Überfüllung und Chaos, „Ticketsystem“ als Lösung? – VIDEO

Sirmione am Gardasee im Würgegriff des „Übertourismus“

Dienstag, 06. Mai 2025 | 07:02 Uhr

Von: ka

Sirmione – Die malerische Landzunge von Sirmione, die weithin sichtbar von der Südküste in den Gardasee ragt, gilt vielen Einheimischen und Touristen als der vielleicht schönste Ort am See. Das Städtchen mit der mächtigen Scaligerburg, den engen Gassen, den schönen Strandbädern und vor allem der römischen Villa der Grotten des Catull zieht Touristen aus nah und fern in seinen Bann.

Südtirol News/ka

Schade nur, dass Sirmione vor allem an Feiertagen und verlängerten Wochenenden eine Anziehungskraft entwickelt, die das Fassungsvermögen des mittelalterlich geprägten Städtchens und der gleichnamigen Landzunge bei weitem übersteigt.

Die Einheimischen sind daran gewöhnt, dass es an manchen Tagen in Sirmione richtig „voll“ ist, aber der Ansturm am 1. und 2. Mai war in diesem Ausmaß noch nie da gewesen, denn stundenlang war selbst das Durchkommen zu Fuß ein Kunststück. Seit Einheimische mit einer Eingabe an den Präfekten drohen und verärgerte Touristiker harsche Kritik an der Gemeindeverwaltung üben, wird in Sirmione über eine Lenkung der „Menschenströme“ nachgedacht. Einige fordern sogar die Einführung eines „Ticketsystems“ wie in Venedig.

Facebook/Sei di Sirmione se…/Gaetano Franchini

Am Freitagnachmittag war die von der Scaligerburg „bewachte“ schmale Brücke, die die Landzunge mit der „Insel“ von Sirmione verbindet und den einzigen Zugang zur Altstadt darstellt, fast zwei Stunden lang von Hunderten von Menschen blockiert. Besucher mussten bis zu 40 Minuten warten, um die Brücke passieren zu können. Während dieser Zeit spielten sich vor den Augen der Einheimischen und Touristen unglaubliche Szenen ab. Während Autos die Ein- und Ausfahrt versperrten, versuchten die Menschen, sich an ihnen vorbeizudrängeln, was unter anderem dazu führte, dass Anwohner und Beschäftigte nicht zur Arbeit oder nach Hause kamen.

Das Chaos löste eine heftige Debatte unter den Einwohnern, Geschäftsinhabern und auch Hoteliers aus, die unter dem buchstäblich verstopften Sirmione zu leiden hatten. Im Zentrum der Kritik standen die Gemeindeverwaltung und die ihr unterstellte Ortspolizei. Vor allem die Opposition ging mit der Stadtverwaltung hart ins Gericht.

„Das Chaos ist das Ergebnis einer unhaltbaren Planlosigkeit der Gemeindeverwaltung. Wir sind uns bewusst, dass das verlängerte Wochenende und der Brückentag einen außergewöhnlichen Ansturm begünstigt haben, aber das war vorhersehbar und man hätte anders handeln müssen. Die Gemeinde hat es versäumt, einen solchen Tagen angemessenen Organisationsplan mit präventiven Maßnahmen zu erstellen. Wir fordern den Bürgermeister auf, die Verantwortlichkeiten zu klären und Sofortmaßnahmen zu ergreifen, damit sich ähnliche Vorfälle nicht wiederholen“, fordert Gemeinderatsmitglied Roberto Campagnola von Insieme per Sirmione.

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Noch schärfer äußerte sich der ehemalige Bürgermeister Marcello Bertoldi. „Eine solche Situation hat es noch nie gegeben, es besteht die Gefahr, dass der Tourismus und die Gemeinde Schaden nehmen. Wir erwarten ein hartes Durchgreifen und den Rücktritt des Sicherheitsbeauftragten der Gemeinde“, so Marcello Bertoldi.

Der ehemalige Bürgermeister von Sirmione sagte, dass eine Gruppe von Bürgern über eine Eingabe an den Präfekten nachdenke. „Wenn der heutige Tag nicht in einer Tragödie geendet hat, dann nur durch Glück, und mit Glück geben wir uns nicht mehr zufrieden“, fügte Marcello Bertoldi hinzu.

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Auch die Direktion des bekannten Hotels Villa Cortine schaltete sich in die Angelegenheit ein, was sehr ungewöhnlich ist. Sie schickte eine E-Mail an die Gemeindeverwaltung, in der sie darauf hinwies, dass die Gäste, die das Hotel nur mit Mühe erreichen konnten, gelinde gesagt „sehr verärgert“ waren. Erst nachdem sie sich in die Schlange vor den Parkplätzen eingereiht hatten und noch mehr nervenaufreibende Wartezeiten über sich ergehen lassen mussten, wurden sie von Elektrofahrzeugen an ihr Ziel gebracht.

„Die langen Wochenenden belasten den Verkehrsfluss, deshalb waren zwölf Beamte der örtlichen Polizei im Einsatz, die von den Carabinieri unterstützt wurden. Es gab kritische Momente, die so schnell wie möglich gelöst werden konnten“, verteidigt sich Bürgermeisterin Luisa Lavelli. „Aber unsere Kräfte allein reichen nicht aus“, räumt die erste Bürgerin von Sirmione ein.

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In Sirmione wird die Kritik an der Stadtverwaltung als überzogen empfunden, da – so viele Stimmen – der übliche Besucherandrang in Sirmione mittlerweile Züge eines chronischen „Übertourismus“ angenommen habe. Inzwischen wird unter den Bürgern des malerischen Gardasee-Ortes die Einführung einer „Eintrittskarte für Sirmione“ nach dem Vorbild Venedigs diskutiert. Mit einem solchen Ticketsystem könnte man nicht nur kontrollieren, wie viele Besucher nach Sirmione kommen, sondern auch Parkplätze online reservieren und bezahlen. Für jede Konzerthalle und jedes Fußballstadion gilt ein Besucherlimit, warum nicht auch für einen kleinen Ort am Gardasee, fragen sich immer mehr Einwohner von Sirmione.

Facebook/Sei di Sirmione se…/Loredana Ravarotto

Sirmione und seine schöne Landzunge sind klein und die Einwohner sind sich bewusst, dass die Besucherkapazität von Sirmione begrenzt ist. Der „Übertourismus“ ist nicht nur wegen der Wartezeiten und anderer Unannehmlichkeiten eine Plage, die den Tourismus selbst in Verruf bringt, sondern vor allem auch ein Sicherheitsproblem. Wenn es zu einem medizinischen Notfall oder einem Verbrechen kommt, wer trägt die Verantwortung, wenn Menschen zu Schaden kommen?

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