Von: ka
Cormòns/Brazzano di Cormòns – Nach dem Tod von zwei Menschen, dem 32-jährigen Münchner Quirin Kuhnert und der 83-jährigen Einheimischen Guerrina Skocaj, herrscht in Brazzano di Cormòns, einer Fraktion der Gemeinde Cormòns in der nordostitalienischen Region Friaul-Julisch Venetien, tiefe Trauer.
Hätte der 32-Jährige nicht eine 53-jährige Frau aus ihrem einstürzenden Haus gerettet, wäre die Bilanz noch größer gewesen. Als er jedoch die verzweifelt um Hilfe rufende Guerrina Skocaj retten wollte, kostete ihn seine Selbstlosigkeit das Leben. Für ihn und seine Nachbarin kam jede Hilfe zu spät. Ihre Leichen wurden Stunden nach dem Erdrutsch geborgen, der drei Häuser der Fraktion zum Einsturz brachte.

Als nach heftigen Regenfällen am frühen Dienstagmorgen gegen 5.00 Uhr eine Schlammlawine vom Hügel herabrollte und alles, was ihr im Weg stand, mitriss und dem Erdboden gleichmachte, floh Quirin Kuhnert, der in Brazzano di Cormòns ein beliebtes Lokal zu neuem Leben erweckt hatte, zusammen mit seiner Frau Jessica aus seinem Haus. Quirin Kuhnert befand sich bereits in sicherer Entfernung, als er Schreie von Menschen hörte. Der in München geborene und aufgewachsene 32-Jährige zögerte keine Sekunde, denn er wusste, dass er schneller sein musste als der Erdrutsch.

Er kehrte um, rannte die Dorfgasse hinauf, ohne an die eigene Sicherheit zu denken, und machte sich auf die Suche nach denjenigen, die nicht fliehen konnten. Zuerst rettete er die 53-jährige Daniela. „Dieser junge Mann war ein Held. Wenn meine Tochter noch lebt, dann verdankt sie das ihm“, sagte Elena Pinto gegenüber einem Lokalblatt. „Meine Tochter Daniela war vor Angst wie gelähmt und unfähig, vor dem Regen und dem Schlammstrom zu fliehen. Quirin klingelte an ihrer Tür und schrie sie an, sofort herauszukommen, weil der ganze Hügel auf unsere drei Häuser herabzubrechen drohte“, erzählte Elena Pinto dem Blatt weiter. „Meine Schwester ist 53 Jahre alt und rannte im Pyjama und barfuß nach draußen. Sie versank im Wasser, das Steine mit sich riss, und war vor Schock nicht in der Lage, weiterzulaufen. Quirin zog sie mit Gewalt weg, eine Sekunde bevor das Gebäude einstürzte. Ohne ihn wäre sie unter den Trümmern begraben worden“, erzählte Massimiliano Cecchin, der Bruder der Geretteten.
Nach der Rettung von Daniela hörte der 32-Jährige die verzweifelten Schreie seiner 83-jährigen Nachbarin Guerrina Skocaj, die in ihrem Haus gefangen war. Das Haus war durch das Hochwasser des Rio Del Ronco komplett überflutet. Quirin Kuhnert hatte gehört, wie das Haustor seiner Nachbarin unter dem Gewicht des Erdrutsches eingedrückt wurde. „Wir waren schon weit weg und in Sicherheit, aber Quirin erinnerte sich an Guerrina und kehrte um“, erinnert sich seine Frau Jessica.
Quirin Kuhnert und Matteo Betteto, ein im nahen Weingut Borgo del Tiglio beschäftigter Arbeiter, erreichten gemeinsam das Haus der 83-Jährigen. „Quirin versuchte vergeblich, die Tür aufzubrechen, um Guerrina herauszuziehen. Daher ging er in den Keller, holte eine Leiter und lehnte sie gegen die Fassade des Hauses“, erzählt Nicola Manferrari, Bettetos Arbeitgeber. „Gerade hatte er begonnen, zu Guerrina hinaufzusteigen, als die gesamte Häusergruppe unter dem Druck der Erdmassen einstürzte und alles unter sich begrub“, erzählt Nicola Manferrari und lässt den Blick zu Boden sinken.

Matteo Betteto konnte sich retten, da er vor dem Haus stand und die Leiter festhielt. Er wurde jedoch von herunterstürzenden Trümmerteilen getroffen und erlitt einen Becken- und einen Oberschenkelbruch. Doch für Quirin Kuhnert und seine Nachbarin Guerrina Skocaj kam jede Hilfe zu spät. Ihre Leichen wurden nach stundenlanger Suche aus den Schutt- und Schlammmassen geborgen.
In Brazzano di Cormòns herrscht nach dem Tod von Quirin Kuhnert und Guerrina Skocaj große Trauer. Der 32-jährige Münchner lebte seit Jahren in Brazzano. Sein Vater, ein bekannter bayerischer Architekt, war dorthin gezogen, um seinen Lebensabend zu genießen. Zu diesem Zweck hatte er zwei baufällige Bauernhäuser erworben und renoviert. „Im ersten Haus lebte er mit seiner Frau, im zweiten wohnte Quirin im Sommer mit seiner Partnerin. Als sein Vater starb, beschloss Quirin, für immer zu bleiben, denn er hatte sich in Brazzano verliebt“, so seine Freundin Elisa Brandolin.

Quirin Kuhnert war in Brazzano di Cormòns sehr bekannt und beliebt, denn er hatte das Dorflokal zu neuem Leben erweckt. Der 32-Jährige hatte am 5. Februar dieses Jahres den kleinen Lebensmittelladen „Buon sapore“, der auch als eine Art Gastlokal fungiert, übernommen, nachdem der alte Inhaber verstorben war. „Ich möchte, dass mein Geschäft nicht nur einen wichtigen Dienst für die Einheimischen bietet, sondern mit der Zeit auch zu einem Treffpunkt wird, an dem man sich freundschaftlich unterhalten kann“, sagte der junge Münchner während der Eröffnungsfeier. Er wusste, dass er damit nicht reich werden würde, aber er sagte: „Das Glück liegt darin, anderen nützlich zu sein.“ Diesem Gedanken blieb er bis zum Ende treu.







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