Von: apa
Wegen Mordes ist am Dienstag am Wiener Landesgericht gegen eine 30-Jährige verhandelt worden, die laut Anklage ihre Tochter sieben Tage nach der Geburt in der Klinik Favoriten vorsätzlich getötet hat. Die Angeklagte gab zu, am 21. November 2024 mit ihrer kleinen Tochter das Spital verlassen zu haben, indem sie das Baby in eine Tagesdecke, ein Einkaufssackerl aus Papier und in einen Müllsack wickelte und außerhalb der Klinik brutal gegen den Asphalt schlug.
“Ich war nicht ich. Das war ein Teufel in mir”, sagte die Angeklagte. Und weiter: “Ich weiß, ich bin ein Monster.” Sie habe sich “in einem Tunnelblick” befunden: “Ich habe nicht gewusst, wohin mit ihr.” Ursprünglich habe sie vorgehabt, ihre Tochter außerhalb der Klinik abzulegen bzw. abzustellen. Draußen habe der Säugling dann aber zu schreien begonnen: “Ich hab’ mir nur gedacht, sie muss leise sein, sie darf nicht weinen.” Daher habe sie “versucht, sie zu erwürgen, habe es aber nicht geschafft”. Daraufhin erschlug sie das Kind. “Dann war sie leise. Dann wurde mir bewusst, was ich gemacht habe.”
Hatte Schwangerschaft erst im Juli bemerkt
Zum Motiv führte die Frau, die türkische Wurzeln hat, aber in Österreich geboren wurde und auch österreichische Staatsbürgerin ist, familiäre Probleme ins Treffen. Erst im Juli hatte sie ihre Schwangerschaft bemerkt. Zu diesem Zeitpunkt sei das Verhältnis ihrer Eltern zu ihrem Partner, dem Vater des werdenden Kindes, zerrüttet gewesen, behauptete sie. Aus Angst, von ihren Eltern verstoßen zu werden, aber auch, weil sie sich ein gemeinsames Leben mit “dem Kindesvater”, wie sie ihren Lebensgefährten durchgehend vor Gericht bezeichnete, nicht vorstellen konnte, dachte sie einen Schwangerschaftsabbruch an, der aber aufgrund des Stadiums der Schwangerschaft rechtlich nicht mehr möglich war. “Die Abtreibung ging leider nicht, weil ich schon in der 19. Woche war”, schilderte die Angeklagte.
Sie habe in weiterer Folge ihre Schwangerschaft “verdrängt”, betonte sie vor dem Schwurgericht. Außer “dem Kindesvater” habe niemand davon gewusst: “Ich habe nicht ein Mal einen Bauch gehabt. Sie (gemeint: ihre Tochter, Anm.) hat sich wirklich gut versteckt in mir.”
Als Geburtstermin war von ärztlicher Seite – den Angaben der Angeklagten zufolge war sie im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft nur ein Mal beim Arzt – Mitte Dezember errechnet worden. Am 14. November setzten bei der 30-Jährigen allerdings die Wehen ein. Noch am selben Tag brachte sie im Beisein des Vaters der Kleinen in der Klinik Favoriten ein gesundes Mädchen zur Welt. Das Frühchen wurde zur Überwachung auf die Neonatologie gebracht und entwickelte sich dort gut. Während sich der Vater über seine Tochter freute, reagierte die Familie der Mutter angeblich alles andere als positiv.
Nach Tötung gab sich Angeklagte zunächst ahnungslos
Als die Mutter am 21. November aus dem Spital entlassen werden sollte, habe die Frau “Panik” bekommen, führte die Staatsanwältin aus. Nachdem sie das Baby getötet hatte, hätte sich die Frau dem Klinikpersonal gegenüber zunächst ahnungslos gegeben und eine Entführung des Kindes vorgetäuscht, was eine groß angelegte Suchaktion der Polizei zur Folge hatte. Am darauf folgenden Tag wurde dann die Baby-Leiche in einem Abfallcontainer entdeckt, in den die 30-Jährige den toten Körper gegeben hatte.
Wie die Obduktion ergab, hatte das Mädchen ein massives Schädelhirntrauma sowie mehrfache Knochenbrüche erlitten. Die Tötung sei nicht geplant gewesen, betonte Verteidigerin Astrid Wagner: “Sie hat das Kind geliebt. Sie wollte es nicht hergeben.” Man dürfe sich von der Verhandlung bzw. der Angeklagten “keine rationalen, vernünftigen Erklärungen erwarten”, sagte Wagner unter Verweis auf “entfesselte Gefühlsdämonen”.
Angeklagte voll zurechnungsfähig
Laut dem psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann war die Angeklagte voll zurechnungsfähig. Ihr war dem Gutachter zufolge zum Tatzeitpunkt bewusst, dass ihre Handlungen Unrecht waren. Es gebe keinen Hinweis, dass die Frau infolge der hormonellen Auswirkungen des Geburtstagvorgangs “psychotisch entgleist” sei, betonte Hofmann.
Als Zeuge vernommen wurde der Vater des getöteten Babys, der der Darstellung der Angeklagten in einigen wesentlichen Punkten widersprach und dabei vor Gericht sehr sachlich und emotional gefasst auftrat. Er behauptete, seine Eltern hätten sich mit seiner Partnerin gut verstanden. Seine Eltern hätten sich auf ihre Enkeltochter gefreut und bei sich zu Hause ein Kinderzimmer eingerichtet. Auch ein Bett für seine kleine Tochter sei bereits angeschafft worden.
Der Zeuge betonte, er sei bei der Geburt im Spital anwesend gewesen und habe danach Mutter und Kind täglich für mehrere Stunden im Krankenhaus besucht. Am Tag der inkriminierten Tat habe er die beiden abholen und nach Hause bringen wollen.
Angeklagte: “Bin gestorben mir ihr”
“Das Kind wollte sie von Anfang an nicht”, verwies die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag auf das Ergebnis einer Handyauswertung, derzufolge die Angeklagte Ende Oktober nach Suchbegriffen wie “Selbstabtreibung” , “Serbien Abtreibung Kosten” oder “Kindesentführung” gegoogelt hatte. Die 30-Jährige sei “geplant und gezielt vorgegangen” und habe ihre Tochter loswerden wollen, obwohl die Eltern ihres Partners ihr und dem Kind eine Wohnmöglichkeit eingeräumt und ein Kinderzimmer eingerichtet hätten.
“Es tut mir wirklich sehr leid, was passiert ist. Wenn ich die Zeit zurück drehen könnte, würde ich alles anders machen und sie würde am Leben sein”, sagte die Angeklagte in ihrem Schlusswort, ehe sie zu schluchzen begann. “Ich bin gestorben mit ihr”, weinte sie, “ich werde sofort nur mehr für sie weiter leben.”
Um 13.30 Uhr waren die Beratungen der Geschworenen im Gang. Sollte die Angeklagte wegen Mordes verurteilt werden, drohen ihr zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.
Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen