Von: mk
Bozen – Was passiert mit der Bakteriengemeinschaft in unserem Mund, wenn wir rauchen? Und welche Wirkung hat es auf das orale Mikrobiom, wenn wir das Rauchen aufgeben? Um diese Fragen zu beantworten, hat ein Forschungsteam von Eurac Research und der Universität Michigan Speichelproben von mehr als 1600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der CHRIS-Bevölkerungsstudie analysiert – die Studie ist damit eine der weltweit größten zum Speichelmikrobiom. Sie zeigt: Wer raucht, trägt eine deutlich andere Mikrobengemeinschaft im Mund als Menschen, die nie geraucht haben. Mit zunehmendem Zigarettenkonsum verringert sich die Zahl der Bakterien, die Sauerstoff brauchen. Und wer aufhört, ist erst fünf Jahre später nicht mehr von jemandem zu unterscheiden, der nie zu rauchen begonnen hat. Die Studie ist in der Zeitschrift „Scientific Reports“ erschienen.
Die Teilnehmenden wurden in Gruppen eingeteilt, je nachdem, ob sie aktuell rauchten, zu rauchen aufgehört, oder nie geraucht hatten. Wer aufgehört hatte, wurde nach dem Zeitpunkt der letzten Zigarette gefragt, wer noch rauchte, nach der Zahl der täglichen Zigaretten. Um ein Bild der Mikrobengemeinschaft in jedem Mund zu erhalten – welche Arten mit welcher Häufigkeit vertreten waren – verwendete das Forschungsteam eine universell eingesetzte Technologie zur Identifikation von Bakterien, die Sequenzanalyse des 16S-rRNA-Gens (dieses Gen stellt so etwas wie eine „Identitätskarte“ der verschiedenen Arten dar).
Die Analyse, die das Forschungsteam in Bozen gemeinsam mit der Epidemiologin Betsy Foxman von der Universität Michigan durchführte, ergab ein klares Bild. Der Zigarettenkonsum wirkt sich vor allem auf jene Bakterien aus, die Sauerstoff brauchen: Ihre Zahl nimmt kontinuierlich ab, je mehr Zigaretten man täglich raucht; lässt man das Rauchen sein, nehmen diese aeroben Bakterien nach und nach wieder zu – je länger die rauchfreie Zeit, desto mehr von ihnen finden sich wieder im Speichel. Erst fünf Jahre nach der letzten Zigarette sind ehemalige Raucherinnen und Raucher an ihrem Mundmikrobiom nicht mehr von Menschen zu unterscheiden, die nie geraucht haben. „Die Effekte des Rauchens, die wir beobachtet haben, bleiben also über Jahre bestehen“, erklärt der Bioinformatiker Christian Fuchsberger von Eurac Research. „Da ist dann natürlich die Frage interessant, ob das in Zusammenhang mit bestimmten Krankheiten steht.“
Einen Hinweis gibt die Studie dazu. Raucher haben bekannterweise ein erhöhtes Risiko sowohl für Parodontitis als auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine Funktion der in unserem Mund lebenden Bakterien, hauptsächlich der aeroben, ist es, das Nitrat, das wir mit dem Essen aufnehmen, in Nitrit zu verwandeln, aus dem dann Stickstoffmonoxid wird – ein Stoff, der unter anderem für die Regulierung des Blutdrucks wichtig ist. Ist zu wenig Stickstoffmonoxid verfügbar, könnte dies zu schlecht durchblutetem Zahnfleisch und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen.
Die Untersuchung der CHRIS-Proben hat nun zwar nicht das Stickstoffmonoxid im Speichel gemessen, sondern die Mikroben darin untersucht, wie der Biotechnologe Giacomo Antonello unterstreicht, Hauptautor der Studie. Mit Sicherheit könne man deshalb nur sagen: Je mehr die Probanden rauchten, desto weniger nitrat-reduzierende Bakterien lebten in ihrem Mund. Dass dies eine zusätzliche Erklärung dafür sein könnte, warum Raucher ein höheres Risiko für Parodontose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, „ist eine Hypothese, die in weiteren Studien getestet werden muss“, so Antonello. Die Studie ist frei verfügbar.