"Mit Zuversicht in die Zukunft"

KVW: Senioren fühlen sich von technischer Entwicklung überrumpelt

Samstag, 06. November 2021 | 17:07 Uhr

Bozen – Die KVW-Senioren warnen davor, dass ältere Menschen durch die rasante technische Entwicklung ausgeschlossen werden. “Spid, grüner Pass, digitale Fahrpläne und TV-Programmumstellung schaffen Probleme.” Professor Walter Lorenz erklärte an vier Punkten, wie die Erfahrungen der Pandemie Anstoß für eine neue Gestaltung des Lebens sein können.

Zur KVW Seniorentagung werden die Vertreterinnen und Vertreter der Seniorenklubs im ganzen Land eingeladen. Heuer konnte die Vorsitzende der KVW Senioren, Maria Kusstatscher, wieder zahlreiche SeniorenklubleiterInnen und MitarbeiterInnen in Bozen begrüßen. Unter den Ehrengästen war Landesrätin Waltraud Deeg, Otto von Dellemann, Vorsitzender des Seniorenbunds, Margareth Fink vom KVW Vorstand und der geistliche Assistent im KVW, Karl Brunner.

Maria Kusstatscher machte einen Rückblick auf das vergangene Jahr: Auch in der Arbeit der KVW Senioren wurde Vieles auf online umgestellt. So wurden die Bezirkstagungen online durchgeführt und es gab Treffen mit Landeshauptmann Kompatscher, Landesrätin Deeg oder Primar Conca, die als Videokonferenz abgehalten wurden. Kusstatscher hob als positiv hervor, dass Gottesdienste über die Pfarrsender oder das Radio mitgefeiert werden können, es gab Anregungen zum Mitturnen auf Radio Grüne Welle oder in der Mediathek von Rai Südtirol können viele Sendungen nachgehört oder nachgesehen werden. „Die Tätigkeit der Seniorenklubs ruhte in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht vollständig. Wo es möglich war, wurde telefonisch oder an der Haustür zum Geburtstag gratuliert und Alleinstehenden wurde Hilfe bei Botengängen, beim Einkaufen oder anderen Erledigungen angeboten“, berichtete Maria Kusstatscher. Mittlerweile könne wieder einiges an Aktivitäten stattfinden. Wanderungen, Fahrten, Feiern im Freien oder Vorträge in der Kirche wurden als Ideen genannt. Es brauche etwas Kreativität, aber möglich sei einiges.

Ältere Menschen tun sich schwer mit der technischen Entwicklung

Eine Forderung richtete Vorsitzende Kusstatscher an die Gesellschaft und die Politik: “Altere Menschen dürften durch die rasante, technische Entwicklung nicht ausgeschlossen werden. Wenn Fahrpläne nicht mehr gedruckt werden oder es Internet brauche, um den Spid oder grünen Pass zu erhalten, dann fühlten sich Senioren oft hilflos und ausgegrenzt“, warnte Kusstatscher. Auch bei der jüngsten Umstellung der Fernsehprogramme seien viele ältere Menschen auf Hilfe angewiesen. „Es geht auch um Entscheidungen, ob es ein neues Gerät brauche oder ob ein Decoder reiche“, sagte Kusstatscher. Für viele Senioren gehe diese Entwicklung zu schnell, sie fühlen sich überrumpelt und ausgegrenzt.

Aus der Krise positive Impulse mitnehmen

Als Gastreferent wurde Professor Walter Lorenz zugeschaltet. Er sprach zu „Aus der Krise lernen, mit Zuversicht in die Zukunft“. Lorenz gelang es – ohne die Pandemie zu verharmlosen – positive Impulse, die die Krise mit sich bringe, hervorzuheben. „Wir müssen unser Leben neu denken, neu gestalten“, so Professor Lorenz, „dies ist eine Chance und keine Bedrohung“.

Dadurch, dass menschliche Werte nicht mehr gelebt werden durften, sei uns erst ihre Bedeutung und Wichtigkeit bewusst geworden. An den vier Punkten persönliche Nähe, Gemeinschaft, Gewissheit und individuelle Freiheit zeigte Walter Lorenz auf, wie die Erfahrungen der vergangenen Monate auch Anstoß dafür sein können, diese Werte neu zu entdecken und zu gestalten. Das Gebot der Distanzierung habe tief in unser Leben eingegriffen. Und oft war es auch unmenschlich, zum Beispiel wenn es kein Abschiednehmen von Sterbenden geben durfte oder Treffen in Altersheimen nicht möglich waren. „Der Wert der körperlichen Nähe wurde uns so bewusst“, sagte Lorenz. Es wurden aber auch die Schattenseiten deutlicher, wenn es zu häuslicher Gewalt kam, wenn Frauen Zuflucht im Frauenhaus suchten, wenn es Übergriffe am Arbeitsplatz gab.

Walter Lorenz sieht eine Chance darin, dass Menschen nach der Pandemie bewusster werde, wann sie Nähe wünschen und wann Distanz nicht eingehalten werde. Dies gelte für die Familie ebenso wie für den Arbeitsplatz.

Die Pandemie habe den Glauben an die absolute Gewissheit fundamental erschüttert, so Lorenz. Das Vertrauen in Wissenschaftler und Politiker ist zersetzt worden. Die Hoffnung liegt für Lorenz darin, dass „uns bewusst wird, dass es keine absolute Gewissheit geben kann“. Vielleicht lernen wir skeptisch zu sein gegen alles, was Gewissheit verspricht und dadurch Dogmen und Ideologien zu hinterfragen.

Ein Sketch des Seniorentheaters „Orangenduft“ sorgte für Abwechslung, die Angebote der BewegungsleiterInnen, TanzleiterInnen und der Senioren-Online-BegleiterInnen wurden vorgestellt, und es wurde erklärt, was mittlerweile wieder möglich ist.

Von: luk

Bezirk: Bozen