Von: ka
Dubino – Nachdem ein Wilderer in einer Wiese bei Dubino im Veltlin zwei streng geschützte Waldrapp-Ibisse getötet hat, herrscht unter Ornithologen und Wildtierschützern große Trauer und Bestürzung.
Doch der Täter konnte sich nicht lange über seine „Beute” freuen: Da die beiden Waldrapp-Ibisse Zoppo und Zaz im Rahmen eines länderübergreifenden Vogelartenschutzprojekts mit GPS-Sendern ausgestattet waren, war es ein Leichtes, den Täter zu überführen. Dem Wilderer, der angezeigt wurde, wurden im Rahmen einer Hausdurchsuchung alle Waffen beschlagnahmt und der Waffenpass samt Jagdschein entzogen. Auf ihn kommen nicht nur strafrechtliche Konsequenzen, sondern auch hohe Schadenersatzforderungen zu. Aus Sicht der Tierfreunde kann jedoch auch eine noch so harte Strafe die Trauer um den Verlust der beiden wertvollen Vögel nicht mildern.

Die Tat geschah am 16. Oktober im Gebiet von Dubino in der Provinz Sondrio. Den GPS-Daten zufolge waren Zoppo und Zaz erst seit rund einer Stunde in Italien, als ihnen die Schüsse eines Wilderers zum Verhängnis wurden. Zoppo und Zaz befanden sich gerade auf ihrer gewohnten Herbstwanderung in Richtung Toskana, wo sie in der Lagune von Orbetello überwintern wollten.
Sie waren in Österreich gestartet, hatten sich im Kanton Graubünden aufgehalten und eine Lücke gefunden, die es ihnen ermöglichte, die Alpenbarriere zu überwinden. Nachdem sie die Alpen in der Nähe des fast 3.000 Meter hohen Pizzo Gallagione, der die Grenze zwischen Italien und der Schweiz markiert, überquert hatten, flogen die Waldibisse über das Veltlin. In der Nähe von Dubino ließen sie sich auf einer Wiese nieder, um sich auszuruhen. Laut einer Rekonstruktion des Tathergangs hat der Wilderer die Tiere während dieser Flugpause entdeckt und erschossen.

Mithilfe der Daten aus den GPS-Sensoren konnten die Beamten der Forstabteilung der Carabinieri den Wilderer schnell ausfindig machen. Er wurde wegen der Tötung von Tieren und Wilddiebstahls angezeigt. Die beiden Vogelkadaver wurden zwar nicht gefunden, aber fünf Tage später entdeckten die Carabinieri die beiden GPS-Sender, die die Vögel getragen hatten.

Zoppo und Zaz waren mit Sendern ausgestattet, da sie an einem LIFE-Projekt der Europäischen Union zur Wiederansiedlung dieser Vogelart beteiligt waren. Das Projekt zielt darauf ab, diese seltene Waldrapp-Art vor dem Aussterben zu bewahren. Leider werden jedes Jahr viele dieser wertvollen Vögel erschossen. Schätzungen zufolge geht auf diese Weise jedes dritte Exemplar verloren, oft gerade auf italienischem Staatsgebiet.
Zoppo war der ältere der beiden Waldibisse. Er gehörte zu den ersten Vögeln des im Jahr 2004 ins Leben gerufenen LIFE-Projekts, das von der österreichischen Gruppe Waldrappteam Conservation and Research geleitet wird. Das österreichische Waldrappteam hat auch die geführte Migration mit Ultraleichtflugzeugen erfunden. Die in Gefangenschaft geborenen Vögel – eines der Zuchtzentren ist der „Parco Natura Viva” in Bussolengo in der Nähe von Verona, der einzige italienische Partner des Projekts – werden von „Ersatzmüttern”, also Forscherinnen, aufgezogen, solange sie noch Küken sind. Sobald sie ausgewachsen sind, werden sie auf ihrer ersten Wanderung von ihren „Adoptivmüttern” mit Ultraleichtflugzeugen begleitet. Nachdem die Ibisse die Route gelernt haben, können sie sie jedes Jahr selbstständig wiederholen. In freier Wildbahn zeigen Altvögel ihren jüngeren Artgenossen ebenfalls die Route und begleiten sie bei ihrer ersten Reise. So begleitete Zoppo den jungen Zaz auf seiner ersten Italienreise und wies ihm den Flugweg.

Die Tötung von Zoppo und Zaz ist ein schwerer Rückschlag für das LIFE-Projekt. „Diese brutale Tat hat nicht nur das Projekt um eines seiner ersten Waldibisse gebracht, sondern auch die große internationale Gemeinschaft, die seit Jahren seine Wanderungen verfolgte, zutiefst erschüttert. Obwohl bei jeder Wanderung zahlreiche Verluste, gerade aufgrund der Wilderei, zu verzeichnen sind, war das Projekt in der Tat von Erfolg gekrönt“, so Roberta Pieroni, Leiterin der Anti-Wilderer-Kampagne des italienischen Waldrappteams.

„Die Wilderei ist nach wie vor die größte Bedrohung für den Waldrapp“, bestätigt Johannes Fritz, Leiter des Waldrappteams. „Die Tötung von zwei Vögeln weniger als eine Stunde nach ihrer Ankunft in Italien ist eine schmerzhafte Erkenntnis darüber, wie sehr Wilderei die Artenvielfalt gefährdet. Sie mahnt uns, wie dringend dieses Verbrechen bekämpft werden muss“, fügt er hinzu.

Das Waldrappteam dankte den Carabinieri und den Verantwortlichen des Naturschutzgebiets Pian di Spagna e Lago di Mezzola, die bei den Ermittlungen mit den Carabinieribeamten zusammengearbeitet hatten. Bei dem als Täter identifizierten Mann wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei der Waffen, Munition und verschiedene digitale Geräte sowie Datenträger sichergestellt wurden. Außerdem wurde dem Wilderer, der Jäger war, der Jagdschein entzogen.

Er wird sich vor Gericht wegen der Tötung von Tieren und Wilddiebstahls verantworten müssen. Die beiden Tierschutzorganisationen ENPA und LNDC Animal Protection kündigten an, sich dem Justizverfahren als Zivilparteien anschließen zu wollen. Da im Rahmen des LIFE-Projekts der Europäischen Union zum Arterhalt der wertvollen und streng geschützten Waldrapp-Ibisse EU-Mittel geflossen sind, könnten im Falle einer Verurteilung – die aufgrund der erdrückenden Beweislast als höchstwahrscheinlich gilt – hohe Schadenersatzforderungen auf den Wilderer zukommen.
Aus Sicht der Tierfreunde können jedoch weder eine noch so harte Strafe noch ein noch so hoher Schadenersatz die Trauer um den Verlust der beiden wertvollen Vögel mildern.









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