„Das andere Südtirol“ aus Sicht der Caritas im Jahr 2023

Immer mehr Südtiroler in Not: Ein Fünftel kann nicht mehr mithalten

Dienstag, 26. März 2024 | 13:18 Uhr

Bozen – Noch nie stand Südtirol so gut da wie jetzt: Es gibt kaum Arbeitslosigkeit, der Tourismus boomt, der Großteil der Wirtschaft floriert. Doch nicht alle im Land profitieren davon, ganz im Gegenteil: „Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander“, sagt Caritas-Direktorin Beatrix Mairhofer. Gut ein Fünftel der Bevölkerung kann da nicht mehr mithalten. Das zeige die Bilanz, welche die Caritas über ihr Wirken im Jahr 2023 zieht, ganz deutlich.

„Weiter verschärft hat sich das Problem der Unterkunft. Allein in unseren Caritas-Einrichtungen haben wir 2023 rund 1.000 Menschen aufgenommen, das ist ein deutlicher Anstieg zum Jahr zuvor, als es knapp 900 Personen waren“, sagt Mairhofer. „Die Nachfrage nach einer Unterbringung bei uns war sogar um etwa 30 Prozent höher, aber mehr Platz haben wir leider nicht.“ Betroffen sind vor allem alleinstehende Männer, Familien mit Kindern und Alleinerziehende. Deutlich zugenommen hat auch die Zahl der Frauen, die ohne feste Bleibe sind: 170 insgesamt, was einem Anstieg von 17 Prozent zum Jahr davor ausmacht. „Und es sind immer mehr jüngere Menschen, die keine Unterkunft haben, aber auch ältere mit körperlichen Gebrechen, die in einer Pflegeeinrichtung besser aufgehoben wären. Generell fehlen gerade für die Menschen, die sich an uns wenden, Alternativen auf dem normalen Mietmarkt – wo aber sollen sie hin?“, fragt sich Mairhofer.

Zugenommen hat auch die Zahl jener Personen, die zwar ein Einkommen haben, mit diesem aber nicht auskommen. Um ihre Wohnung nicht zu verlieren, haben sich viele an die Caritas Schulden- und Sozialberatung gewandt. Dort wurden 212.000 Euro an Spendengeldern ausgegeben, um vor allem Miet-, Strom und Arztrechnungen zu begleichen sowie Lebensmittel einzukaufen. „Diese Entwicklung ist besorgniserregend, sie ist eine Gefahr für den sozialen Frieden und die Gesellschaft an sich. Wenn sich zusehends mehr Menschen mit ihrem Einkommen schwertun, bedeutet das auch, dass immer mehr Menschen in die Einsamkeit abdriften, ihre Sorgen mit abhängig machenden Substanzen betäuben, auf der Straße landen, Familien zerbrechen, die sozialen Spannungen zunehmen, sie nicht mehr auf ihre Gesundheit schauen und anderes mehr“, warnt Caritas-Direktorin Beatrix Mairhofer vor dieser Spaltung der Gesellschaft.

Die Folgen zeichneten sich schon jetzt in den Caritas-Diensten ab, die sich um das seelische Wohlbefinden der Menschen kümmern: Auch dort ist die Nachfrage im Jahr 2023 überall angestiegen. In der Männerberatung etwa wurde eine Rekordzahl an Klienten und Beratungsgesprächen verzeichnet. „Das kann natürlich auch als ein gutes Zeichen angesehen werden, denn es zeigt, dass sich Männer nun auch Hilfe und Unterstützung suchen, wenn sie in Lebenskrisen geraten“, sagt Mairhofer. Während es sich hier in der Mehrzahl um Männer rund um die Lebensmitte handelt, meldeten sich in den anderen Caritas-Diensten, die sich um die seelischen Nöte der Menschen kümmern, auffällig viele ältere Menschen. „Die vielen Krisen und Unsicherheiten dieser Zeit gehen bei vielen nicht spurlos vorbei. Bei vielen machen sich Angst und Sorge um die Zukunft breit“, sagt Mairhofer.

Stark gefragt war auch die Betreuung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Kindern mit Beeinträchtigungen. „Die Nachfrage gerade bei Letzteren war groß, unsere Kapazitäten begrenzt. In anderen unserer Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen haben wir genauso wie alle anderen den Personalmangel gespürt“, sagt Mairhofer. Viele Caritas-Dienste beklagten aber auch die schleppende Bürokratie; viele ihrer Betreuten, besonders die mit Migrationshintergrund, müssten oft extrem lange Wartezeiten hinnehmen (z.B. für die Erneuerung der Aufenthaltsgenehmigung oder die Eintragung des Wohnsitzes); auch seien viele bei bürokratischen Angelegenheiten überfordert, was die Mitarbeitenden viel Mühen und Zeit koste.

Als große Stütze wertet die Caritas deshalb die noch immer hohe Zahl an freiwilligen Helfern, ohne die sie viele Dienste und Unterstützungsmaßnahmen nicht verrichten könnte. „Knapp 1.200 Frauen und Männer haben wieder das ganze Jahr über mit angepackt und ihre Hilfe angeboten. Ihnen gilt unser ganz großer Dank“, sagt Mairhofer. Dankbar zeigt sich die Caritas-Direktorin aber auch gegenüber der Großzügigkeit der Südtiroler Bevölkerung: über 8.200 Spenderinnen und Spender haben die Arbeit der Caritas unterstützt: 850.000 Euro wurden für Not in Südtirol gespendet und über 2,4 Millionen Euro für Hilfsprojekte außerhalb des Landes. Bei Letzteren gingen allein für die großen Erdbeben in der Türkei/Syrien und in Marokko insgesamt 970.000 Euro ein, 860.000 für die Hungerhilfe in Afrika, 170.000 Euro für die Ukraine-Hilfe und 70.000 Euro für die Hilfe bei der Überschwemmungskatastrophe in der Emilia Romagna.

„Das andere Südtirol 2023“ der Caritas in Zahlen:

– 1.000 Frauen, Männer und auch Kinder beherbergt
– 235 Gäste in den 4 Aufnahmezentren für Geflüchtete und Asylsuchende
– 1.821 Hilfesuchende bei Schulden- und Sozialberatung
– 1.200 Freiwillige
– 366 Männer bei Männerberatung
– 577 Personen mit psychischen Erkrankungen sowie Suchtproblemen begleitet
– 11.043 Gespräche bei der Telefonseelsorge
– 63.300 warme Mahlzeiten in Essensausgaben in Bozen und Brixen verteilt
– 7.269 Gäste in den Ferienanlagen in Caorle und Cesenatico
– 3,29 Millionen Euro Spenden

Von: mk

Bezirk: Bozen

Kommentare

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34 Kommentare auf "Immer mehr Südtiroler in Not: Ein Fünftel kann nicht mehr mithalten"


Sortiert nach:   neuste | älteste | Relevanz
monia
monia
Superredner
1 Monat 19 h

Würde vielen mal empfehlen statt nur noch 4 Tage in Zukunft wieder mal 6 Tage zu arbeiten! Dann kann man auch wieder locker mithalten! 😉

P.S. und wenn ich lese, dass die “Politik” dafür verantwortlich sein soll dann müssen wir wohl noch viel mehr in Bildung investieren damit auch der Letzte die einfachsten, wirtschaftlichen Zusammenhänge erkennen kann!

eddi
eddi
Neuling
1 Monat 17 h

Viele Leit kregen netamol Überstunden bezohlt wia solln sie nor a mear Orbeiten?
2ten Job rentiert sich a oft net wenn man nor olles wieder an Stuiern ogeben muas

mmhm_sel_schu
mmhm_sel_schu
Tratscher
1 Monat 16 h

Endlich mal ein Kommentar der stimmt. Mit worklifebalance wird halt kein Geld verdient. Früher wurde auch mehr gearbeitet um mehr zu verdienen, das sollte gefördert werden. Dann bleiben die auf der Strecke die lieber wenig tun und die anderen bauen sich was auf.

EviB
EviB
Universalgelehrter
1 Monat 16 h

monia
👍🏼👍🏼genauso ist es. Bravo.

EviB
EviB
Universalgelehrter
1 Monat 16 h

@eddi
lies was monia geschrieben hat. Um vollzeit arbeiten, nicht um Überstunden geht es.

spotz
spotz
Tratscher
1 Monat 16 h

dann kann man arbeitsplatz wechseln , sind 1000 de frei

RealistischerIdealist
30 Tage 23 h

@monia wenn die politik die gehälter von gesundheitspersonal u landespersonal nicht anpasst, dann glaub mir, ist die politik schuld! U man kann auch nur 4 tage arbeiten u trotzdem 12h schichten machen, aber du scheinst ja alles besser zu wissen u lieber 80h zu arbeiten um hier leben zu können u deine pension gar nicht mehr erleben zu dürfen… bravo

Aurelius
Aurelius
Kinig
1 Monat 18 h

es gibt sicher arme Menschen, auch in Südtirol. aber Mann muss auch sagen , daß wir mittlerweile einen Wohlstand haben, der nicht mehr tragbar ist und dazu will man nie noch eine 4 Tage Woche haben….

sophie
sophie
Kinig
1 Monat 18 h

@Aurelius
Glaube NICHT,
dass alle jetzt eine 4 Tage Woche wollen…

spotz
spotz
Tratscher
1 Monat 16 h

hauptsache sie haben ein smartphone

N. G.
N. G.
Kinig
1 Monat 15 h

@sophie UND, sie hätte nur Vorteile aber anscheind erkennen den Einige nicht. Das sind dann die die sie selbst gerne hätten aber nicht bekommen.
Interessant dabei ist, wo werden 4 Tage gearbeitet? Das ist immer noch die grosse Ausnahme!

Staenkerer
1 Monat 14 h

sicher gibs minimalverdiener und bettelrentner de kaum über de runden kemmen, ober i glab a das einige ihren standart von vor der teuerung nit zruggfohrn welln!
trotz teuerung muaß man mitn urlaub, groaß essn gien, neueste mode und olles vom feinsten weitermochn, denn der nochbor kann jo moanen es glog nimmer …

Staenkerer
1 Monat 14 h

@sophie de jungen schun, ba de glab i herrscht de devise ….mit sehr wienig orbeitn, sehr viel verdien, sunscht fong i hor nit un!

Sag mal
Sag mal
Kinig
1 Monat 1 h

@Staenkerer das mithalten wollen ist den Meisten wichtig.Was interessiert mich was der nebenan hatt oder denkt.Das scheint drinnen in Vielen Menschen..Da helfe nur Armut für Jeden und das wirds nicht geben..

RealistischerIdealist
30 Tage 23 h

@Aurelius ganz genau, einen wohlstand der von zurückgebliebenen gehältern erkauft wurde… inflationsanpassungen von gehältern kann das land schon nicht stemmen, u da reden wir mittlerweile von jahrzehntelangen verhandlungen – lächerlich sag ich da nur!

So ist das
1 Monat 19 h

Es wird immer schlimmer und die Politik schaut weg 🤔

horst777
horst777
Tratscher
1 Monat 1 h
Die Politik ist leider auch nur eine Marionettte von einigen Wenigen. Das was wir hier und auch weltweit erleben sind die unmittelbaren Auswirkungen einer auf dem Kapitalismus basierenden Volkswirtschaft. Denn wenn aus Kapital noch mehr Geld gemacht werden kann ohne dass ich dafür groß etwas tun muss wird dafür immer jemand anderes aufkommen müssen. Das sind die Ökosysteme der Natur die jetzt fast am kollabieren sind und die Gesellschaft weil die Eigentumsverhältnisse nicht mehr stimmen. 5 % besitzen mehr als die Hälfte. Das Spiel Reich zu werden nähret sich langsam dem Ende weil nichts mehr zu holen ist. Es ist… Weiterlesen »
Opa1950
Opa1950
Superredner
1 Monat 19 h

Es wird von Tag zu Tag immer schlimm er.Aber wen wunderts bei dieser Landesregierung.Denn diese Damen und Herren schauen nur auf ihr eigenes Wohl und auf ihren Geldbeutel.

Der Wahrhaftige
Der Wahrhaftige
Tratscher
1 Monat 18 h

Unsere Landesregierung macht ja auch nichts. Denen ist ja das Genderthema viel wichtiger!!! 

Homelander
Homelander
Universalgelehrter
1 Monat 19 h

hot la die Politik zi verantworten… und denen ist es auch egal, sie leben ja in saus und braus… zi sporn war scheinz,hota a mo gsog und es gäbe ein Licht am Ende des Tunnels..😅

Privatmeinung
Privatmeinung
Universalgelehrter
1 Monat 18 h
Schlaraffenland Südtirol, und immer alles schönreden. Dass die normalen Gehälter in keinem Fall mit der richtigen Inflation mithalten, weiss jeder und bekommt das am eigenen Geldbeutel zu spüren.  Dass uns der Tourismus viel Geld ins Land bringt, stimmt sicher. Aber dass dies auch zu einer zusätzlichen Teuerungsrate führt ist auch klar. Das Lebenshaltungskosten sind schon viel höher als im restlichen Italien. Bei den Preisen der Wohnungen braucht man nur 100/200km südlicher fahren, da ist eine andere Welt.  Hier läuft von oben her etwas ziehmlich schief.  Ich sehe und höre keine Zukunftsperspektive unserer Politiker… alles nur Tropfen auf den heißen Stein.… Weiterlesen »
Sag mal
Sag mal
Kinig
1 Monat 1 h

Privatmeinung Wenns die Leute verstanden hätten könnten Wir s schon lange anders haben.Aber diese Parteien werden schlecht gemacht….also weiter wie gehabt.

freindlich_bleiben
1 Monat 55 Min

Gib dir in viele Punkte recht. Geholt und Lebensstandart stimmen nimmer zomm. Für mi isch es holt schwierig wenn i iatz glai in dr Firma nor wieder hear wer olls wianiger orbatn will odr schun lai mear 70% orbatet und erzeihlt wou er s’Oasterwochenende wieder hinfohrt … stimmp eppas a nit gonz

RealistischerIdealist
30 Tage 23 h

@freindlich_bleiben hängt dann auch mit der gesamtsituation zusammen: wohnung/haus vererbt bekommen? Arbeiten beide 70%? Welche stelle haben sie im unternehmen? Wann wirde der urlaub gebucht? Wenn jemand haus oder wohnung bereits besitzt u abbezahlt hat kann man mit einem gehalt um die 2000€ überaus gut leben, ohne, na dann wirds schon schwierig

stevie
stevie
Grünschnabel
1 Monat 19 h

Nein, das hat nicht nur die Politik zu veranworten. Da kann auch der oder die Einzelne etwas tun, indem man hinhört, hinschaut und mithilft. Und ausbricht aus diesem Kreislauf “mehr, mehr, mehr… für mich”. Tut der Umwelt nicht gut und uns als Gesellschaft auch nicht…

sophie
sophie
Kinig
1 Monat 18 h

Wirtschaft und Gastgewerbe boomt wie noch nie,
aber sicher nicht für deren Angestellte, somit wäre auch schon geantwortet auf die Überschrift,
denn immer mehr Angestellte müssen sich helfen lassen, aber nicht alle sind bereit die eigene NOT an die grosse Glocke zu hängen…..

Bissgure
Bissgure
Superredner
1 Monat 19 h

für kindo mit Beeinträchtigung wert ibohaup zi wianig gitun . brauchn oft medikamente odo arztvisitn de man selbo zouln muss . A do wert weg gschaug ! Die Politiker sein söfl mit sich selbo beschäftigt 🙁

Aurelius
Aurelius
Kinig
1 Monat 13 h

das stimmt das gehört viel mehr gefördert

diskret
diskret
Universalgelehrter
1 Monat 17 h

Sobald sie gewält sind sind die wie die Tauben dann scheissen sie dir übern Kopf

Sag mal
Sag mal
Kinig
1 Monat 1 h

diskret wenn man die Falschen wählt …

Zussra
Zussra
Superredner
1 Monat 13 h

Wenn man Urlaub, Skipässe, flottes Auto und einiges mehr, af Pump erwerben muß, um jo net letza dozistien, wie do bessavodienende Nachbar, noa kimp man jo angalign nimma übo die Runden! ☝️

Plodoror
Plodoror
Neuling
1 Monat 14 h
Die Politik trg do a groase Verantwortung, und trotzdem find i, dass die Südtiroler Bevölkerung do gonz viel dorzua beitrog. Wer wählt denn seit eh und je dieselbe Partei? Die Wirtschaft isch eigentlich lei auf Tourismus ausgelegt, Industrie ober ah allgemein a breit aufgestelltes Wirtschaftskonzept isch gefühlt kaum vorhanden. Beispiel Alpitronic, jetzt hobmor amol wirklich ah HighTech Unternehmen ba ins (mir follt ehrlich gsog grod koan ondores ein) und de brauchatn an greasorn Standort. Wos tuat die Bevölkerung wenn se bauen welln? Ah gerne, ober net vor meiner Haustür. Bis so ah Unternehmen inagaling wirklich abwandert… Dieselben Leit klogn nor… Weiterlesen »
Anderrrr
Anderrrr
Universalgelehrter
1 Monat 13 h

Wem wunderts ba de lebenskosten und mieten und de löhne…

l OneManArmy l
l OneManArmy l
Universalgelehrter
30 Tage 23 h

1/3 der Spenden geht in Länder, welche unsere Lebensweise verachten, wo die politischen Führer gegen uns hetzen.
Für mich unverständlich, diese zu unterstützen, während in unserem Land viele am Existenzminimum leben.

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