert sind, können Professor Diego Calvanese, Daniela D’Auria und die Forscher der Smart Data Factory kontaktieren: smart@unibz.it.

Von: mk

Bezirk: Bozen