Walter Albi [66] erschossen und Luca Cavallito schwer verletzt – VIDEO

Für „Versager“ kennt die ’Ndrangheta nur eine Strafe

Donnerstag, 16. Februar 2023 | 08:19 Uhr

Pescara – Ein halbes Jahr nach der Bluttat konnte der Mord an Walter Albi aufgeklärt werden. Der 66-jährige Architekt war am 1. August des vergangenen Jahres im Zentrum von Pescara vor einer Bar von einem Unbekannten erschossen worden. Der 49-jährige ehemalige Fußballspieler Luca Cavallito hingegen, der mit dem Mordopfer vor der Bar am selben Tisch gesessen hatte, hatte beim selben Attentat schwerste Schussverletzungen erlitten.

Nach einer aufwendigen Ermittlungsarbeit konnten sowohl der Auftraggeber des Mordes und der eigentliche Mörder als auch das Motiv der Tat ermittelt werden. Walter Albi und Luca Cavallito waren von einem Capo der ’Ndrangheta „bestraft“ worden, weil sie „versagt“ hatten.

Nach dem Mord an dem Architekten Walter Albi und dem versuchten Mord an Luca Cavallito standen die Ermittler der Staatspolizei zunächst vor einem Rätsel, aber da der mutmaßliche Auftraggeber der Bluttat, der aus Locri in Kalabrien stammende Natale Ursino, bereits ins Visier der Ermittler geraten war, genügte es, die vorhandenen Puzzleteile zusammenzufügen. Walter Albi und Luca Cavallito wurden vom mächtigen Mitglied der ’Ndrangheta – des kalabrischen Organisierten Verbrechens – Natale Ursino „bestraft“, weil sie einen Auftrag nicht ausgeführt hatten.

ANSA/LORENZO DOLCE

Während Natale Ursino die Bluttat in Auftrag gegeben haben soll, soll die Tat selbst vom mehrfach vorbestraften Cosimo Nobile, genannt Mimmo, begangen worden sein. Der am Diensttag von der Polizei festgenommene Cosimo Nobile benutzte für den Mord eine Waffe, die er bei einem Überfall auf einen Supermarkt einem Wachmann gestohlen hatte. Mit dieser Waffe tötete er den 66-jährigen Architekten und verletzte den 49-jährigen, ehemaligen Fußballspieler Luca Cavallito, der zu diesem Zeitpunkt mit dem Opfer an einem Tisch saß, schwer.

Hintergrund des Mordes ist das Vorhaben der ’Ndrangheta, in der mittelitalienischen Region Abruzzen verstärkt Fuß zu fassen. Natale Ursino soll die Tat in Auftrag gegeben haben, um sich an Walter Albi für einen nicht durchgeführten „Geschäftsauftrag“ zu rächen. Den Ermittlungen zufolge war Walter Albi, der einen Segelschein besaß, vom ’Ndrangheta-Capo damit beauftragt worden, Kokain von Südamerika nach Europa zu transportieren. Der vorbestrafte Luca Cavallito hingegen hatte dem Capo als „Verbindungsmann“ und „Garant“ für den Auftrag gedient. Obwohl die beiden vom Capo bezahlt worden waren, hatten sie den Auftrag nicht ausgeführt.

Den Ermittlern zufolge waren Walter Albi und Luca Cavallito am 1. August zu einem Treffen mit Natale Ursino verabredet. Um den Capo für den missglückten Auftrag zu entschädigen, wollten sie mit ihm ein einträgliches Geschäft abschließen. Anstatt Natale Ursino tauchte vor der Bar aber der vermummte Killer Cosimo Nobile auf und schoss auf die beiden Männer. Mehrere Nachrichten, die die drei vor dem Mord untereinander ausgetauscht hatten, sind Indizien für die Falle, in die Walter Albi und Luca Cavallito tappten. Obwohl der ’Ndrangheta-Capo weit von der Bar entfernt war, vor der die beiden Opfer saßen, tippte er die Nachricht „Ich komme“ in sein Smartphone. Dies geschah vermutlich, um es Cosimo Nobile zu ermöglichen, beide Männer zugleich „auszuschalten“.

Neben dem Fund des Helms und des Scooters, den Nobile für die Tat benutzt hatte, trug auch die Sicherstellung der Tatwaffe zur Aufklärung des Verbrechens bei. Natale Ursino und Cosimo Nobile wurden am Diensttag von der Polizei festgenommen.

Es waren insbesondere die Textnachrichten, die die Details der Vorgeschichte der Bluttat offenbarten. Der Ausgangspunkt der Vorgeschichte ist eine fehlgeschlagene Immobilieninvestition von Walter Albi. Es handelt sich um schwimmende Ferienhäuser, die im Touristenhafen von Pescara verankert sind. Der 66-jährige Architekt, der sich mit seinem Immobilienprojekt übernommen hatte und deswegen in finanzielle Nöte geraten war, hatte nach einer Geldquelle gesucht. Gegen ein üppiges Honorar hatte er sich gegenüber Natale Ursino dazu bereit erklärt, das Kokain von Südamerika nach Italien zu bringen.

Die beiden waren aber kläglich gescheitert. Ursino hatte in einer Nachricht Albi und Cavallito als „unfähig, von Pescara nach Split zu segeln“ bezeichnet. Nach dem Scheitern des geplanten Kokaintransports hatten Cavallito und Albi verzweifelt versucht, sich mit einem „Geschäft“ aus der Affäre zu ziehen. „Nimm mein Haus, es ist 400.000 Euro wert, nimm es und lass mich aussteigen“, hatte Luca Cavallito den ’Ndrangheta-Capo angefleht.

Abgesehen davon, dass aus seiner Sicht dieses „Angebot“ zu gering gewesen war, war es Natale Ursino nicht „nur“ um die Höhe der Entschädigungssumme gegangen. Weil Walter Albi und Luca Cavallito durch ihr Versagen auch das Ansehen und die Ehre des ’Ndrangheta-Capo und seines Clans befleckt hatten, sei den Ermittlern zufolge der Mord auch in Auftrag gegeben worden, um die „kriminelle Reputation“ der ’Ndrina der Ursino von Locri und Gioiosa Jonica wiederherzustellen.

Experten des Organisierten Verbrechens von Kalabrien betonen, dass ein Capobastone einer ’Ndrina der ’Ndrangheta geradezu dazu gezwungen ist, bei Versagen und Fehlverhalten ein hartes Exempel zu statuieren, um sowohl bei den Mitgliedern seines Clans als auch bei seinen „Geschäftspartnern“ sein Ansehen und seine Glaubwürdigkeit zu wahren.

Für „Versager“ kennt die ’Ndrangheta zumeist aber nur eine Strafe. Am Ende war aber die Polizei erfolgreich.

Von: ka