Von: APA/Reuters/dpa
Im Ringen um das EU-Mercosur-Handelsabkommen deutet sich zwar die nötige Mehrheit der EU-Staaten an – allerdings wird die für Samstag geplante Unterzeichnung des Abkommens trotzdem verschoben. Dies teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstagabend beim EU-Gipfel in Brüssel mit. Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni hatte ihre Zustimmung davor an Bedingungen geknüpft, die die Landwirtschaft betreffen.
“Die italienische Regierung ist bereit, das Abkommen zu unterzeichnen, sobald die notwendigen Antworten an die Landwirte vorliegen”, teilte Meloni in einer Erklärung mit. Zuvor hatte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva erklärt, Meloni habe ihm mitgeteilt, dass sie das Abkommen unterstütze. “Und dann fragte sie mich, ob wir eine Woche, zehn Tage, höchstens einen Monat Geduld haben könnten, dann würde Italien dem Abkommen zustimmen”, fügte er hinzu. Er werde mit den anderen Mercosur-Partnern Argentinien, Uruguay und Paraguay beraten.
Flug zur Unterzeichnung in Brasilia vertagt
Die Überwindung der Hürden für die Unterzeichnung des EU-Handelsabkommens mit der südamerikanischen Staatengruppe Mercosur galt als eines der beiden Hauptthemen auf dem EU-Gipfel in Brüssel. Eigentlich wollten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa am Freitag nach Brasilia fliegen, um dort den bereits seit 25 Jahren verhandelten Vertrag zu unterzeichnen. Dies ist nun abgesagt und vermutlich auf Jänner vertagt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte am Donnerstag eine Verschiebung, um weitere Zusicherungen für französische Landwirte auszuhandeln.
In Verhandlungskreisen wurde vermutet, dass Meloni ebenfalls Zusagen für ihre Landwirte erhalten möchte. Andere EU-Regierungschefs wie Viktor Orban aus Ungarn lehnen das Abkommen als Ganzes ab. Allerdings ist nur eine qualifizierte Mehrheit und keine Einstimmigkeit nötig. Deshalb kommt Italien eine entscheidende Rolle zu. Vertreter Österreichs sind auf EU-Ebene per aufrechtem Parlamentsbeschluss aus dem Jahr 2019 an ein Veto gebunden. Auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hatte stets darauf verwiesen.
Merz drängt auf Beschluss
Der deutsche Kanzler Friedrich Merz hatte zu Beginn des EU-Gipfels nochmals zu einem Beschluss gedrängt. “Darüber wird jetzt seit 25 Jahren verhandelt. Jetzt ist es Zeit, zu einer Entscheidung zu kommen”, sagte Merz in Brüssel. “Wenn die Europäische Union in der Handelspolitik auf der Welt glaubwürdig bleiben will, dann müssen jetzt Entscheidungen getroffen werden, und die Entscheidung kann nur lauten, dass Europa zustimmt und dass die Kommissionspräsidentin und der Ratspräsident morgen nach Südamerika reisen und dieses Abkommen unterzeichnen. Ich hoffe sehr, dass uns diese Zustimmung heute und morgen gelingt.” Er sei zuversichtlich, betonte Merz.
Um den Widerstand gerade Frankreichs zu überwinden, hatten sich die Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten am Mittwoch im Streit über Agrarimporte aus den Mercosur-Ländern auf einen Kompromiss verständigt. Demnach soll eine Untersuchung eingeleitet werden, wenn die Einfuhrmengen aus Südamerika um mehr als acht Prozent pro Jahr steigen. Zudem einigten sie sich auf eine Erklärung, die EU-Maßnahmen zur Kontrolle auch in den Mercosur-Ländern, zur Unterstützung der Landwirte und zur Einhaltung von Produktionsstandards bei Pestiziden und Tiergesundheit festlegt. Dies reicht Frankreich aber nicht aus.
Mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay sowie mit dem zu dem Block dazustoßenden Bolivien würde die größte Handelszone der Welt mit mehr als 720 Millionen Menschen entstehen. Sie würde fast 20 Prozent der Weltwirtschaft und mehr als 31 Prozent der globalen Warenexporte abdecken.
Brunner lobt Abkommen, FPÖ lobt Meloni für Verschiebung
EU-Kommissar Magnus Brunner schreibt in einer Stellungnahme, Mercosur eröffne “gerade für die Industrie exportorientierter Länder wie Österreich eine enorme Chance. Es ist unsere Verantwortung in Europa, als stabiler und verlässlicher Handelspartner aufzutreten und uns wirtschaftlich breiter aufzustellen.” Für die Landwirtschaft gebe es “klare Sicherheitsmechanismen, die sofort greifen können, sollte es zu Marktverwerfungen kommen.” Die EU-Kommission gehe von einer Verdoppelung der EU-Exporte innerhalb von sieben bis zehn Jahren aus und von Einsparungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro an Zöllen.
Der freiheitliche EU-Abgeordnete Roman Haider freute sich hingegen, dass Meloni die Unterzeichnung des Abkommens verschieben will. “Eine Unterzeichnung dieses unseligen Abkommens ohne die Implementierung der vom Parlament beschlossenen Schutzmechanismen für die heimische Landwirtschaft” sei “völlig undenkbar”.
NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos empfindet es hingegen als “Hohn”, dass Meloni die Unterzeichnung verschieben will. “Das Abkommen wurde 25 Jahre lang verhandelt und permanent verbessert – es gibt keinen rationalen Grund, es jetzt nicht zu unterzeichnen”, schreibt er in einer Aussendung.




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