Vervielfachung der Wohnsitzänderungen bereitet Behörden Sorgen – VIDEO

Betrugsgefahr: Bürgereinkommen erregt Appetit der „Schlaumeier“

Montag, 11. Februar 2019 | 08:26 Uhr

Bari/Palermo – Nachdem das Parlament das sogenannte Bürgereinkommen – jene Wohltat, die ärmeren Italienern ein menschenwürdiges Leben und einen Neueinstieg in die Arbeitswelt ermöglichen soll – abgesegnet hatte und nachdem mit der eigens dafür gestalteten Onlineseite die letzten Voraussetzungen für den Start des „Gratisgeldes“ geschaffen worden waren, sicherten die Behörden den Gesuchstellern für März die Bearbeitung ihrer Anträge zu.

ANSA/ANGELO CARCONI

„Fatta la legge trovato l’inganno“(Kaum das Gesetz gemacht, ist schon der Betrug gefunden, Anmerkung der Redaktion) sagt ein altes Sprichwort. Die Voraussetzungen für das Bürgereinkommen sind – zumindest auf dem Papier – sehr streng geregelt. Um Zugang zum „Gratisgeld“ zu erlangen, müssen Singles als auch Familien nicht nur ein sehr niedriges Einkommen, sondern auch einen höchstens nur sehr kleinen Besitz von Immobilien nachweisen können. Allerdings lassen bereits jetzt einige „Auffälligkeiten“ darauf schließen, dass „Schlaumeier“, welche eigentlich nicht alle Voraussetzungen für das Bürgereinkommen erfüllen würden, versuchen, sich das monatlich ausgezahlte Bürgergeld zu erschleichen. In großen Stadtgemeinden im Süden, wie in Bari und Palermo, fiel den Gemeindeverwaltungen auf, dass sich mit dem neuen Jahr die Anträge auf Änderung des Wohnsitzes massiv erhöht hatten. Besonders in den letzten Tagen wurden die Schlangen vor den für Wohnsitzänderungen zuständigen Gemeindemeldeämtern immer länger. Ein leitender Angestellter der Stadtgemeinde von Bari sprach gegenüber Medien von einer „noch nie erlebten Situation“. Angesichts der Antragsflut auf Änderung des Wohnsitzes sah sich das Amt sogar gezwungen, einen Teil der Wartenden wieder nach Hause zu schicken.

ANSA/RICCARDO ANTIMIANI

In Palermo ist die Lage ähnlich. Auch in der sizilianischen Metropole ist das Einwohnermeldeamt mit der wahren Flut von Wohnsitzänderungsanträgen – gegenüber dem Vorjahr wird eine Verdoppelung der Gesuche registriert – heillos überfordert. In beiden Städten glauben wenig wohlmeinende Gemüter den Grund für die Antragsflut darin zu erkennen, dass die Antragsteller ihre eigene Familie „zerlegen“ wollen. Während eine Familie, die alle Voraussetzungen erfüllt und beispielsweise zwei arbeitslose Kinder vorweisen kann, monatlich höchstens 1.200 Euro erhält, kann ein arbeitsloser Single, der alleine eine Mietwohnung bewohnt, es auf ein staatliches „Gratisgeld“ von bis zu 780 Euro bringen. Es liegt also auf der Hand, dass es für Familien „günstiger“ ist, die erwachsenen Kinder als arbeitslose Singles aus den Familienbögen zu werfen. Die „Singlegratisgelder“ der falschen Singles werden später als Familie dann dennoch wieder zusammengelegt. Ähnlich liegt das Problem bei den falschen Trennungen, die es ebenfalls ermöglichen, das Einkommen und die Anzahl der Familienmitglieder zu splitten.

Die Stadtgemeinde von Palermo teilte mit, dass sie alle Gesuche genau kontrollieren werde, aber angesichts der geringen Anzahl der Kontrolleure und der zu erwartenden, hohen Anzahl der Bürgereinkommensbezieher, scheinen sich alle strengen Regelungen als Makulatur zu erweisen. Die Verwaltung von Palermo kündigte an, dass die Stadtpolizei für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sorgen werde. Die Stadtpolizisten können zwar – um zu kontrollieren, ob die angemietete Wohnung auch effektiv bewohnt wird – jederzeit vor der Haustür des Gesuchstellers vorstellig werden, aber die Anzahl der für diese Aufgabe abgestellten, städtischen Ordnungshüter ist viel zu gering. Allein für die Stadt und die Provinz Palermo werden laut ersten Schätzungen bis zu 100.000 Bezieher des staatlichen Bürgereinkommens erwartet. In der Praxis sind zwischen lokalen Ordnungshütern und Arbeitsinspektoren aber nur wenige Dutzend Personen dafür zuständig, unter den Bürgereinkommensbeziehern die schwarzen Schafe herauszusuchen.

Laut Aussagen der Gemeindeverwaltungen im Süden des Landes, stehen die anderen Städte vor ähnlichen Problemen. Fast überall sollen nur wenige Ordnungshüter die Vielzahl von arbeitslosen „Fakesingles“ jagen.

Wäre es nicht besser einige Bestimmungen des Bürgereinkommens zugunsten der armen Familien so abzuändern, dass es sich nicht mehr lohnt, auf dem Papier als Single zu erscheinen, fragen sich nicht wenige Leser und Kommentatoren.

 

 

Von: ka