Umbrische Züchter klagen über häufige Wolfsrisse – VIDEO

Von Wölfen umzingelt: „Wir haben Angst und müssen unsere Tiere bewachen“

Dienstag, 15. Juni 2021 | 07:27 Uhr

Monteleone di Spoleto – Monteleone di Spoleto gehört zu den malerischsten Orten der mittelitalienischen Region Umbrien. Das Höhenklima und die ausgedehnten Weiden bieten den Rinder-, Schaf- und Pferdezüchtern ausgezeichnete Bedingungen – wenn da die Wölfe nicht wären. Die großen Raubtiere zieht es von den Bergen des Apennins immer häufiger ins Tal, um auf den Weiden und manchmal sogar in den Ställen wertvolle Nutztiere zu reißen. Die Bauern sind ratlos.

ANSA/GIANLUIGI BASILIETTI

„Wir sind umzingelt, und wir erzählen sicher keine Witze“, so Giada, eine junge Züchterin aus dem Valnerina-Tal. Die 20-jährige Frau, die zusammen mit ihrem Verlobten Angelo und den Schwiegereltern einen auf rund 1.000 Metern Seehöhe gelegenen Zuchtbetrieb bewirtschaftet, liebt ihre Arbeit auf dem Hof, die sie als ihre Berufung ansieht. „Das Leben hier ist frei und schön“, so Giada.

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Die ländliche Umgebung von Monteleone di Spoleto bietet mit seinen ausgedehnten Weiden eigentlich alles, was Pferde- und Rinderzüchter brauchen, aber gleich wie die Bauern der anderen Höfe leidet auch Giadas Betrieb unter den immer häufiger werdenden Wolfsrissen.

„Gerade am Morgen vor einigen Tagen sahen wir sie den Bergrücken entlang laufen. Es waren vier Wölfe, die sich im Graben versteckten und auf den richtigen Moment zum Angriff warteten“, so Giada, die nachdenklich aus dem Fenster schaut und auf den Bergrücken zeigt.

Aufgrund der sich mehrenden Risse sind Giada, ihre Schwiegermutter Giuseppina und die Männer des Hauses dazu gezwungen, ihre Tiere ständig zu überwachen. Dazu gehören auch Patrouillen in der Nacht und Kontrollen in den Ställen, die alle paar Stunden wiederholt werden müssen. „Früher sind wir immer zu Fuß gegangen, aber jetzt habe ich Angst und gehe nicht mehr mit. Giada benutzt für ihre Kontrollfahrten das Auto“, betont Giuseppina.

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Die Angriffe auf den Viehbestand nehmen Giada, ihren Verlobten und die Schwiegereltern auch emotional sehr mit. Es sind aber besonders die finanziellen Verluste, die schmerzen und in der Summe auch den Betrieb gefährden können. „Bei uns wartet man ein ganzes Jahr auf die Geburt eines Fohlens oder Kalbes. Es handelt sich dabei um Tiere, die 1.700 bis 1.800 Euro kosten können. Mit ihrem Tod verlieren wir nicht nur den Wert der einzelnen Tiere selbst, sondern auch die Einkünfte, die sie im Laufe ihrer Lebensjahre auf dem Hof erzielt hätten. Allein im Jahr 2020 gingen mindestens zehn Stück Vieh verloren, wobei allein in Monteleone etwa 20 Wolfsangriffe gezählt wurden“, erläutert Giada.

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„Ich bin unter den Tieren aufgewachsen und das ist meine Welt, aber so haben wir keine Zukunft. Nachts sind wir mit meinem Freund dazu gezwungen, die Stuten zu überwachen, die in dieser Zeit gebären. Eines Abends sahen wir vier Wölfe. Sie waren in die Koppel der Pferde eingedrungen und wollten sie töten“, erzählt Giada.

Sich gegen die Wölfe zu wehren, erweist sich als schwierig. „Um die Wölfe fernzuhalten, haben wir auch Zäune aufgestellt. Da sie sich unter das Netz durchgraben, erreichen sie die Weidetiere aber trotzdem“, so Giuseppina.

lpa/Amt für Jagd und Fischerei

Einem anderen jungen Bauer aus der Gegend, Paolo Peroni, rissen die Wölfe in einem Jahr nicht weniger als 16 Schafe. „Viele von ihnen waren trächtig und deshalb ging nicht nur das Mutterschaf, sondern auch das Lamm verloren. Der reine wirtschaftliche Schaden beträgt mindestens 2.000 Euro. Schwer wiegt aber, dass der Verlust von 16 Tieren sich auf lange Sicht negativ auswirkt. Wir arbeiten daran, mit den zuständigen Behörden nach einer Lösung zu suchen. Zwischen der Pandemie, dem Erdbeben und jetzt den Wölfen wird es hier immer schwieriger, einen Zuchtbetrieb zu führen“, meint Paolo Peroni. „Es ist eine Katastrophe. Selbst die Hunde können sie nicht fernhalten“, pflichtet ihm Domenico bei.

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Überraschenderweise sind sich trotz der Angst und der Schäden die angesprochenen Bauern darin einig, dass die Wölfe nicht getötet werden sollen. „Aber eine Lösung muss sofort gefunden werden. Eine könnte sein, dieses Rudel einzufangen und es weit weg von hier zu bringen“, meinen die Züchter einhellig. „Die Wölfe zu schützen ist gut und recht, aber dann muss auch für deren Lebensunterhalt weiter oben auf dem Berg, ihrem eigentlichen Lebensraum, gesorgt werden. Ansonsten ist es normal, dass sie ins Tal hinuntersteigen. Es müssen finanzielle Mittel bereitgestellt und es darf nicht die ganze Last auf uns abgewälzt werden“, unterstreicht Giada.

Eines Nachmittags sah Giada, wie der Wolf nur wenige Schritte von ihr entfernt mit ihrem Hund kämpfte. Kurz danach erfolgte der Angriff im Stall, wo ein neugeborenes Fohlen zerfleischt wurde. Um sie nicht weiter aufzuregen, musste die Stute sofort weggebracht werden. „Ich habe dieses Leben in den Bergen frei gewählt und ich möchte nicht dazu gezwungen werden, es aufzugeben“, so die traurigen Worte der jungen Züchterin.

Angesichts der existenzgefährdenden Wolfsangriffe und der Anziehungskraft, die hilflose Weidetiere auf die Raubtiere ausüben, werde man – so sich mehrende Stimmen in Umbrien – kaum darum herumkommen, die Wolfspopulation zu verringern.

Von: ka