Von: ka
Lorenzago/Montebelluna – Während die Dolomiten andernorts, etwa auf der Seceda, in Villnöß, am Pragser Wildsee oder in Teilen der Belluneser Dolomiten, immer mehr zu einem „Luxus-Spielplatz unter freiem Himmel für Selfie-Touristen“ werden, gehen die beiden CAI-Sektionen von Lorenzago und Montebelluna bei der Neuerrichtung der Biwakschachtel Nuovo Bivacco Aldo e Miranda Vaccari einen völlig entgegengesetzten Weg. Das 15 Quadratmeter große Biwak in der Cuna del Cridola besitzt nur den allernotwendigsten Komfort.
„Hier gibt es keine Matratzen oder Decken und auch kein WLAN. Es ist kein cooler und kostenloser Ort für einen Urlaub, sondern ein Biwak, das als Ausgangspunkt für Bergtouren oder als zuverlässige Unterkunft im Notfall dienen soll. Die Wanderer und Bergsteiger sollen die Dolomitenberge wieder respektieren”, so das Credo der Bergbegeisterten aus Venetien. Der Nuovo Bivacco Aldo e Miranda Vaccari ist eine Mahnung an einen Tourismus, der dank der sozialen Netzwerke und eines immer leichteren Zugangs zu den Hochgebirgsregionen immer „unhöflicher” wird und von unvorbereiteten, oft störenden Besuchern geprägt ist.
Es ist zum Heulen. Von den Gipfeln des Lagorai über die heimischen Dolomitenberge bis hin zu den Türmen der Brentagruppe wiederholt sich dasselbe Szenario: Touristen in Flip-Flops begeben sich auf unwegsame Pfade, schießen Selfies in riskanten Posen vor der majestätischen Kulisse der von der UNESCO geschützten Gipfel und hinterlassen Müll, der die Wege, Weiden und Wälder verschandelt. Am Ende muss vielleicht sogar die Bergrettung ausrücken, um sie zu retten.
Selbst die Hütten sind vor diesen „Bergwanderern” nicht sicher. Einige nutzen sie als kostenlose Picknickplätze, indem sie aus dem Rucksack essen und stundenlang die Tische besetzen, ohne etwas zu konsumieren. Andere wiederum verlangen zum Ärger der Hüttenwirte Getränke und Speisen, wie sie sie aus dem Stadtleben kennen.
Anstatt diesen Touristen im Sinne einer „Sie wünschen, wir spielen”-Mentalität alles recht zu machen, gehen die beiden CAI-Sektionen von Lorenzago und Montebelluna bei der Neuerrichtung der Biwakschachtel Nuovo Bivacco Aldo e Miranda Vaccari in den östlichen Venetischen Dolomiten an der Grenze zu Friaul einen völlig anderen Weg. Das neue Biwak soll dazu einladen, über die wahre Bedeutung des Bergsteigens nachzudenken.
Am Sonntag, dem 20. Juli, wurde die neue Biwakschachtel eingeweiht. Sie thront auf 2.050 Metern Höhe in der Cuna del Cridola. „Sie wurde aus Modulen zusammengebaut, die zwischen Oktober und November mit dem Hubschrauber heraufgebracht wurden. Dabei wurde die alte Biwakschachtel abgebaut und eine neue errichtet. Um eine übermäßige Medienpräsenz – insbesondere in den sozialen Netzwerken –, die oft zu unüberlegten und übermäßigen Besuchen der Biwaks führt, zu vermeiden, wurde die Neuerrichtung weder beworben noch publik gemacht“, erklärt Emilio Fabbro, der Präsident der CAI-Sektion von Lorenzago.
Die Ausstattung der weniger als 15 Quadratmeter großen Biwakschachtel beschränkt sich aufs Allerwesentlichste. Das tonnenförmige Biwak ist mit Lärchenholz verkleidet, verfügt über 15 Zentimeter Isolierung und je ein kleines Fenster auf jeder Seite. Es ist so konzipiert, dass es widerstandsfähig ist und ohne Schnickschnack Platz bietet. „Im Sommer ist es kühl, weil es isoliert ist, während im Winter bei vier bis fünf Personen ein ‚Stalleffekt‘ zum Tragen kommt, der es ermöglicht, Wärme zu erzeugen“, so Emilio Fabbro. Bei der Ausstattung wurde bewusst auf Matratzen und Decken verzichtet. „Wir glauben, dass Bergwanderer erzogen werden müssen. Deutsche Wanderer reisen mit ihren eigenen Matratzen, italienische Wanderer sollten das auch tun“, so Fabbro gegenüber dem Corriere del Veneto.
Das Innere des Biwaks ist spartanisch, aber zweckmäßig. Eine Trennwand unterteilt den Raum in einen Schlaf- und einen Wohnbereich. Durch zwei Schiebetüren sind die Bereiche voneinander getrennt, sodass Stiefel, Rucksäcke und Ausrüstung am Eingang gelassen werden können, um im Inneren mehr Platz und Komfort zu haben. Außerdem gibt es einen Erste-Hilfe-Kasten, einen kleinen Tisch, ein Solarpanel, das zeitgesteuerte Leuchten mit Strom versorgt, sowie zwei USB-Ladegeräte für Mobiltelefone für Notfälle. „Ich habe sie aus Sicherheitsgründen installieren lassen, damit die Smartphones im Notfall aufgeladen sind und die Rettungskräfte verständigt werden können. Es gibt jedoch kein WLAN. Das Biwak bietet alles, was man braucht, aber nicht mehr. Wenn Bergsteiger in ein Unwetter oder einen Schneesturm geraten, finden sie hier einen einfachen, aber dennoch komfortablen Unterschlupf, der vom Duft der Lärchen durchdrungen ist“, freut sich der Präsident der CAI-Sektion von Lorenzago in Venetien.
Ein Problem des „Dolomiten-Overtourism der Hungerleider” ist, dass einige „Bergtouristen” Biwakschachteln, die eigentlich als Stützpunkt für anspruchsvolle Bergwanderungen und als Zufluchtsort für Notfälle gedacht sind, als kostenlose Ferienunterkünfte missbrauchen. „Es gibt Leute, die hochsteigen und sogar eine Woche lang bleiben, um kostenlos Urlaub zu machen. Einer von ihnen hat sogar die Bettwäsche draußen zum Trocknen aufgehängt“, erzählt Fabbro mit einem Hauch von Bedauern.
In einigen Dolomitengegenden wird das Biwak mittlerweile leider zunehmend als Urlaubsunterkunft für längere Aufenthalte missbraucht. „Der Zweck eines Biwaks ist es jedoch, einen Ausgangspunkt für anspruchsvollere Wanderungen zu bieten und im Notfall als Zufluchtsort sowie als Schutz vor einem Sturm zu dienen. Das ist seine Aufgabe, und unser Vaccari-Biwak erfüllt sie“, betont Fabbro.
Der Präsident der CAI-Sektion Lorenzago hofft, dass die drei Stunden Fußmarsch, die notwendig sind, um das Biwak zu erreichen, ausreichen, um „Gratisurlauber“ fernzuhalten.
„Eine Biwakschachtel ist kein kostenloser und cooler Ort zum Übernachten, sondern eine Notunterkunft. Sie ist für diejenigen da, die sie wirklich brauchen. Sie sollte sauber hinterlassen werden, der Müll muss mitgenommen und das Holz ersetzt werden. Das sind die goldenen Regeln – einfach und grundlegend –, die den Wanderer vom ‚Flegel‘ unterscheiden“, bekräftigt auch der Tourismusverband Tre Cime Dolomiti.
Südtirol und das Trentino teilen sich mit Venetien die Dolomiten, die zum UNESCO-Weltnaturerbe gehören. Sie sind dafür verantwortlich, diesen unschätzbaren Schatz zu schützen und einen bewussten und respektvollen Tourismus zu fördern. „Die Berge sind kein Einkaufszentrum, sondern eine empfindliche Naturumgebung, die Pflege, Aufmerksamkeit und einen bescheidenen Umgang erfordert. Die Berge sind nicht für jedermann geeignet. Man benötigt Vorbereitung und Wissen. Vor den Ausflügen muss man sich informieren, ob der Weg für erfahrene oder normale Wanderer geeignet ist“, meint der Präsident der CAI-Sektion von Lorenzago.
Das aktuelle Angebot umfasst Nachtleben und renommierte Berghütten, es gibt aber auch andere Möglichkeiten. „Es sind die spartanischen Biwaks, die zwar etwas schwieriger zu erreichen sind, wo man aber auch in Ruhe nachdenken und die Bergwelt erleben kann”, so Emilio Fabbro.
Die Idee hinter der Initiative des CAI von Lorenzago und Montebelluna mit dem Biwak Vaccari ist es, „ein vorbildliches Beispiel zu setzen, einen Schritt zurück von überflüssigem Komfort zu machen und zu den Ursprüngen zurückzukehren, um den Wert der Langsamkeit, der Anstrengung und der Stille wiederzuentdecken”.
Die dahinterstehende Aufforderung lautet, die Flip-Flops und die Ansprüche des Stadtlebens zu Hause zu lassen und stattdessen einen leichten Rucksack, feste Wanderschuhe sowie eine große Portion Respekt für die Dolomiten mitzubringen.
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