Von: ka
Rom/Brüssel – In einer diplomatischen Wendung, die die europäische Politik erschüttert, hat sich die italienische Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni entschlossen, Belgien in dessen Ablehnung des EU-Plans zu unterstützen. Dieser sieht vor, 210 Milliarden Euro an eingefrorenen Vermögen der russischen Zentralbank als Sicherheiten für neue Kredite an die Ukraine zu verwenden.

Diese Kehrtwende, über die das Magazin Politico exklusiv als Erstes anhand eines zugespielten internen Dokuments berichtet hat, ist ein mutiger Schritt für die italienische Regierung. Italien steht unter den großen europäischen Ländern der Trump-Administration am nächsten und bricht die Front der „Falken” auf.
Hintergrund ist nicht nur die Meinung vieler Finanzexperten, die den EU-Plan für „illegal” halten, sondern insbesondere auch die Tatsache, dass dieses russische Staatsvermögen Teil des US-Friedensplans ist und nicht für den Krieg, sondern für den Wiederaufbau des Landes verwendet werden soll.

Laut dem von Politico zitierten Dokument greift Rom – das drittgrößte EU-Land hinsichtlich Einwohnerzahl und Stimmgewicht – wenige Tage vor dem für den 18. und 19. Dezember geplanten entscheidenden Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs im Streit um russische Vermögenswerte in Brüssel ein. Dieser Schritt untergräbt die Hoffnungen der Europäischen Kommission, eine Einigung über den Plan zu erzielen und russische Reserven im Wert von mehreren Milliarden, die zum Großteil bei der Bank Euroclear in Belgien hinterlegt sind, zur Unterstützung der ukrainischen Wirtschaft freizugeben.

Italien hat gemeinsam mit Belgien, Malta und Bulgarien ein Dokument verfasst, in dem die Kommission aufgefordert wird, alternative Optionen zu prüfen. „Wir fordern die Kommission und den Rat auf, weiterhin alternative Optionen im Einklang mit dem EU- und dem Völkerrecht zu prüfen und zu erörtern, die vorhersehbare Parameter aufweisen und mit deutlich geringeren Risiken verbunden sind, um den finanziellen Bedürfnissen der Ukraine auf der Grundlage eines EU-Kreditmechanismus oder von Überbrückungslösungen gerecht zu werden“, heißt es in dem von Politico veröffentlichten Text.

Diese Alternativen beziehen sich auf einen „Plan B“: die Ausgabe gemeinsamer EU-Anleihen zur Finanzierung der Ukraine in den kommenden Jahren. Wie Politico jedoch anmerkt, ist diese Idee nicht ohne Hindernisse. Einerseits würde sie die ohnehin schon hohe Schuldenlast von Ländern wie Italien und Frankreich weiter erhöhen. Andererseits würde sie Einstimmigkeit erfordern und wäre somit dem Veto des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ausgesetzt, zu dem Giorgia Meloni jedoch ein ausgezeichnetes Verhältnis unterhält. Zudem wird die Ausgabe einer gemeinsamen EU-Anleihe aus politischen Gründen – es wäre eine gemeinsame Aufnahme durch die EU-Staaten – unter anderem von Deutschland abgelehnt.

Hintergrund der diplomatischen Wende Italiens sind die tiefen rechtlichen Zweifel, die nicht nur die Europäische Zentralbank, sondern auch viele internationale Finanzexperten hegen. Sie sind der Meinung, dass die Verwendung von eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank als Sicherheit für neue Kredite an die Ukraine einem „Diebstahl” von Zentralbankvermögen gleichkäme. Dies wäre vollkommen illegal und würde, so die Kritiker, der Glaubwürdigkeit des EU-Raums als sicherer Hort für Investitionen schweren Schaden zufügen. Im Falle schwerer Turbulenzen – etwa durch internationale Klagen und die Beschlagnahme von Vermögen durch Russland – wären vor allem hoch verschuldete Staaten wie Italien betroffen, so lautet die Befürchtung in Rom.

Noch schwerer wiegen jedoch die politischen Konsequenzen für das transatlantische Verhältnis. Die Euro-Staaten würden den Konflikt mit Russland ausgerechnet in einem Moment verschärfen, in dem der wichtigste Verbündete der EU, die USA, an einer Lösung des russisch-ukrainischen Kriegs arbeitet. Moskau wirft Brüssel vor, den Krieg zu schüren, indem es den Weg zur Aufhebung der Sanktionen gegen Russland, zur russisch-amerikanischen Annäherung sowie zu bestimmten Punkten des Friedensplans von Donald Trump erschwert.

Eine Einigung innerhalb der EU über russische Vermögenswerte hätte die laufenden Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine noch komplizierter gemacht. „Es gibt zwei Dinge, die nicht gleichzeitig geschehen können: Dass Europa das Reparationsdarlehen für die Ukraine vorantreibt und dass sich Russland und die Ukraine auf ein Friedensabkommen einigen. Die russischen Vermögenswerte, die das Darlehen absichern, sind Teil der Verhandlungen. Der EU-Plan würde nur dann jemals umgesetzt werden, wenn es zu keiner Einigung käme. Seid vorsichtig mit euren Wünschen!”, betont der angesehene Wirtschaftsjournalist Wolfgang Münchau.

Unter den großen europäischen Ländern steht Italien der Trump-Administration am nächsten. Die USA betrachten den Plan der EU-„Falken“, eingefrorenes russisches Staatsvermögen als Sicherheit für neue Kredite an die Ukraine zu verwenden, äußerst kritisch, da dessen Umsetzung Trumps Friedensbemühungen zunichtemachen würde. Zwei Tage vor dem Gipfel steht die EU vor einer Zerreißprobe, denn mit Italien hat sich ein Schwergewicht dem Lager der Skeptiker angeschlossen.




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