Kleiner Absatz mit großer Wirkung

Neuer Gesetzentwurf: Abschied von der ehelichen Treue

Dienstag, 13. Dezember 2016 | 08:02 Uhr

Rom – Ein Gesetzesvorschlag, der vor zehn Monaten von mehreren Senatoren im Senat eingebracht wurde, hat das Zeug, das rechtliche Institut der italienischen Ehe von Grund auf zu revolutionieren, sollte er eines Tages wirklich in dieser Form zum Gesetz werden. Die Änderung besteht zwar nur aus einem kleinen Satz, aber die Wirkung wäre riesengroß.

Nach zurzeit gängigem italienischen Recht sind laut Artikel 143, Absatz zwei, beide Eheleute zur ehelichen Treue verpflichtet, wobei der betreffende Absatz in seiner deutschen Fassung folgendermaßen lautet: „Aus der Ehe entspringt die gegenseitige Pflicht zur Treue, zum geistigen und materiellen Beistand, zur Mitarbeit im Interesse der Familie und zum Zusammenleben“.

Nach bisheriger rechtlicher Praxis wird dem Ehepartner, der es mit der ehelichen Treue nicht so genau nimmt, im Falle einer Scheidung eine höhere Schuld zugewiesen, was eine ganze Reihe von ökonomischen Konsequenzen nach sich zieht. Bereits in der Vergangenheit hat der Kassationsgerichtshof in einigen wegweisenden Urteilen entschieden, dass die reine Nichteinhaltung der ehelichen Treue nicht zur automatischen Aufrechnung der Schuld eines Partners führt, und hat so diesen Passus des Gesetzes abgeschwächt.

Laut dem im Senat zu behandelnden Gesetzesvorschlag soll dieser Absatz nun ersatzlos gestrichen werden, weil er – so die Meinung der Erstunterzeichnerin, Senatorin Laura Cantini, und ihrer mitunterzeichnenden Senatskollegen – die Verpflichtung zur ehelichen Treue ein überholtes kulturelles Erbe der Vergangenheit sei und daher abgeschafft werden solle. Sie argumentieren auch, dass im sogenannten Cirinnà-Gesetz, das die Anerkennung von homo- und heterosexuellen Lebenspartnerschaften regelt, die Verpflichtung zur ehelichen Treue nicht mehr vorkomme und dass man dies auch im italienischen Zivilrecht einführen solle.

Dem erwidert der Präsident der italienischen Eherechtler, Gian Ettore Gassani, dass die Treue ein laizistisches Gut repräsentiere und wennschon für alle gelten müsse. Auch wenn die Sitten und Gebräuche der Italiener sich sehr stark verändert hätten, hätte man laut Gassani die Verpflichtung zur Treue auch für die gleichgeschlechtlichen Paare vorsehen müssen. Er erläutert zudem, dass die Treue den Hauptgrund darstelle, dass Paare zusammenbleiben und dass es gerade die Untreue sei, die in 60 Prozent der Fälle zur Trennung führe. „Ein solches Verhalten finde ich entmutigend. Die eheliche Treue kann nicht im Papierkorb landen, was auch von der Tatsache bewiesen wird, dass der Partner, der Opfer der Untreue wird, für den erlittenen moralischen Schaden eine Entschädigung verlangen kann“, erklärt Gian Ettore Gassani.

Und was meint ihr? Ist die eheliche Treue notwendig oder gehört sie als überholtes moralisches Relikt abgeschafft? Postet eure Meinung im Kommentarbereich!

Von: ka