Von: ka
Trevignano Romano – Nach monatelangen Ermittlungen wurde gegen Gisella Cardia, die als „Seherin der Madonna von Trevignano Romano“ bekannt ist, vor Gericht Anklage wegen schweren Betrugs erhoben. Den Anschuldigungen zufolge sollen sie und ihr Ehemann Gianni bei den Gläubigen „die Angst vor einer imaginären Gefahr geschürt” haben, um sie für ihre betrügerischen Zwecke zu missbrauchen. Dies soll geschehen sein, indem das Paar Menschen mit körperlichen Gebrechen und psychischer Labilität ausgenutzt hat. Dazu hätten sie ein ausgeklügeltes System aus „Tricks, Täuschungen” und Betrügereien aufgebaut, um Anhänger anzulocken und Spenden zu erhalten. Die Ermittler glauben daher, dass der Glaube an die „Wunder und Erscheinungen” im Umfeld der „Blut weinenden Madonna von Trevignano” vor allem dem Zweck diente, den „Jüngern” das Geld aus der Tasche zu ziehen. Gisella Cardia und ihr Mann beteuern jedoch ihre Unschuld.

Gisella Cardia, die eigentlich Maria Giuseppe Scarpulla heißt, ist eine schillernde Figur. Wie die 53-jährige ehemalige Unternehmerin selbst erzählt, soll sie ihren Weg zum Glauben gefunden haben, nachdem sie im Jahr 2013 wegen betrügerischen Bankrotts zu einer später auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war.
Sie soll sich gerade auf dem Weg nach Medjugorje befunden haben, als die von ihr mitgetragene Marienstatue anfing, Blut zu weinen. In der Folge habe sie die Eingebung erhalten, eine große Kopie der Statue auf einem Hügel oberhalb des Braccianosees aufzustellen. Sie behauptete, am dritten Tag jedes Monats eine Botschaft von der Jungfrau Maria zu erhalten. Zudem versprach die „Seherin” den Gläubigen, Pizzen und Kartoffelnocken – kein Scherz – wie in der Bibel beschrieben Brote und Fische vermehren zu können.
Es dauerte nicht lange, bis der Hügel, auf dem die Statue aufgestellt worden war, zu einem Wallfahrtsort wurde. Die Tatsache, dass die Madonnenstatue einmal im Monat Blut weinte, beeindruckte die Pilger, die aus ganz Italien kamen, zutiefst. Während der Pandemie gesellten sich zu den Mariengläubigen, die das Wunder sehen wollten und sich von der Madonna Hilfe erhofften, „gläubige Impfgegner“ und Anhänger „alternativer Heilmethoden“ gegen Corona. Scarpulla behauptete nämlich, in direktem Kontakt mit der Jungfrau Maria zu stehen und von ihr den Auftrag erhalten zu haben, Botschaften für die ganze Menschheit zu sammeln.

Für weniger gläubige Menschen war jedoch offensichtlich, dass Scarpulla und ihr Ehemann Gianni Cardia um die „wundertätige Muttergottes von Trevignano“ nach und nach ein weitläufiges Geschäft aufgebaut hatten. Neben einer Website, auf der verschiedene Devotionalien wie Madonnenstatuetten und Anhänger gegen Geld verkauft wurden, gründeten die beiden auch eine gemeinnützige Organisation ohne Gewinnabsichten, eine Onlus, die fleißig Spenden sammelte, die angeblich für Arme bestimmt waren. Im Laufe der Monate und Jahre sollen Gläubige der Onlus Hunderttausende von Euro überwiesen haben.
Das Bild der frommen Frau bekam bald Risse. Böse Zungen wiesen darauf hin, dass Gisella Cardia weder das Vaterunser noch den Rosenkranz beten konnte. Die aus Sicht der „Seherin“ echten Probleme begannen jedoch, als ein Privatdetektiv gegenüber der zuständigen Staatsanwaltschaft von Civitavecchia angab, Beweise dafür zu haben, dass die Tränen, die einmal im Monat aus dem Gesicht der „Madonna von Trevignano“ fließen, Schweineblut seien. Zugleich setzte die Diözese Civita Castellana, zu der Trevignano Romano gehört, eine Kommission ein, um „die Phänomenologie der Geschehnisse, die sich seit einiger Zeit in Trevignano Romano ereignen, zu untersuchen“. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass es sich bei dem Wunder der blutigen Tränen und den Erscheinungen um nichts anderes als Erfindungen handelte. Trotz der negativen Beurteilung durch die katholische Kirche gelang es Gisella Cardia, weiterhin Gläubige an sich zu binden, da diese davon überzeugt waren, vor einer konkreten Möglichkeit der Heilung oder Besserung zu stehen.

Unterdessen ergaben die Analysen des bekannten Genetikers Emiliano Giardina, dass das Blut, von dem behauptet wurde, es sei von der Statue der „Madonna von Trevignano” getränt worden, von niemand anderem als Gisella Cardia selbst stammte. Zudem deckten die Ermittler der Staatsanwaltschaft von Civitavecchia angeblich viele Unregelmäßigkeiten auf, die auf betrügerisches Verhalten zulasten von gefährdeten Personen hindeuten sollen. Mehrere Jahre nach den angeblichen Erscheinungen mündeten die Vorwürfe in eine Anklage.
In der Anklageschrift betont der Staatsanwalt, dass Gisella Cardia und ihr Ehemann Gianni Menschen mit „körperlichen Gebrechen und psychischer Labilität” ausgenutzt haben sollen. Sie sollen bei den „Gläubigen Angst vor einer imaginären Gefahr geschürt” und dabei ein komplexes System aus „Tricks, Täuschungen” und Betrügereien aufgebaut haben, um „Anhänger anzulocken und sie zu Spenden zu bewegen”.
Gisella Cardia und ihr Mann beteuern jedoch ihre Unschuld. „Gisella Cardia nimmt die Anklage gelassen hin. Sie ist sich bewusst, dass dies ein wichtiger und notwendiger Schritt ist, um alle Aspekte der Angelegenheit, in die sie verwickelt ist, endlich vor den zuständigen Stellen zu klären. Meine Mandantin zeigt sich sogar erleichtert, da sie der Meinung ist, dass das Verfahren es ermöglichen wird, die Wahrheit klar und endgültig ans Licht zu bringen und damit den verzerrten Interpretationen, Spekulationen und Kontroversen ein Ende zu setzen, die sie in den letzten Monaten zu Unrecht beschäftigt haben“, kommentiert ihre Anwältin Solange Marchignoli die Anklageerhebung.
Sollten sich die gegen sie gerichteten Vorwürfe erhärten und Maria Giuseppe Scarpulla wegen schweren Betrugs verurteilt werden, könnte sie diesmal wirklich im Gefängnis landen. Ihr Mann könnte ihr Schicksal teilen. Eine andere Frage ist, ob die Opfer ihr Geld jemals wiedererhalten werden. In jedem Fall dürfte sich der Rummel um die Anbetung der „wundertätigen Muttergottes von Trevignano” langsam in Luft auflösen.






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