Von: mk
Aosta – Es sieht nicht gut aus für die Alpengletscher in diesem Jahr: Das legt der Gletscherschwundtag nahe, der heuer bereits Ende Juni/Anfang Juli stattgefunden hat. Dabei handelt es sich um den Tag, an dem der Winterschnee geschmolzen ist und es an die Substanz der Gletscher geht. Selbst ein kalter August könnte kaum noch etwas ändern – und wie es aussieht, purzeln in diesem Monat neue Hitzerekorde.
Auf Gletschern im Aostatal in Italien werden teils Temperaturen von 20 Grad gemessen. Das Eis schmilzt auf einer Höhe von 2.700 Metern im Rekordtempo. Schmelzwasser sammelt sich unter der Schneedecke und fließt in Strömen den Felsen hinunter.
“Früher lag der Gletscherschwundtag eher Ende August/Anfang September, aber das haben wir in den vergangenen 20 Jahren schon nicht mehr erlebt”, sagt Gletscherforscher Andreas Bauder von der ETH Zürich. Die Situation dürfte in den gesamten Alpen ähnlich sein.
Mit dem Klimawandel gab es seit mehr als 20 Jahren in der Schweiz kein Jahr mehr mit Gletscherwachstum. Nach Angaben des Gletschermessnetzes Glamos hat sich das Volumen seit 1950 praktisch halbiert, von 92,3 auf 46,5 Kubikkilometer im vergangenen Jahr.
Mancher Laie ist angesichts des kühlen und vielerorts regnerischen Julis auch in den Alpen verwundert. Im Juli war der Schaden aber bereits angerichtet, wie Bauder erklärte. Der Gletscherschmelztag kam deshalb so früh, weil im Winter Schneemangel herrschte. Nun scheint der August das Fass zum Überlaufen zu bringen – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Video von ”Meteo Valle d’Aosta” führt den Ernst der Lage vor Augen (siehe unten).
Die Bilder aus dem oberen Valpelline-Tal am Fuße des Gletschers Tsa de Tsan sind alarmierend. In der Nähe der Aosta-Hütte auf 2.700 Metern wurden 20 Grad Celsius gemessen, während Wasserfälle aus dem Gletschereis strömten. „Diese Bilder sind beeindruckend“, kommentiert Meteo Valle d’Aosta. Sie zeigen deutlich die verheerenden Auswirkungen der Hitze auf die Eismassen.
Die sogenannte Nullgradgrenze wurde auf eine Höhe von bis zu 5.000 Metern angehoben. Das bedeutet, dass selbst die höchsten Gipfel und Gletscher den aktuellen Schmelztemperaturen ausgesetzt sind. Bereits am Tag zuvor wurden Rekordtemperaturen verzeichnet.
Nach einem Juli, den viele als kühl wahrgenommen haben, der aber nur 0,4 Grad unter dem historischen Durchschnitt lag, wird die Sonne in den kommenden Tagen die absolute Vorherrschaft übernehmen – auch in der Höhe. Laut Prognosen von Meteorologen wird die Hitzewelle schätzungsweise bis zum 18. oder 20. August anhalten. Die Temperaturen sollen demnach acht bis zehn Grad über dem Durchschnitt liegen. Die Nullgradgrenze wird sich voraussichtlich auf einer Höhe zwischen 4.500 und 5.000 Metern einpendeln.
Daten vom Samstag unterstreichen die Dramatik der Lage. Am Plateau Rosa auf 3.500 Metern reichten die gemessenen Temperaturen von 5,9 bis 12,6 Grad Celsius. Zum Vergleich: Die Durchschnittswerte für diesen Zeitraum liegen auf dem Gletscherfeld an der schweizerisch-italienischen Grenze bei Zermatt bei -1,8 bis +3,8 Grad. Die aktuellen Temperaturen auf 3.500 Metern entsprechen damit den Normalwerten für eine Höhe von 2.500 Metern – also 1.000 Meter tiefer.
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