Angeblich „satanistisches Götzenbild“ sorgt für wilde Polemiken – VIDEO

„Feige und gemeine Tat“: Kunstwerk mit Mist beschmiert

Samstag, 11. Mai 2019 | 08:04 Uhr

Vergato – In Vergato, einem Dorf in den Bergen des Apennin südlich von Bologna, scheidet ein Kunstwerk die Geister. Rechtsextremisten sowie militant religiöse Hardliner halten eine vom Künstler Luigi Ontani geschaffene Skulptur, die auf allegorische und mythologische Weise die lokalen Gewässer zusammen mit dem Apenninengebirge darstellt, für ein „satanistisches Götzenbild“. Während in der Nacht zuvor die Statue mit Mist beschmiert worden war, wollte am Donnerstag ein selbsternannter Teufelsaustreiber dem Kunstwerk seinen angeblich satanistischen Nimbus nehmen. Er wurde aber von den Einwohnern des Dorfes an seinem Vorhaben gehindert und abgedrängt. Zuletzt mussten sogar die Carabinieri einschreiten, um die Ruhe wiederherzustellen.

ANSA/UNIONE COMUNI DELL’APPENNINO

Schon kurz nach der Einweihung im vergangenen April begann die Plastik des bekannten, heute in Rom lebenden, aber in Vergato geborenen Künstlers Luigi Ontani die Aufmerksamkeit von rechtsextremistischen Gruppen wie Forza Nuova und militanten, extremistischen, religiösen Vereinigungen auf sich zu ziehen. Die mächtige aus Bronze und Marmor gefertigte Skulptur soll laut Aussage des Künstlers die lokalen Gewässer und das Gebirgsmassiv des Apennin darstellen. Ein Faun, der den Fluss Reno symbolisiert, trägt eine Putte, der den Bach Vergatello darstellt, der bei Vergato in den Reno mündet. Unter den beiden Figuren liegt ein Triton, der mit seinem Bart und seinem „gebirgigen“ Körper den Apennin abbildet und das Kunstwerk in ein Wasserbecken einfasst.

An der fantasievollen, sich nach dem Willen von Luigi Ontani an lokalen Legenden und Mythen orientierenden Komposition wäre nichts auszusetzen, wenn Rechtsextremisten und Erzkonservative – unter anderem auch der Lega-Senator Simone Pillon – in der Plastik nicht eine Art „satanistisches Götzenbild“ erblicken würden. Die stechenden Augen, behuften Beine, die fast schwarze Putte mit Flügeln und nicht zuletzt der erigierte Penis des Fauns lassen Kritiker sowie rechtsextreme und religiöse Fanatiker an ein „Satanswerk“ und an ein „heidnisches Götzenbild“ denken.

ANSA/FACEBOOK PILLON

Darauf folgten wilde Polemiken. Unter anderem meldete sich auch der bekannte Kunstkritiker Vittorio Sgarbi zu Wort und verteidigte die Freiheit der Kunst gegen die „Bilderstürmer“. In der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag kam es zum Eklat. Mitglieder einer militant religiösen Gruppe, die sich auf Flugblättern „Soldaten Christi“ nennt, beschmierten die Skulptur mit Mist und Kot. Ebenfalls mit Mist verdreckt wurde der Eingangsbereich des zugleich mit dem Kunstwerk eingeweihten Museums, das dem in Vergato geborenen Künstler gewidmet ist. Zugleich kündigte der selbsternannte Exorzist und in rechtsextremen Kreisen besser als „David der Wikinger“ bekannte Davide Fabbri für den Donnerstag seinen „Besuch“ in Vergato an. Ziel des „Teufelsaustreibers“ war es angeblich, mit „Weihwasser“ der Statue den „satanistischen Nimbus“ zu nehmen.

Aber es regte sich Widerstand. Nachdem am Anfang über das Kunstwerk mitten auf dem Dorfplatz nicht alle einhelliger Meinung gewesen waren, begannen im Lauf der Polemiken die Einwohner von Vergato, „ihr“ Kunstwerk ins Herz zu schließen. Die Beschmierung ihrer Skulptur betrachteten sie daher als feigen Angriff auf ihre Gemeinschaft. Die Bürger stellten sich hinter ihrem Bürgermeister Massimo Gnudi, der von Anfang an das Kunstprojekt vorangetrieben hatte.

„Was für eine dumme Tat. Jetzt gefällt uns die Skulptur viel besser“, so der Tenor der Einwohner.

Als am Donnerstag der „Exorzist“ Davide Fabbri in Vergato auftauchte, fand sich auf dem Platz umgehend eine protestierende Menschenmenge ein. Unter den Zurufen „Verschwinde!“ und „Clown“ drängten die Menschen den „Teufelsaustreiber“ ab und hinderten ihn daran, das Kunstwerk mit Wasser zu besprenkeln. Um die Ruhe im Dorf wiederherzustellen, mussten sogar die Carabinieri einschreiten.

Am Tag nach der Beschmierung der Skulptur trudelten aus ganz Italien Solidaritätsbekundungen ein. Parteien, Verbände sowie der erste Bürger von Vergato nannten den Vandalenakt eine „feige und gemeine Tat“. Die italienische Partisanenvereinigung Anpi sprach von „besorgniserregenden, neofaschistischen Auswüchsen“. Ironischerweise waren es zuletzt Kritiker und Fanatiker, die eine beispiellose Welle der Solidarität auslösten und dafür sorgten, dass alle Einwohner von Vergato ihre Skulptur in die Mitte ihrer Gemeinschaft aufnahmen. Am Abend fand in Vergato sogar ein Solidaritätsmarsch zugunsten der Statue und der Freiheit der Künste statt.

 

Von: ka