Von: APA/dpa/Reuters
Die EU-Kommission hat am Dienstag grünes Licht für das Aus des gänzlichen Aus für neue Autos mit Verbrennermotor ab 2035 gegeben. Sie passte ihre Emissionsrichtlinien für die Autobranche an. Der österreichische Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sah zwar den richtigen Weg eingeschlagen. “Die Vorschläge (…) reichen jedoch nicht weit genug”, hieß es in einem Statement gegenüber der APA am Dienstagabend.
Die CO2-Flottenemissionen müssen nach den neuen Regelungen ab 2035 nur noch um 90 Prozent sinken, statt um 100 Prozent. Damit können auch danach noch neue Hybrid- oder Benzinautos oder Elektrofahrzeuge mit Benzingenerator an Bord, sogenannte Range Extender, zugelassen werden. Im Gegenzug müssen die Autobauer diese Emissionen durch den Einsatz von grünem Stahl aus der EU oder durch die Nutzung von CO2-neutralen Kraftstoffen wettmachen. Dazu zählen sogenannte E-Fuels.
Experten wie Ferdinand Dudenhöffer kritisierten in ersten Analysen allzu viele offene Fragen. Wenn man Technologieoffenheit wolle, handle es sich um einen sinnvollen Schritt, sagte der Wiener Automobiltechniker Bernhard Geringer zur APA. Es komme insgesamt aber noch auf die konkrete Ausformulierung der Bestimmungen an.
Wunsch wichtiger Staaten und heimischer Zulieferindustrie
Die EU-Kommission reagierte mit ihrer Abschwächung auf massiven Druck der Autobranche und von Mitgliedsländern wie Deutschland oder Italien. Aber auch die Zulieferindustrie in Österreich hatte sich stets für Lockerungen stark gemacht. Kfz-Industrievertreter sprachen am Dienstagabend dann auch von notwendigen Schritten seitens der Kommission, langjährige Forderungen seien “zumindest teilweise umgesetzt” worden.
Umweltschützer aus Österreich übten heftige Kritik übten. Auch EU-Politikerinnen und -Politiker von SPÖ, Grünen und NEOS verstanden die Kehrtwende nicht. Den freiheitlichen gingen die angekündigten Lockerungen nicht weit genug.
Ideologie-Kritik und Antriebstechnik
Während FPÖ-Europapolitiker Roman Haider etwa kritisierte, dass das “Verbrennerverbot de facto bestehen” bleibe und das Funktionieren der Branche wegen “ideologischer Verblendung” aufs Spiel gesetzt werde, forderte Kanzler und ÖVP-Chef Stocker im Zuge seiner Stellungnahme “echte Technologieneutralität”. Es gehe um Offenheit für technologische Neuerungen “anstatt uns selbst ideologische Verbote aufzuerlegen”, so Stocker.
Dudenhöffer sehr kritisch
“In Summe ist man nicht schlauer geworden”, kommentierte der deutsche Ökonom Dudenhöffer, Direktor von CAR (Center Automotive Research) in Bochum. Bei den Ansagen handle es sich um “ein Sammelsurium von Boni, Subventionen, Rechen-Tricks und Protektion”.
Die einzelnen Ansagen
Vom 100-Prozent-Reduktionsziel bei CO2 wird Abstand genommen. Künftig soll es Ausnahmen geben, wonach nur noch bis zu 90 Prozent CO2 im Vergleich zum Basisjahr 2021 eingespart werden müssen. Voraussetzung ist, dass der CO2-Ausstoß durch die Verwendung von umweltfreundlichem Stahl und mehr klimafreundlicheren Kraftstoffen ausgeglichen wird. Nach Angaben der Kommission sollen die Ausnahmen für alle Autos gelten, die Hersteller nach 2035 auf den Markt bringen wollen.
EU-Parlament und -Staaten am Zug
Nun müssen sich das Europaparlament und die EU-Staaten mit den Vorschlägen beschäftigen. Sie bewerten die Reform und können Änderungen vornehmen. Beide Institutionen können das Vorhaben also noch abschwächen oder verschärfen. Dass keine Aufweichung erfolgt, gilt als unwahrscheinlich. Am Ende ist eine ausreichende Mehrheit in beiden Institutionen erforderlich.
Biokraftstoffe und E-Fuels
Künftig sollen durch Biokraftstoffe und E-Fuels Emissionen ausgeglichen werden. Bereits jetzt wird Biokraftstoff Benzin beigemischt und als E10 verkauft. Durch höhere Beimischungsquoten von etwa aus organischen Abfällen hergestellten Biokraftstoffen können die CO2-Emissionen des bestehenden Verkehrs gesenkt werden. Eine besondere Rolle für Autos, die ausschließlich mit klimafreundlich hergestellten E-Fuels betankt werden können, soll es nicht geben.
Dienst- und Firmenwagen sollen grüner werden
Die EU-Kommission wird Vorgaben machen, wie groß der Teil von klimafreundlichen Fahrzeugen in Dienst- und Firmenwagenflotten je nach Mitgliedsland sein soll. Betroffen sind den Plänen nach Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden und mehr als 50 Millionen Euro Umsatz. Die Kommission betont, dass ein großer Vorteil sei, dass diese Fahrzeuge viel schneller auf den Gebrauchtwagenmarkt kommen und somit normalen Verbraucherinnen und Verbrauchern zugänglich gemacht werden.
Förderung bezahlbarer E-Autos
Automobilhersteller sollen von sogenannten Super-Gutschriften profitieren können, wenn sie kleine, erschwingliche Elektroautos in der EU bauen. “Dies wird Anreize für die Markteinführung weiterer kleiner Elektrofahrzeugmodelle schaffen”, so die Kommission. Als Größengrenze nannte die Brüsseler Behörde eine Länge von bis zu 4,2 Metern. Weitere Anreize – die zum Kauf solcher Autos motivieren sollen – können die EU-Mitgliedstaaten und lokale Behörden entwickeln.




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