Die Antwort kommt in neun Monaten

Coronavirus: Babyboom oder drastischer Rückgang der Geburten?

Montag, 27. April 2020 | 08:04 Uhr

Rom – Nicht nur Experten, sondern auch viele Bürger beginnen in Italien darüber zu debattieren, wie die seit mehreren Wochen andauernde Quarantäne sich auf Italiens Geburtenrate auswirken wird. Während die einen meinen, dass das „erzwungene“ ständige Zusammenleben Paare dazu animieren könnte, Nachwuchs zu zeugen, befürchten die anderen, dass drastisch gesunkene Einkommen und Zukunftssorgen eher dazu führen werden, dass Paare, die sich Kinder wünschen, ihre Familienplanung verschieben oder ganz aufgeben.

In Italien, das weltweit eine der niedrigsten Geburtenraten aufweist, ist eine kleine, aber lebhafte Debatte darüber ausgebrochen, ob die Quarantäne zu einem Babyboom oder zu einem drastischen Rückgang der Geburten führen wird. In einem gewissen Sinne könnte man diese Wahl zwischen zwei vollkommen gegensätzlichen Möglichkeiten als einen Wettstreit zwischen Lust und Vernunft beschreiben, aber gerade aus der Sicht der Paare ist das Thema zu vielschichtig, um es auf diese zwei Wörter herunterzubrechen.

Laut Meinung der „Optimisten“ fänden Paare, die sich gemeinsam in Quarantäne befinden, eher zueinander. Nach der vor dem Computer im Homeoffice verbrachten Zeit, der Hausarbeit und dem gemeinsamen Kochen und Backen – so diese Stimmen – entstehe genau jene positive Stimmung, die Paare dazu verleitet, das Schlafzimmer aufzusuchen. In diesem Sinne ist es den Optimisten zufolge unter Quarantänebedingungen eher wahrscheinlich, dass mehr Kinder gezeugt werden.

Se tra 9 mesi non ci sarà il boom di nascite avremo la conferma che a casa avete davvero fatto il pane…😁😂ღ Skapigliato

Pubblicato da Mari ღLa Streghinaღ su Domenica 12 aprile 2020

Viele vergangene Babybooms scheinen diese These zu untermauern. Langandauernde und viele Stadtbezirke lahmlegende Stromausfälle führten in New York in den Jahren 1965 und 1977 zu einer statistisch wahrnehmbaren Steigerung der Geburten. Auch in Kolumbien löste der Zusammenbruch der Stromversorgung im Jahr 1992 einen kleinen Babyboom aus. In Sansibar, wo im Jahr 2008 die Hälfte der Insel einen Monat lang ohne Strom blieb, wurde ebenfalls eine Zunahme der Geburten registriert. Anders lag der Fall in Großbritannien. Da aufgrund eines von einem Bergarbeiterstreik verursachten Kohlemangels es zu Energieengpässen gekommen war, sah sich die britische Regierung gezwungen, die Arbeitswoche auf drei Tage zu kürzen. Die zusätzlichen freien Tage lösten einen kleinen Babyboom aus. Wie im Falle Deutschlands im Jahr 2006 kann auch eine Großveranstaltung wie eine Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land einen spürbaren Anstieg der Geburten verursachen.

Diesen Argumenten setzen die „Pessimisten“ entgegen, dass „zusammengesperrte“ junge Leute nicht automatisch mehr Kinder zeugen würden. Vielmehr erzeuge die Erkenntnis, einer unbekannten Krankheit ausgesetzt zu sein, eine gedrückte Stimmung, die jeder Lust auf Nachwuchs im Wege steht. Außerdem seien eher „neutrale“ Ereignisse wie Stromausfälle und noch weniger zusätzliche freie Tage oder freudige Veranstaltungen wie eine Fußballweltmeisterschaft mit einer Pandemie zu vergleichen. Die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz und die infolge des Lockdowns bei vielen Paaren fehlenden Einkommen seien in jedem Fall einer Familienplanung abträglich. Gerade die Erfahrung vergangener Pandemien zeige, dass anstatt eines Babybooms eher mit einem Geburtenknick zu rechnen sei.

Da mit dem Beginn des Lockdowns alle Verfahren zur künstlichen Befruchtung eingestellt worden sind, ist es bereits heute sicher, dass 2020 in Italien allein schon aus diesem Grund rund 4.500 Geburten in der Statistik fehlen werden.

Die meisten Experten rechnen eher mit einem Geburtenknick. Die Antwort auf die Frage, ob die Quarantäne Paare „beflügelt“ oder nicht, werden wir aber erst Ende dieses oder Anfang nächstes Jahres erfahren. Und was meinen unsere Leserinnen und Leser?

Von: ka