Von: ka
Scalenghe – Nach der Anfang dieses Jahres erfolgten Verabschiedung der Durchführungsverordnung für die Verwendung von Mehl aus Grillen als Lebensmittel für den Menschen durch die EU-Kommission will das Insektenzuchtunternehmen Italian Cricket Farm aus Scalenghe bei Turin voll durchstarten.
Das Unternehmen, das auf die Züchtung von Insekten für die Tierfütterung – insbesondere für Reptilien – spezialisiert ist, kündigte an, in wenigen Wochen Spaghetti, die neben Hartweizenmehl auch einen Anteil Grillenmehl enthalten, auf den Markt zu bringen. Italian Cricket Farm teilte mit, eigens für die Herstellung und Weiterverarbeitung von Grillenmehl eine neue Produktionslinie zu eröffnen. In Scalenghe glaubt man, dass die Nachfrage nach diesem besonders für Sportler geeigneten „Superfood“ bereits jetzt enorm sei.
Zusammen mit der Ankündigung des bekannten Turiner Bäckers Enrico Murdocco, ab Ende März seinen Kunden Brot, das einen Anteil von Grillenmehl – es handelt sich um Mehl aus getrockneten Grillen – enthält, anzubieten, teilte auch das Unternehmen Italian Cricket Farm mit, nur mehr auf die letzten Genehmigungen zu warten, um Spaghetti, die neben Hartweizenmehl auch einen Anteil Grillenmehl enthalten, auf dem Markt zu bringen.
Nach der Verabschiedung der Durchführungsverordnung durch die EU-Kommission, die seit Jänner 2023 die Verwendung von teilweise entfettetem Grillenmehl für Lebensmittel und Speisen wie Brot, Cracker, Grissini, Kekse, Riegel, Nudeln, Pizza, Chips oder Fleischersatzprodukte erlaubt, steht der Markteinführung von Spaghetti und Brotlaiben, die einen Anteil von Grillenmehl enthalten, nichts mehr im Wege.
Die von Italian Cricket Farm demnächst angebotenen „Grillenspaghetti“ sollen etwas dunkler als herkömmliche Nudeln aus Hartweizen, aber sichtbar heller als Vollkornnudel sein. Gleich wie das von Enrico Murdocco hergestellte „Grillenbrot“ wird auch den Nudeln, die einen Anteil Grillenmehl enthalten, ein leicht an Haselnüssen und Mandeln erinnernder Geschmack nachgesagt. Genauso wie der Bäcker aus Turin hält auch das Unternehmen Italian Cricket Farm den genauen Anteil von Grillenmehl in seinen „Grillennudeln“ geheim, aber es wird vermutet, dass die Nudeln zu vier Fünfteln aus Hartweizenmehl und zu einem Fünftel aus Grillenmehl hergestellt werden. Da das Grillenmehl sehr teuer ist, besteht abgesehen von der Kennzeichnungspflicht auch beim Preis keine Verwechslungsgefahr.
Bisher ist Italian Cricket Farm noch gezwungen, das Mehl aus Vietnam zu importieren, aber das im Jahr 2007 gegründete Unternehmen kündigte an, massiv expandieren und hohe Investitionen tätigen zu wollen.
„Da unsere Pasta viermal so teuer wie herkömmliche Nudelware ist, wird unsere Marke einen hohen Wiedererkennungswert haben. Das Mehl kostet etwa 30 Euro pro Kilogramm. Ob es Puristen nun gefällt oder nicht, ist es doch eine Tatsache, dass unser Mehl in Bezug auf Proteingehalt und Reinheit ein ökologisches Spitzenprodukt ist. Für die Ernährung von Sportlern eignet es sich definitiv besser als herkömmliche Mehle. Indem wir einen Preis berechnen, der auch dem echten Wert des Mehls entspricht, wollen wir dies auch unseren Kunden vermitteln. Derzeit verarbeiten wir täglich eine Million Grillen, aus denen wir Mehl für Tierfutter gewinnen. Nachdem Brüssel für die Verwendung von Grillenmehl als Lebensmittel grünes Licht gegeben hat, werden wir in eine neue Produktionsstraße investieren. Die Nachfrage in diesem Sektor explodiert geradezu“, erklärt der Geschäftsführer von Italian Cricket Farm, Ivan Albano.
„Grillenmehl besteht zu 100 Prozent aus getrockneten Grillen, die zu einem proteinreichen Pulver zermahlen werden. Grillen haben einen außergewöhnlichen Proteinwert von 69 Prozent. Im Gegensatz zu pflanzlichen Proteinen handelt es sich um hochwertige Proteine, die alle essenziellen Aminosäuren enthalten. Grillen sind eine reichhaltige Quelle für Ballaststoffe und Mineralien wie Kalzium und Eisen, Vitamin B12 – ein Vitamin, das bei vegetarischer und veganer Ernährung weitgehend fehlt – und Omega-3-Fettsäuren“, heißt es auf der Onlineseite des Unternehmens.
Ivan Albano glaubt an den Erfolg seines noch jungen Unternehmens. Besonders sportliche Menschen, aber auch andere Personen, die „auf eine hochwertige, bekömmliche und ausgewogene Ernährung Wert legen“, sollen in der Hoffnung des Geschäftsführers von Italian Cricket Farm Konsumenten dieses „Superfood“ werden.
Ob das gelingen kann, steht in den Sternen. Nach dem Bekanntwerden der Markteinführung von „Grillenbrot“ und „Grillennudeln“ schlägt sowohl dem Turiner Bäcker Enrico Murdocco als auch Italian Cricket Farm nicht nur Kritik, sondern regelrecht Wut und Hass entgegen. In den sozialen Netzwerken ist von „Verrat an der italienischen Kultur und an der italienischen Küche“ die Rede.
Die Ablehnung von aus Insekten hergestellten Lebensmitteln ist in vielen westlichen Ländern in der Tat noch immer groß. Laut einer aktuellen Umfrage von Coldiretti/Ixe’ lehnen 54 Prozent der Italiener und Italienerinnen Insekten auf dem Teller ab, nur 16 Prozent befürworten sie.
Einige Experten halten es aber durchaus für möglich, dass der Verzehr von aus Insekten hergestellten Lebensmitteln in Mode kommen könnte.