Von: ka
Bologna – Mit Blick auf die Überschwemmungskatastrophe in der Emilia-Romagna, die bisher 13 Todesopfer gefordert hat, sprechen einige Meteorologen, Klimatologen und Geologen von einer „angekündigten Tragödie“. Gleich mehrere Faktoren, die zu einem guten Teil menschengemacht sind, haben aus ihrer Sicht dazu beigetragen, dass ein sehr starker Regen – in 48 Stunden sind 300 Millimeter Regen gefallen – einen großen Teil der Region in einen See verwandelt hat. „Viele Signale sind nicht beachtet worden“, so das Fazit der Experten.
Die vorläufige Bilanz der Überschwemmungen in der Emilia-Romagna ist verheerend. Zwischen Bologna und der Adria traten alle Flüsse über die Ufer und in den von der Flutkatastrophe betroffenen 41 Gemeinden mussten rund 40.000 Menschen ihre Häuser verlassen. In den Berggebieten der Romagna wurden zudem mehr als 200 Erdrutsche gezählt. In vielen Teilen der Region brachen die Trinkwasser- und Stromversorgung zusammen. Noch immer sollen Tausende von Haushalten ohne Strom sein. Bisher kamen in den Fluten 13 Menschen ums Leben. Vermutlich nur der raschen Ausrufung des „Roten Alarms“, der unter anderem die Schließung aller Schulen und Universitäten zur Folge hatte, ist es zu verdanken, dass die Zahl der Todesopfer nicht noch höher ist.
Da es nach einem Starkregen bereits Anfang Mai zu Überflutungen – der Fluss Sillaro hatte seinen Uferdamm durchbrochen – gekommen war, waren die Verantwortlichen gewarnt. Nachdem Meteorologen die aufkommende schwere Wetterstörung vorgesagt hatten, wurde der „Alarmstufe Rot“ ausgelöst. Die am stärksten gefährdeten Gebiete wurden evakuiert und auch sonst wurden die Menschen aufgefordert, sich in die oberen Stockwerke der Häuser zu begeben. Nach dieser Aufforderung durch die Behörden verließen Tausende von Menschen ihre Häuser.
Leider übertrafen die Regenfront und die schweren Unwetter die schlimmsten Befürchtungen. In nur 48 Stunden fielen 300 Millimeter Regen. Einige Gegenden der norditalienischen Region bekamen innerhalb von nur 36 Stunden mehr als doppelt so viel Regen ab wie sonst in einem normalen Monat Mai fallen. Erschwerend kam hinzu, dass der ausgedehnte Starkregen ein Gebiet betraf, auf dem bereits vor zwei Wochen hohe Regenmengen gefallen waren. Die bereits mit Wasser gesättigten Böden konnten kaum mehr weitere Mengen aufnehmen, wodurch ein hoher Teil in die Bäche und Flüsse abfloss, was dann in der Ebene eine Katastrophe verursachte. Gemeinsam mit dem Adria-Meeressturm, der Meerwasser in die Flussmündungen drückte, wodurch das Abfließen des Flusswassers erschwert wurde, trugen alle zusammentreffenden Gegebenheiten dazu bei, dass die Unwetterkatastrophe in ein Desaster mündete.
In einem Interview, das er der Turiner Tageszeitung La Stampa gab, erklärt der Meteorologe Luca Mercalli, dass die Flutkatastrophe „auf extreme Ereignisse zurückzuführen ist, die im Zusammenhang mit der globalen Klimaerwärmung stehen“. Je mehr und schneller sich die Erdatmosphäre erwärmt – so Luca Mercalli – desto häufiger und intensiver werden diese Wetterphänomene auftreten. „Es gibt einfach mehr Energie in der Atmosphäre, was zur Folge hat, dass die Winde und die Regenfronten stärker werden. Auf globaler Ebene müssen wir das Risiko eindämmen, dass sich die Lage weiter verschlimmert, aber das, was geschehen ist, ist bereits unsere Gegenwart“, zieht der angesehene Meteorologe ein wenig hoffnungsvolles Fazit.
Luca Mercalli merkt an, dass die Häufigkeit von meteorologischen Extremereignissen zunimmt. „Senigallia im September, Ischia im November und die Romagna im Mai gleich zweimal, in Italien werden die extremen Wetterereignisse immer häufiger. Doch die Erklärung liegt auf der Hand. Dadurch, dass das Mittelmeer immer wärmer wird, nimmt die Verdunstung zu, was dazu führt, dass in der Atmosphäre mehr Wasser vorhanden ist. Im Falle eines ungünstigen Zusammentreffens verschiedener Faktoren kehrt dieses Wasser innerhalb kürzester Zeit zur Erde zurück“, erläutert der Meteorologe.
Der Klimatologe Bernardo Gozzini pflichtet Luca Mercalli bei. Bernardo Gozzini meint, dass die nächsten fünf Jahre die wärmsten seit den Aufzeichnungen sein werden. „Eine wärmere Luftmasse, die mehr Feuchtigkeit und Energie enthält, nimmt auf den hydrogeologischen Kreislauf starken Einfluss. Die extremen Wetterereignisse wie Starkregen entstehen dann, wenn die Atmosphäre diese Massen an Feuchtigkeit plötzlich nicht mehr halten kann“, erklärt der Klimatologe.
Beide Experten glauben, dass die Verantwortlichen gezwungen sind, die bereits vorhandenen Infrastrukturen wie Schutzdämme sowie Rückhalte- und Ausdehnungsbecken den neuen Klimabedingungen anzupassen. An dieser Stelle erwähnen Kritiker, dass in der Emilia-Romagna, die in den Jahren 2015 bis 2022 für den Bau von 23 Rückhalte-, Auffang- und Ausdehnungsbecken 190 Millionen Euro erhalten hatte, nur zwölf vollständig verwirklicht wurden. Alle übrigen befinden sich erst in Bau oder gar noch in der Planungsphase.
Bei diesen Wasserschutzbauten handelt es sich um große Becken, die es im Falle von Hochwasser ermöglichen, abseits des Flusslaufs große Mengen von Wasser zu speichern. Dadurch kann vermieden werden, dass auf die Schutzdämme ein zu großer Wasserdruck lastet. Dort, wo solche Rückhalte-, Auffang- und Ausdehnungsbecken vorhanden waren, leisteten sie beim ersten Flutwasser Anfang Mai gute Dienste.
#Maltempo #EmiliaRomagna, 880 #vigilidelfuoco al lavoro: 240 sono soccorritori acquatici, 20 #fluviali, 65 esperti in prosciugamenti, 15 #sommozzatori. 300 i mezzi operativi [#18maggio 15:00] pic.twitter.com/XvlIdqWbJ1
— Vigili del Fuoco (@vigilidelfuoco) May 18, 2023
Allerdings können auch sie allein kein solches Desaster verhindern. Um zukünftig solche Flutkatastrophen abzumildern, wird ein ganzes Maßnahmenbündel notwendig sein. Neben einer verbesserten Frühwarnung, der ständigen Wartung der Flussläufe und der Kontrolle ihrer Schutzdämme meinen einige Experten, dass es auch notwendig sei, für gefährdete Gebiete ein Bauverbot zu verhängen.
#Maltempo #EmiliaRomagna, ricognizione aerea dell'elicottero dei #vigilidelfuoco sulle zone alluvionate di Sant'Agata sul Santerno, nel ravennate [#18maggio 12:00] pic.twitter.com/Sm7Dcewcld
— Vigili del Fuoco (@vigilidelfuoco) May 18, 2023
Angesichts dieser Vorschläge überkommt vielen Einwohnern der Emilia-Romagna ein mulmiges Gefühl. Von den kleinen Flussläufen, die vom Apennin herunterkommen, um dann mit sehr geringem Gefälle durch die Ebene Richtung Adria zu fließen, wird leider immer eine – manchmal tödliche – Gefahr ausgehen.