Wendepunkt im Mordfall Chiara Poggi? Ist Alberto Stasi unschuldig hinter Gittern? – VIDEO

Blutverschmierter Abdruck von Sempios Hand neben der Leiche gefunden

Mittwoch, 21. Mai 2025 | 07:05 Uhr

Von: ka

Garlasco – Im Mordfall Chiara Poggi, die vor 18 Jahren auf grausame Weise ermordet wurde, zeichnet sich immer deutlicher ab, dass der damals 24-jährige Alberto Stasi vollkommen zu Unrecht wegen Mordes verurteilt wurde.

Wie die Nachrichtensendung TG1 der RAI berichtet, wurde neben der Leiche der blutverschmierte Handabdruck von Andrea Sempio gefunden. Laut TG1 handelt es sich dabei um neueste Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen, die von der Staatsanwaltschaft Pavia in Auftrag gegeben wurden. Die Kritik an den vor 18 Jahren getätigten Ermittlungen reißt unterdessen nicht ab. Mit immer größerer Wahrscheinlichkeit haben sie zur Verurteilung eines Unschuldigen und damit zur Zerstörung seines Lebens geführt.

Am frühen Dienstagnachmittag um 14.00 Uhr hätten Alberto Stasi, der sich nach langen Jahren hinter Gittern inzwischen in der sogenannten Halbfreiheit befindet, sowie Andrea Sempio und Marco Poggi, der jüngere Bruder des Mordopfers, die allesamt vorgeladen worden waren, um sich den Fragen der Staatsanwälte zu stellen, pünktlich im Gerichtsgebäude erscheinen müssen.

Andrea Sempio, dessen DNA-Spuren einem genetischen Gutachten der Verteidiger des 24-jährigen Verurteilten zufolge bereits vor neun Jahren unter den Nägeln von Chiara Poggi gefunden wurden, die jedoch damals als nicht ausreichend und eindeutig Sempio „zuordbar” angesehen wurden, erschien jedoch nicht zum vorgesehenen Termin. Seine Anwältin berief sich auf einen fehlenden Hinweis in der Vorladung, der diese als nichtig erscheinen lässt. Andrea Sempio hätte vor den Ermittlern aber ohnehin von seinem Schweigerecht Gebrauch machen können. Alberto Stasi und Marco Poggi hingegen sollen alle Fragen der Ermittler beantwortet haben.

Facebook/Quarto Grado/Andrea Sempio(li.) und Alberto Stasi.

Das ändert jedoch nichts daran, dass die Hinweise, die zumindest auf eine Mittäterschaft von Andrea Sempio schließen lassen, immer deutlicher zutage treten. Den von der Staatsanwaltschaft Pavia eingeleiteten Ermittlungen zufolge befand sich Andrea Sempio am Tag der Ermordung von Chiara Poggi in deren Villa in Garlasco. Dies belegen nicht nur die DNA-Spuren an den Nägeln des Opfers. Laut den Ermittlern gibt es „vier oder fünf weitere Indizien“, die seine Anwesenheit am Tatort bestätigen.

Wie der Corriere della Sera berichtet, hüllt sich die Staatsanwaltschaft über die Hinweise, die zu dieser Spur führten, noch ins Schweigen. Bekannt ist jedoch, dass sich der damals 19-Jährige am Morgen des 13. August 2007 nicht außerhalb von Garlasco befand. Das Alibi des jungen Mannes, er sei nach Vigevano gefahren, was ein Parkschein zu belegen schien, taugt nicht als Beweismittel zu seiner Entlastung.

Auf dem 18 Jahre alten Parkschein sind weder ein Nummernschild noch sonstige Hinweise abgedruckt, sondern lediglich das Datum und die Uhrzeit: 13. August 2007 um 10.18 Uhr. Laut dem Autopsiebericht wurde Chiara Poggi am selben Tag zwischen 9.12 Uhr und 9.35 Uhr ermordet. Abgesehen davon, dass der Parkschein allein nicht ausreicht, um Sempios Anwesenheit im nur 16 Kilometer von Garlasco entfernten Vigevano zu bestätigen, wäre es zeitlich durchaus möglich gewesen, nach der Tat mit dem Auto nach Vigevano zu fahren. Zudem dockte das Handy des 19-Jährigen nie in Vigevano an, sondern blieb einem technischen Gutachten zufolge stets in Garlasco lokalisierbar.

Dann wären da noch die DNA-Spuren. Der Verdächtige behauptet, seine DNA sei aufgrund der gemeinsamen Benutzung der Tastatur des Computers in Poggis Haus unter Chiaras Fingernägeln gelangt. Marco Poggi, der jüngere Bruder des Opfers und damalige Freund von Andrea Sempio, sagt jedoch aus, dass er nicht sicher sei, ob Andrea vor dem 5. August in die Villa seiner Familie gekommen sei. Zumindest sei er nicht sehr oft dort gewesen.

Inzwischen könnte Marco Poggi den dunklen Verdacht hegen, dass sein Jugendfreund etwas mit der Ermordung seiner älteren Schwester zu tun haben könnte. Beispielsweise erhielt Poggi am Tag der Ermordung seiner Schwester, als er sich im Trentino aufhielt, keine Benachrichtigungen über verpasste Anrufe. Andrea Sempio hingegen behauptet, er habe Marco Poggi nach den Anrufen ins Festnetz – er wählte das Haustelefon der Villa der Poggis, in der sich zu diesem Zeitpunkt nur Chiara aufhielt – auf seinem Handy zu erreichen versucht. Wollte sich der Täter über die angeblichen Anrufe ein Alibi verschaffen?

X/TG1

Am Dienstag wurde jedoch die größte Trumpfkarte der Ermittler aufgedeckt. Wie die Nachrichtensendung TG1 der RAI berichtet, wurde neben der Leiche von Chiara Poggi ein blutverschmierter Handabdruck gefunden, der von Andrea Sempo stammen soll. Laut TG1 handelt es sich dabei um neueste Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen, die von der Staatsanwaltschaft Pavia in Auftrag gegeben und unter dem Einsatz modernster forensischer Methoden durchgeführt wurden.

Es zeichnet sich daher immer deutlicher ab, dass für den Mord an Chiara Poggi, die vor 18 Jahren mit äußerster Grausamkeit getötet wurde, ein junger Mann, ihr damals erst 24 Jahre alte Freund Alberto Stasi, zu Unrecht zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde. Es verwundert daher nicht, dass die Kritik an den Ermittlungen von vor 18 Jahren immer lauter wird.

Die Geschichte der Ermordung der damals 26-Jährigen muss möglicherweise völlig neu geschrieben werden. Sollte sich herausstellen, dass Alberto Stasi unschuldig eine jahrelange Haftstrafe verbüßt hat, während der wahre Täter 18 Jahre nach der Tat noch immer frei herumläuft, wäre dies einer der größten Justizskandale in der Geschichte Italiens.

 

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