Von: idr
Contigliano – Drei junge Männer aus Rieti sitzen in Untersuchungshaft, nachdem sie den Mannschaftsbus eines gegnerischen Basketballteams verfolgt und mit Steinen attackiert haben sollen. Hinter der Tat steht eine rechtsextreme Ultra-Gruppierung, die in der mittelitalienischen Stadt um Anerkennung und Macht kämpfte.
Manuel Fortuna, Alessandro Barberini und Kevin Pellecchia – diese drei Namen stehen im Zentrum der Ermittlungen nach dem gewalttätigen Übergriff auf den Bus des Basketballclubs Pistoia am vergangenen Sonntag. Was die Öffentlichkeit zunächst für einen eskalierenden Streit zwischen rivalisierenden Fangruppen hielt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Geschichte gescheiterter Existenzen und ihres verzweifelten Strebens nach Bedeutung.
Faschisten mit Herz
Noch vor einem Jahr nannte sich die Gruppe „Bravi Ragazzi“ – die guten Jungs. Sie unterstützten den Basketballverein Nuova Pallacanestro Contigliano, sammelten wöchentlich Lebensmittel für bedürftige Italiener in Rieti und präsentierten sich als sozial engagierte Jugendliche. Doch auf Facebook zitierten sie bereits den rumänischen Faschisten Corneliu Codreanu, und jedes Jahr am 7. Januar gedachten sie mit dem Ruf „Il Presente“ des neofaschistischen Anschlags von Acca Larentia aus dem Jahr 1978.
Die Gruppe gründete die „Comunità la Roccaforte“ in Rieti – die Festungsgemeinde. Ihr Symbol: eine mittelalterliche Stadtmauer, Mauern, die es zu verteidigen gilt, notfalls mit nächtlichen Patrouillen durch die eigene Stadt. Chicco Costini, ehemaliger Stadtrat der rechtsnationalen Alleanza Nazionale in Rieti, kennt die drei Verhafteten gut. Er sah im Bestreben der Gruppe einen Versuch, in der eigenen Stadt Aufmerksamkeit zu erlangen und sich einen Namen zu machen.
Den Verein verraten
Als Nuova Contigliano in die vierte Liga abstieg, wechselten die Ultras im vergangenen September zu Real Sebastiani Rieti in der zweiten Basketball-Liga. Sie baten die etablierten „Bulldogs“-Fans um Erlaubnis, in der Terminillo-Kurve mitzumischen – und benannten sich um in „Tradizione Ostile“ – feindliche Tradition. Manuel Fortuna übernahm die Führung, an seiner Seite Danilo Bonanni.
Basketball bedeutet in Rieti alles. Die Stadt lebt für den Sport und wer in den Fankurven das Sagen hat, genießt Respekt und Einfluss. Bereits vor zwei Wochen hatte Fortuna während der Halbzeitpause einem gegnerischen Fan aus Cento den Schal vom Hals gerissen, als dieser in die Bar der Heimfans eindrang. In der zweiten Halbzeit präsentierte er das Kleidungsstück wie eine Kriegstrophäe vor den Gästen.
Doch selbst das reichte der Gruppe nicht. Am Sonntag kam Pistoia nach Rieti – eine befreundete Fanszene, aber sportliche Rivalen. „Sie versuchten, durch einen Angriff auf den Bus Aufmerksamkeit zu erregen“, erklärt Costini verbittert. Der Allgemeinmediziner kennt die jungen Männer seit Jahren. Bevor sie die Roccaforte gründeten, waren sie Teil seiner „Area Rieti“, einer politischen Gruppierung im Umfeld des ehemaligen römischen Bürgermeisters Gianni Alemanno.
Distanz aus dem eigenen Lager
Selbst aus dem eigenen Lager hagelte es Kritik: Zahlreiche rechte Gruppierungen distanzierten sich von der Attacke und mahnten eine gerechte Strafe für die drei an. Pellecchia, der Jüngste von ihnen, war bis zu seiner Verhaftung als Kindergärtner tätig. Fortuna lässt dagegen seine Partnerin und ein dreijähriges Kind zurück.
Was als Versuch begann, in der eigenen Stadt Bedeutung zu erlangen, endet nun mit Haftbefehlen und einer breiten gesellschaftlichen Ächtung. Die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Täter laufen gegenwärtig, weshalb bis zum Urteil die Unschuldsvermutung gilt. Sollte es jedoch zu einer Verurteilung kommen, lassen die drei ein Loch in der Gesellschaft und in mehreren Familien durch ihren feigen Angriff zurück.
Aktuell sind 24 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen