Italienische Behörden hatten „Familie nicht ausreichend geschützt“

Überraschender Richterspruch: Europäischer Gerichtshof verurteilt Italien

Freitag, 03. März 2017 | 08:12 Uhr

Straßburg – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat heute ein aufsehenerregendes Urteil gefällt und Italien wegen Unterlassung der Verpflichtung seine Bürger zu schützen, verurteilt.

Das hohe Gericht fällte das Urteil, weil Italien eine rumänische Staatsbürgerin, Elisaveta Talpis, die von ihrem Mann fortdauernd geschlagen und misshandelt worden war, nicht vor ihm schützen und ihr keine genügende Sicherheit garantieren konnte. Am Höhepunkt eines Streits hatte der Mann im Jahr 2013 seinen eigenen 19-jährigen Sohn, der seine Mutter vor den Fausthieben des gewalttätigen Alkoholikers schützen wollte, mit einem Messer getötet und seine Frau lebensgefährlich verletzt.

Twitter/CorteEuropea
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Der Mann war in der Folge von einem italienischen Gericht zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Elisaveta Talpis hatte sich damit allein aber nicht zufriedengegeben und hatte am 23. Mai 2014 bei der Europäischen Menschenrechtskonvention einen Rekurs eingereicht. Sie hatte darin vom italienischen Staat ein Eingeständnis seiner Schuld verlangt, weil die italienische Justiz und Polizei ihre Anzeigen wegen häuslicher Gewalt nicht ernst genommen hatten.

Laut ihrer Eingabe hatten die italienischen Behörden unangemessen auf ihre Anzeigen wegen häuslicher Gewalt gegen ihren Mann – einem oft betrunkenen moldawischen Maurer – reagiert und ihr faktisch Maßnahmen zu ihrem Schutz verweigert. Bei ihrer ersten Anzeige im Jahre 2012 hatte die herbeigerufene Polizei nur die Trunkenheit des Mannes und die Verletzungen der Frau protokolliert, aber anschließend keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Ein weiteres Mal hatten die Beamten den Mann mit einem Messer angetroffen und dies ebenfalls nur schriftlich festgehalten. Im September hatte Elisaveta Talpis ihren Mann wiederum wegen häuslicher Gewalt angezeigt und hatte von den Behörden dringend Schutzmaßnahmen für sich und ihre zwei Kinder gefordert. Aber auch diesmal war nichts geschehen und der Antrag der Frau war im August 2013 sogar archiviert worden. Mehrere Monate später war es zur abscheulichen Bluttat gekommen. Ihr Mann, der wegen Trunkenheit in eine Klinik eingeliefert worden war, war noch in der Nacht entlassen worden. Als er wieder zu Hause angekommen war, hatte er ein Messer gezogen und war damit auf Elisaveta Talpis losgegangen. Im Handgemenge hatte er seinen 19-jährigen Sohn, der sich schützend vor seine Mutter gestellt hatte, getötet und Elisaveta Talpis, die er bis auf die Straße verfolgt hatte, lebensgefährlich verletzt.

Twitter-CorteEuropea
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Die Richter des Europäischen Gerichtshofs gaben nun Elisaveta Talpis recht und verurteilten Italien, weil die italienischen Behörden untätig gewesen waren und auf den Anzeigen der Frau keine Maßnahmen gefolgt waren, sodass die Gewalttaten sich immer wieder wiederholen konnten, infolgedessen es am Ende zum Tod des 19-Jährigen und zur schweren Verletzung der Frau gekommen war.

Das Gericht verurteilte Italien wegen Verstoßes gegen den Artikel 2 (Recht auf Leben), Artikel 3 (Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) und Artikel 14 (Verbot von Diskriminierung) der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu einer Zahlung von 30.000 Schmerzensgeld und 10.000 Euro Anwaltskosten an die Frau.

Wird innerhalb der nächsten drei Monate kein Rekurs eingereicht, ist das Urteil rechtskräftig und Elisaveta Talpis wird die Summe überwiesen.

Von: ka