Von: ka
Ostellato – Im Po-Delta, das derzeit vom Hochwasser heimgesucht wird, ist ein großes Pferdesterben im Gange. Seitdem vor drei Jahren ein Pferdestall in Konkurs gegangen ist, werden die Pferde nicht mehr mit Heu und Hafer versorgt. Seither ziehen die inzwischen halb verwilderten Tiere durch die Auwälder und Schilfgürtel des Po-Deltas. Nach und nach fielen aber mehr als die Hälfte der an das „freie Leben“ kaum gewöhnten Tiere Hunger, Krankheiten und nicht zuletzt Unfällen zum Opfer. Helfer und Pferdefreunde versuchen nun durch Futter und tierärztliche Versorgung, das Überleben der letzten 30 Stuten, Hengste und Jungtiere zu sichern.
Das letzte Opfer des Hungers war das erst wenige Monate alte weibliche Fohlen „Resilienza“. Vor ihr waren weitere fünf Tiere verendet. Ihre Gerippe waren in den Auwäldern, die die Arme des Pos säumen, gefunden worden. Zusammen mit weiteren rund siebzig Tieren hatten die Pferdeeltern von „Resilienza“ ursprünglich zu einem Reitstall in der Valle Lepri bei Ostellato – einer Gemeinde des Po-Deltas in der Provinz Ferrara – gehört. Als der Reitstall im Jahr 2015 in Konkurs ging, wurden die Tiere vom Betreiber „einfach vergessen“. Die nicht mehr mit Heu und Futtergetreide versorgten Pferde, die allesamt der Rasse Camargue angehören, suchten schon bald das Weite und zogen in die im Sommer üppigen Auwälder des Po-Deltas. Aber das Leben in „Freiheit“ forderte unter den Tieren, die bisher daran gewohnt waren, regelmäßig Heu und Hafer zu erhalten, viele Opfer. Obwohl es einigen Stuten und Hengsten gelang, sich in freier Wildbahn fortzupflanzen, sank nach drei Jahren die Anzahl der frei umherziehende Pferde auf rund 30 Tiere. Neben dem besonders in den Wintermonaten grassierenden Hunger forderten auch Krankheiten und Unfälle ihren Tribut. Eine besondere Gefahr stellen die vielen Entwässerungskanäle, die für die Pferde die einzige Trinkwasserquelle sind, dar. Viele der durstigen Pferde sind zu schwach, nach dem Trinken wieder die steile Böschung zu erklimmen, sodass sie im Entwässerungskanal elendiglich ertrinken müssen.
Aber für die letzten 30 Tiere gibt es nun Hoffnung. Leider kam sie für „Resilienza“ aber zu spät. „Resilienza“ wurde vor wenigen Tagen von Nicole Berlusconi – die Enkelin des ehemaligen italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi steht der Pferdeschutzvereinigung „Progetto Islander“ vor – aufgelesen. Auf Kosten von Nicole Berlusconi wurde das Fohlen mit einem speziellen Rettungstransportwagen in die Tierklinik von San Biagio bei Argenta gebracht. Aber alle Bemühungen der Veterinärmediziner waren vergeblich. „Resilienza“ erlag wie viele der anderen Pferde der Schwäche und den Krankheiten.
Aber die Bemühungen gehen weiter. Derzeit sind Freiwillige der Pferdeschutzvereinigungen „Progetto Islander“ und „Horse Angels“ dabei, das Überleben der verbliebenen drei Dutzend Tiere zu sichern. Leider wird deren Rettungsaktion vom andauernden Hochwasser – Südtirol News berichtete – behindert. Am Sonntag wurden vom Tiermediziner Giampaolo Maini mehrere Zentner Heu und Futtergetreide an die Pferde verteilt. Das reicht aber bestenfalls für eine Woche. Weiteres Futter sowie vor allem Medikamente, die die kranken Pferde entwurmen sollen, werden nötig sein, um das Überleben der Tiere zu sichern.
In der Zwischenzeit schalteten sich auch die Behörden ein. Am Montag verfügte der Bürgermeister von Ostellato, Nicola Marchi, die Verlegung der Pferde. Es wird aber nicht leicht sein, die mittlerweile verwilderten und sehr scheuen Pferde einzufangen und in ein Gehege zu sperren. Auch die Pferdevereinigungen blieben nicht untätig und reichten bei der Staatsanwaltschaft eine Eingabe ein. Ziel der Eingabe – so Nicola Marchi – ist es, die Besitzer der Pferde zu ermitteln und für die Vereinigungen das Sorgerecht für die übrig gebliebenen Tiere zu erlangen.
Für die Pferde gibt es Hoffnung. Aber der Preis für den vollen Magen ist der Verlust der Freiheit.