Gerichte versenken Entlassung und verfügen Wiederanstellung

Im Krankenstand am Meer: Arbeitgeber entlässt Angestellten

Donnerstag, 25. Januar 2018 | 08:01 Uhr

Rom – Ein Urteil des Kassationsgerichtshofs beschäftigt italienweit die Gemüter. Das Höchstgericht schloss einen durch mehrere Instanzen gehenden Fall ab und verfügte die Wiederanstellung eines entlassenen Angestellten, der im Krankenstand am Meer erwischt worden war. Der Angestellte, welcher sich wegen einer Knieverrenkung im Krankenstand befand, habe – so das Gericht – auf dem Strand nur „eine moderate physische Aktivität“ betrieben, was nicht unbedingt heiße, dass er erneut in den Arbeitsdienst eintreten könne. Er habe daher nicht den Arbeitgeber betrogen und müsse wieder angestellt werden, so die Höchstrichter.

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Der Rechtsstreit zwischen einem Autozulieferer und seinem Angestellten begann vor fast einem Jahrzehnt im Jahr 2010. Der Angestellte suchte wegen einer schweren Verrenkung seines Knies ein Krankenhaus in der Nähe von Salerno auf. Er lehnte aber eine stationäre Aufnahme und die von den behandelnden Ärzten vorgeschlagenen diagnostischen Untersuchungen ab und zog es vor, die Verrenkung zu Hause auszukurieren. Dann beschloss er, den Krankenstand den Ferien „anzuhängen“. Diese Praxis ist zwar nicht verboten, sorgte aber beim Arbeitgeber für erhebliches Naserümpfen. Als der Betrieb den Angestellten während des Krankenstandes zwischen den Wellen schwimmend am Meer erwischte, rang er sich zu einer drastischen Entscheidung durch und entließ den vermeintlich betrügerischen Arbeitnehmer.

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Laut Ansicht des Betriebs hatte der Arbeitnehmer aus Oberflächlichkeit und Leichtsinnigkeit den Genesungsprozess hinausgezögert. Wenn eine Person, so der Arbeitgeber, ans Meer gehen und sich seinen Freizeitbeschäftigungen widmen könne, hieße das, dass es ihm gesundheitlich gut gehe und er auch wieder zur Arbeit zurückkommen könne.

Der entlassene Angestellte ließ aber den Rausschmiss nicht auf sich sitzen und zog vor Gericht. Der Betrieb verlor hintereinander alle drei Runden. In der ersten Instanz verfügte das Gericht von Avellino die Wiederanstellung des Entlassenen. Auch das Berufungsgericht von Neapel gab dem entlassenen Angestellten recht. Das Kassationsgericht von Rom bestätigte die vorangegangenen Urteile und schloss den Fall mit seinem Urteilsspruch endgültig ab.

APA/APA (AFP)/ANDREAS SOLARO

Besonderes Gewicht maßen die Richter aller Instanzen dem Fakt zu, dass ihm sein behandelnder Arzt dazu geraten hatte, aus dem Haus und auch ans Meer zu gehen. Die Richter bemerkten in ihren Urteilen auch, dass zwischen dem Verweilen sowie „leichter physischer Aktivität“ am Strand und der Arbeit im Betrieb ein großer Unterschied bestehe. Daher könne der Arbeitgeber nicht behaupten, dass der sich im Krankenstand befindende Arbeitnehmer dazu  bereit sei, zum Arbeitsplatz zurückzukehren, nur weil er aus dem Haus und ans Meer gegangen sei. Zudem fördere der Aufenthalt am Meer die Genesung. Daher könne der Betrieb auch nicht sagen, dass der kranke Angestellte den Genesungsprozess verlangsamt habe.

Zudem liege die Beweislast nicht beim Arbeitgeber. Nachdem ein Arzt die „zeitweilige Arbeitsuntauglichkeit“ bescheinigt habe, sei es nicht Aufgabe des Arbeitnehmers, zu beweisen, dass er für die Arbeit zu krank sei. Wennschon sei es der Arbeitgeber, der beweisen müsse, dass sich der Arbeitgeber während des Krankenstandes nicht korrekt verhalten habe.

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Das Kassationsgericht verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung aller Prozesskosten, zu einer Entschädigung und dazu, dem Arbeitnehmer alle Monatslöhne, Beiträge und Abgaben, die seit der „ungerechten und unverdienten Entlassung“ angefallen waren, nachzuzahlen.

Das Urteil des Höchstgerichts fand sowohl Zustimmung, als auch herbe Kritik. Und was meinen unsere Leserinnen und Leser?

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Von: ka