Von: luk
Bozen – “Unabhängige Wissenschaftler zeigen Mängel in der Methodik der Pestizid-Monitorings der Südtiroler Umweltmedizin auf.” Zu dieser Erkenntnis gelangt die Umweltschutzgruppe Vinschgau, die die unabhängige Umweltwissenschaftlerin Caroline Linhart beauftragt hatte, die Daten zu den Pestizid-Rückständen auf Spielplätzen von 2020 mit jenen von 2018/2019 zu vergleichen.
Auch wenn es, wie Landesrat Arnold Schuler im Oktober 2020 mitgeteilt hatte, stimme, dass im Vorjahr 33 verschiedene Wirkstoffe und im Jahr 2020 nur zehn nachgewiesen wurden, so sei der Vergleich nicht konsistent und bilde den tatsächlichen Rückgang der Belastung nicht korrekt ab. „Denn von den 37 beprobten Spielplätzen im Jahr 2020 stimmen nur 45 Prozent mit den Probeorten aus 2018/2019 überein“, erläutert die Umweltepidemiologin Linhart.
Diese Informationen waren Inhalt des Webinars vom 16. April 2021, welches die Vinschger Umweltschutzgruppe in Kooperation mit acht Umweltorganisationen und der Unterstützung der Urania Meran realisiert hatte. Unter dem Titel „Pestizid-Monitoring in Südtirol – Hinweise für eine chronische Belastung?“ wurden verschiedene Aspekte des Spielplatz-Monitorings des Südtiroler Sanitätsdienstes unter die Lupe genommen.
Dass die Risiken und Auswirkungen durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln für Mensch und Umwelt verringert werden müssen, sei spätestens seit dem In-kraft-Treten der EU-Richtlinie zur nachhaltigen und sicheren Anwendung von Pflanzenschutzmitteln aus dem Jahre 2009 bekannt. “Italien hat diese Richtlinie 2012 mit dem Nationalen Aktionsplan (NAP) umgesetzt. Ein Ziel des NAP ist es, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Agrarflächen, in deren Nähe sich sensible Personengruppen (Kinder, schwangere Frauen, ältere Menschen…) häufig aufhalten, zu verringern. In Südtirol werden erst seit 2018 vom Sanitätsbetrieb die Pestizid-Rückstände auf öffentlichen Spielplätzen untersucht”, heißt es in einer Aussendung.
Die Forscherin C. Linhart stellte unter anderem fest, dass die Methodik nicht konsistent ist: “Anzahl und Auswahl der Spielplätze unterscheiden sich in den beiden Jahren, ebenso die Probenahme. Letztlich sei auch eine Auswertung der Daten, die sich nicht auf die untersuchten Spielplätze, sondern nur auf die Wirkstoffe bezieht, irreführend,“ gibt die Umweltepidemiologin Linhart zu bedenken. “Beim Vergleich fiel auf, dass die Captan-Belastung auf dem Spielplatz Tartsch (Mals) im Sommer 2020 um ein Acht-faches höher war als im Sommer 2019.”
Ziel von Linharts Analyse war es Verbesserungsvorschläge für ein einheitliches und vergleichbares Monitoring von Spielplätzen in Südtirol vorzustellen. „Die Anzahl der untersuchten Spielplätze sollte auf Basis einer Fallzahlanalyse erhöht werden und die Probenahme vorwiegend im Frühling und Sommer erfolgen,“ so lauteten die zwei zentralen Empfehlungen der Wissenschaftlerin. Wichtig für ein evidenzbasiertes Monitoring sei es im weiteren, die Witterungsverhältnisse zu berücksichtigen und die Zeiträume von der Ankunft der Proben im Labor zur Analyse sehr kurz zu halten.
Der Toxikologe Peter Clausing (Deutschland) widerlegte durch Verweise auf die EU-Datenbank die Aussage im Monitoringbericht 2020, wonach krebserregende, erbgutschädigende, die Fortpflanzung-schädigende und Hormon-schädigende Wirkstoffe nicht im Umlauf seien.
Lino Wegher, (Bozen), Verantwortlicher der Monitorings, gab sich hingegen weiterhin von der Korrektheit seiner Aussage im Monitoringbericht und seines Forschungsdesigns überzeugt.
Die Leiterin des Krebszentrum Ramazzini, Fiorella Belpoggi (Bologna) ging auf neueste Studien ein, wonach auch Mengen unter den Grenzwerten gefährliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben können.
Katia De Gennaro moderierte im Anschluss daran die kurze, spannende Diskussion.
Die Umweltschutzgruppe Vinschgau appelliert an die Verantwortlichen die Verbesserungsvorschläge für künftige Monitorings aufzunehmen und das Forschungsdesign an wissenschaftlichen Standards auszurichten.