35-Jähriger in letzter Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt – VIDEO

Tödliche Selbstjustiz: flüchtender 26-jähriger Albaner erschossen

Samstag, 12. Oktober 2019 | 08:05 Uhr

Serle – Nach mehreren Prozessen wurde im aufsehenerregenden Fall des getöteten Einbrechers von Serle vom römischen Kassationsgerichtshof das endgültige Urteil gefällt. Das Höchstgericht bestätigte das Urteil des Schwurgerichts und sprach einen 35-jährigen Mann schuldig, vor sechs Jahren nach einer regelrechten „Jagd“ einen Einbrecher erschossen zu haben. Der Mann wurde wegen vorsätzlichen Mordes zu neun Jahren Haft verurteilt. Während sich für den 35-Jährigen nun die Gefängnistüren öffnen, sorgt der Richterspruch in der italienischen Öffentlichkeit für rege Diskussionen.

Am Donnerstag erging das endgültige Urteil im aufsehenerregenden Mordfall von Serle. Die Urteile zweier Schwurgerichte bestätigend, sahen es die Richter des römischen Kassationsgerichtshofs als erwiesen an, dass der 35-jährige Mirko Franzoni den Einbrecher, der zuvor im Haus seines Bruders eingebrochen war, in einer Gasse des Dorfes gestellt und erschossen hatte. Als einzigen mildernden Umstand ließ das Gericht den damaligen Gefühlszustand des Zorns über den Einbruch gelten.

Es war der 14. Dezember 2013, als der 26-jährige Albaner Eduard Ndoj zusammen mit einem Komplizen in ein Haus in Serle – eine Gemeinde in der Val Sabbia bei Brescia – einbrach. Nachdem Mirko Franzoni von Nachbarn auf „verdächtige Geräusche“, die aus der Wohnung seines Bruders drangen, aufmerksam gemacht worden war, kehrte er zusammen mit Freunden gegen Abend in sein Heimatdorf zurück. In der Hoffnung, sie noch stellen zu können, machte er sich auf die Suche nach den Übeltätern. Um sich – so seine Angabe vor Gericht – gegen die mutmaßlich bewaffneten Einbrecher schützen zu können, führte er dabei ein Gewehr mit sich. Während es dem Komplizen des 26-jährigen Albaners gelang, im Wald zu verschwinden, hatte Eduard Ndoj nicht dasselbe Glück. Nach einer – so die Anklage – zweistündigen „Jagd“ wurde Eduard Ndoj von Mirko Franzoni in einer Gasse von Serle gestellt.

ANSA/FILIPPO VENEZIA

Der 35-Jährige beteuerte später den Carabinieri gegenüber und danach durch alle gerichtlichen Instanzen hindurch, dass Eduard Ndoj versucht hätte, ihm seine Waffe zu entreißen. Dabei – so Mirko Franzoni – hätte sich ein Schuss gelöst und den Albaner getötet. Die Gutachter der Anklage, denen alle Gerichte folgten, kamen aber zu ganz anderen Schlüssen. Nach einer regelrechten „Menschenjagd“ war Eduard Ndoj von Mirko Franzoni gestellt und mit einem gezielten Schuss getötet worden. Die Experten und Gutachter konnten später nachweisen, dass der Schuss auf Schulterhöhe – in der Position wie beim Schießen auf eine Zielscheibe – abgegeben worden war. Bevor er die Rettungskräfte verständigt und sich des Gewehrs entledigt hatte, hatte er nach dem Schuss vor dem im Sterben liegenden Einbrecher eine halbe Stunde gewartet. Zuletzt hatte er sich mithilfe seiner Freunde, Verwandten und mehrerer Dorfbewohner einen „ihm gewogenen Tathergang“ ausgedacht. Gegen den Vater, den Bruder und zwei Nachbarn des Verurteilten, die von den Richtern des „Schweigens“ und der „Irreführung der Ermittlungen“ beschuldigt werden, läuft noch immer ein Verfahren wegen Falschaussage.

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Das Höchstgericht bestätigte das Urteil des Schwurgerichts und verurteilte Mirko Franzoni zu einer Gefängnisstrafe von neun Jahren und vier Monaten. Zudem sprach das Gericht den Eltern und dem Bruder von Eduard Ndoj einen vorläufigen Schadenersatz von 125.000 Euro zu.

Während sich für den 35-Jährigen nun die Gefängnistüren öffnen, entfacht der Richterspruch in der italienischen Öffentlichkeit eine erneute Diskussion um Notwehr und Selbstjustiz. Dabei meinen nicht wenige Leser und Kommentatoren, dass diese Diskussion hier vollkommen deplatziert sei. Für Männer, die in der Nacht stundenlang durchs Dorf ziehen und dabei Richter und Henker spielen wollen, könne keine Notwehr gelten. Es handle sich dabei vielmehr um einen klaren Fall von Selbstjustiz, so diese Stimmen.

 

 

Von: ka