Von: luk
Bozen – Fünf Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie zeigt die vierte COP-S-Erhebung („Corona und Psyche in Südtirol“), dass die psychischen Herausforderungen für Kinder und Jugendliche in Südtirol weiterhin hoch sind. Im März und April 2025 beteiligten sich über 2.500 Jugendliche sowie mehr als 9.000 Eltern anonym an der landesweiten Online-Umfrage, durchgeführt vom Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen.
Drei Hauptfaktoren beeinträchtigen laut Studie derzeit das psychische Wohlbefinden junger Menschen: die Wahrnehmung globaler Krisen, schulischer Druck und die intensive Nutzung digitaler Medien. Die Corona-Pandemie ist zwar nicht mehr das dominante Thema, belastet aber nach wie vor einen Teil der jungen Bevölkerung. Etwa 13 Prozent der Jugendlichen und fünf Prozent der Kinder gaben an, dass Corona im Alltag noch immer eine Rolle spielt. Bei den Eltern liegt dieser Wert sogar bei 34 Prozent.
Belastungen durch Krisen, Schule und Medien
Besonders stark belasten junge Menschen aktuell die anhaltende Teuerung, gefolgt vom Klimawandel, dem Ukraine-Krieg und der Corona-Pandemie. Gleichzeitig bleibt der schulische Druck hoch: 40 Prozent der Jugendlichen und über ein Drittel der Eltern berichten von starker Belastung durch Schule – bei den Sechs- bis Zehnjährigen betrifft dies bereits 18 Prozent. Kinder und Jugendliche, die schulisch stark unter Druck stehen, zeigen deutlich häufiger psychische Auffälligkeiten.
Ein weiteres zentrales Thema ist die Nutzung digitaler Medien. Fast 35 Prozent der Oberschüler und fünf Prozent der Mittelschüler schlafen weniger als acht Stunden pro Nacht. Übermäßiger Konsum wirkt sich negativ auf Schlaf, Essverhalten, Selbstbild und psychische Gesundheit aus. Der digitale Raum begünstigt laut Studienautoren auch unrealistische Schönheitsideale und erhöhten sozialen Vergleich.
Psychische Gesundheit: Fortschritte und konstante Herausforderungen
Die Studie zeigt insgesamt eine rückläufige Tendenz bei allgemeinen psychischen Belastungen und depressiven Symptomen. Hinweise auf Angststörungen (konstant bei rund 28 Prozent) und psychosomatische Beschwerden bleiben jedoch auf hohem Niveau. Besonders gefährdet sind Jugendliche aus belasteten Haushalten, mit Migrationshintergrund oder in Einelternfamilien.
Soziale Ängste, übermäßige Sorgen und Nervosität gehören zu den häufigsten Erscheinungsformen. Mädchen sowie Jugendliche aus stark belasteten Haushalten sind überdurchschnittlich betroffen.
Unterschiede zwischen Sprachgruppen und Gesundheitswissen
Jugendliche aus italienischsprachigen Schulen berichten häufiger von psychosomatischen Beschwerden, emotionalen Problemen und problematischer Internetnutzung. In deutschen Schulen treten dagegen häufiger Hinweise auf Hyperaktivität auf, während in ladinischen Schulen vor allem soziale Schwierigkeiten genannt wurden.
Die Studie beleuchtet auch das Gesundheitswissen junger Menschen: Dieses ist laut Studienleitung oft schwach ausgeprägt, besonders im Umgang mit Informationen aus digitalen Medien. Schulen und digitale Lernangebote könnten hier ansetzen, um Kompetenzen im Alltag gezielt zu fördern.
Forderung nach landesweiter Strategie
Aus den Ergebnissen ergibt sich laut Studienleitung ein klarer Handlungsbedarf. „Südtirol braucht eine umfassende Strategie zur Förderung psychischer Gesundheit und digitaler Resilienz bei Jugendlichen“, betont Prof. Christian Wiedermann, Forschungskoordinator am Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen. Prävention müsse im Schulalltag verankert, Jugendliche in jugendgerechter Sprache angesprochen und Eltern aktiv einbezogen werden.
Die vierte COP-S-Erhebung wird von der Studienleiterin Dr. Verena Barbieri wissenschaftlich begleitet. Ausgewertet wurden 7.818 Elternfragebögen und 2.554 Antworten von Jugendlichen im Alter von elf bis 19 Jahren. Die Daten gelten – mit leichten Einschränkungen – als repräsentativ für die Situation in Südtirol.
Aktuell sind 10 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen