Von: ka
Conegliano/Venetien – Der Prosecco – der bekannte, prickelnde, vorwiegend in der Gegend um Treviso gekelterte, italienische Schaumwein – erfreut sich weltweit immer größerer Beliebtheit. Jedes Jahr werden immer mehr Flaschen produziert und die Rebfläche wächst immer weiter. Aber es regt sich Widerstand. Überall schießen Komitees besorgter Bürger, die vor der Monokultur, der immer mehr wertvolle Landschaft geopfert wird, und dem hohen Einsatz von Spritzmitteln warnen, wie Pilze aus dem Boden.
Der Prosecco – der prickelnde italienische Schaumwein, wurde nach und nach zum Modegetränk und erfährt seit Jahren weltweit einen Boom, der im Anbaugebiet um Conegliano im Hinterland von Treviso die Kassen klingeln lässt. Die Zahlen sind beeindruckend. Jedes Jahr wurden bisher Steigerungsraten von fast 20 Prozent erzielt. Allein in Jahr 2016 wurden in der Doc-Zone(Doc, Denominazione d’origine controllata, kontrollierte Ursprungsbezeichnung, Anmerkung der Redaktion) mehr als 500 Millionen Flaschen Prosecco produziert und über 2,5 Milliarden Euro umgesetzt. Die Erzeuger – 13.500 einzelne Bauern und 1.380 Kellereien – sind mit der Entwicklung sehr zufrieden und freuen sich über sprudelnde Einnahmen. In Conegliano und Umgebung brach ein wahres „Prosecco-Fieber“ aus. Die Grundstückspreise schossen in die Höhe, sodass ein Hektar Reben kaum für weniger als eine Million Euro zu haben ist.
Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Anbaufläche stetig wächst und sich die Rebgüter von Conegliano aus immer weiter nach Westen in Richtung des Flusses Piave, nach Norden in die Provinz Belluno und nach Osten nach Friaul „fressen“.
Aber gegen die „Prosecco-Kolonisierung“ regt sich immer mehr Widerstand. Überall schießen Vereinigungen besorgter Bürger, die vor der Monokultur, der immer mehr wertvolle Landschaft geopfert wird, und dem hohen Einsatz von Spritzmitteln warnen, wie Pilze aus dem Boden. Angesichts der hohen Renditen, die der Anbau der Glera-Trauben – diese Traubensorte ist die Grundlage für die Prosecco-Herstellung – abwirft, befürchten die besorgten Bürger und Umweltschützer, welche sich bisher zu 18 Komitees zusammenschlossen, dass die Fläche vom Piave bis nach Friaul zu einer einzigen, großen Rebfläche wird. Diese Monokultur, so die Ansicht der Umweltschützer, sei der Tier- und Pflanzenvielfalt wenig förderlich und führe zu einem intensiven Einsatz von chemischen Schädlingsbekämpfungs- und Unkrautvernichtungsmitteln, welche wiederum für die Gesundheit der Bürger eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellen würden. Die zerstückelten Besitzverhältnisse würden es zudem umweltbewussten Bauern oftmals unmöglich machen, biologische Landwirtschaft zu betreiben. Die Pestizidschwaden, welche von den konventionell produzierenden Bauern verursacht würden, würden auch in ihre Güter wehen, was sie oft dazu zwinge, auch ihre Trauben als konventionell produzierte Ware abzuliefern.
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Ziel der Komitees ist, eine Einschränkung des „Rebenwildwuchses“ zu erreichen. In San Zenone degli Ezzellini in der Provinz Treviso gelang den Umweltschützern bereits ein erster Erfolg. Die Gemeinde beschloss, dass 15 Prozent des bebaubaren Grunds als offene Grünfläche erhalten bleiben müssen.
Die Produzenten hingegen winken ab. Innocente Nardi, Präsident des Docg-Konsortiums von Conegliano und Valdobbiadene, sprach von Fake News und wies darauf hin, dass laut der Zahlen der Gesundheitsbehörden das Gesundheitsrisiko der Bevölkerung im Anbaugebiet nicht höher sei, als das im Rest der Region Venetien. Er fügte hinzu, dass die Bauern schon seit Jahren nachhaltig produzieren würden. Im Rahmen dieses umweltschonenden Anbaus, so Nardi weiter, wurde auch das umstrittene, von der EU wieder zugelassene Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat, aus den Rebreihen verbannt. Auch den Vorwurf der Monokultur ließ Nardi nicht gelten. Er meinte, dass im Prosecco-Gebiet nicht mehr oder weniger Reben, als in anderen bekannten Weinbaugebieten existieren würden. Nardi betonte, dass laut den Zahlen der Forstbehörde im Schnitt auf einen Hektar Reben eineinhalb Hektar Wald kämen. Dies, so Innocente Nardi, sei auch notwendig, um die Entfaltung der Aromen der Glera-Trauben und damit die Qualität des Prosecco zu gewährleisten.
Diese Worte können die besorgten Bürger und Umweltaktivisten, welche fleißig eigene Recherchen betreiben, aber nicht beruhigen. Wie im oberen Vinschgau kommt es im „Prosecco-Land“ immer stärker zu einem Kräftemessen zwischen besorgten Bürgern sowie Umweltschützern auf der einen und dem mächtigen Konsortium der Prosecco-Produzenten auf der anderen Seite.
Wie im Vinschgau ist der Ausgang völlig offen.