Beamte der Justizwache Einsatzgruppe eskortierten 15-Jährigen

15-jähriger IS-Anhänger mit Anschlagsabsichten verurteilt

Freitag, 01. August 2025 | 15:41 Uhr

Von: apa

Ein aus Sicht der Staatsanwaltschaft ungeachtet seines fast noch kindlichen Alters gefährlicher Anhänger der radikalen Terror-Miliz “Islamischer Staat” (IS) ist am Freitag am Wiener Landesgericht zur Verantwortung gezogen worden. Der 15-jährige Schüler wurde wegen terroristischer Vereinigung, krimineller Organisation und Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Davon wurden acht Monate unbedingt ausgesprochen. 16 Monate bekam der bisher unbescholtene und weitgehend geständige Jugendliche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Bewährungshilfe wurde angeordnet, der 15-Jährige wurde außerdem per Weisung verpflichtet, ein bereits angelaufenes Deradikalisierungsprogramm fortzusetzen.

Er war mit dem Urteil ebenso einverstanden wie der Staatsanwalt. Die Entscheidung ist somit rechtskräftig. Da dem Schüler die U-Haft auf den unbedingten Strafteil angerechnet wird, muss er noch rund drei Monate im Gefängnis verbringen. Eine Lehrplatzzusage für Mitte August, die seine Verteidigerin vorlegte, ist damit vorerst obsolet.

Hinweise aus Schule führten zu Festnahme

Der 15-jährige IS-Anhänger war am 7. März festgenommen worden, nachdem die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) und das Wiener Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) aufgrund von Hinweisen aus seiner Schule auf ihn aufmerksam geworden war. Zwei Eltern hatten sich unabhängig voneinander an den Verfassungsschutz gewandt, weil die radikale Gesinnung des Burschen mit indischen Wurzeln aufgefallen war. Er hatte in der Klasse bzw. am Schulgelände Mitschülern Propaganda-Videos des IS, darunter auch Clips mit Enthauptungen von Gefangenen und Geiseln des IS gezeigt.

Wie sich dann im Zuge der Erhebungen herausstellte, hatte er in seinem Spind in der Schule ein Kampfmesser verwahrt. Bei einer Hausdurchsuchung an seiner Adresse konnte umfangreiches Propagandamaterial sichergestellt werden. Bei der Auswertung von beschlagnahmten Datenträgern zeigte sich dann, dass er sich mit terroristischen Anschlagsabsichten trug und sich in der Bundeshauptstadt mit drei IS-Anhängern vernetzt hatte, die sich allesamt wegen terroristischer Vereinigung bereits in Wien in U-Haft befanden.

In Kontakt mit verhindertem Westbahnhof-Attentäter

Einer von ihnen war der gleichaltrige verhinderte Westbahnhof-Attentäter, der am 10. Februar festgenommen worden war und der vor knapp zwei Wochen am Wiener Landesgericht nicht rechtskräftig zwei Jahre teilbedingt ausgefasst hat. Die Festnahme seines Bekannten hatte den 15-Jährigen wütend gemacht. In einem Chat kündigte er einem weiteren IS-Anhänger an, er werde dafür “Rache üben”. Von einem 20-Jährigen aus dem IS-Netzwerk, das sich um den Angeklagten gebildet hatte, ließ er sich in einem Army-Shop in einem Wiener Einkaufsbezirk ein Kampfmesser mit einer Klingenlänge von 18 Zentimetern beschaffen, das der 15-Jährige in seiner Schule verwahrte, weil er befürchtete, seine Eltern würden es zu Hause entdecken.

Die Staatsanwaltschaft Wien führt gegen den 20-Jährigen übrigens bereits ein drittes (sic) Verfahren wegen terroristischer Vereinigung. Sämtliche Deradikalisierungsversuche dürften in diesem Fall nachhaltig gescheitert sein.

Nachdem er das Messer hatte, besorgte sich der 15-Jährige ohne fremde Hilfe im Internet mehrere Bombenbau-Anleitungen und konsumierte Tutorials, wie Selbstmord-Anschläge durchzuführen sind. Vor allem über Anschläge mit Autobomben informierte er sich eingehend. Der 15-Jährige gab vor einem Schöffensenat zu, er sei nach der Festnahme seines gleichaltrigen Bekannten zunächst auf Rache aus gewesen: “Aber das hat sich schnell auf Eis gelegt.” Gegenüber der Jugendgerichtshilfe hatte der Schüler im Ermittlungsverfahren jedoch noch auf dem “Recht auf Vergeltung” bestanden und bekräftigt, er habe sich dafür das Kampfmesser besorgt.

“Hab’ mit dem Gedanken gespielt, einen Anschlag zu verüben”

“Ich hatte diese Gedanken. Ich hab’ mit dem Gedanken gespielt, einen Anschlag zu verüben. Aber ich hatte keinen Plan. Ich könnte mir nicht zutrauen, wen zu töten. Ich bin 15 Jahre alt. Ich hab’ mir nicht zugetraut, was zu tun”, gab der Angeklagte zu Protokoll, der von sechs schwerbewaffneten Beamten der Justizwache Einsatzgruppe (JEG) von der Justizanstalt (JA) Josefstadt in den Gerichtssaal gebracht wurde. Er hätte “keine Mittel, das umzusetzen” gehabt.

Der Angeklagte war als Kleinkind mit seinen Eltern nach Österreich gekommen und wuchs in geordneten Familienverhältnissen auf. “Religion war mir immer schon sehr wichtig”, schilderte er dem Gericht in seiner Beschuldigteneinvernahme. Vom Hinduismus, der in seiner Familie gelebt wird, wandte er sich ab und landete beim Islam, weil es in seinem freundschaftlichen Umfeld vorwiegend Moslems gab. 2024 konvertierte er.

In weiterer Folge radikalisierte sich der Schüler innerhalb allerkürzester Zeit, wobei ein Mal mehr TikTok eine zentrale Rolle spielte. Der Algorithmus der Plattform schwemmte ihn regelrecht mit IS-Propaganda und Videos einschlägig bekannter Hassprediger zu, deren Inhalte er sich zu eigen machte. “Ich habe dann angefangen, den IS gut zu finden”, gab der Angeklagte an. Er sei “damals” der Ansicht gewesen, dass man im Namen des IS töten dürfe.

15-Jähriger bewunderte Wien-Attentäter

Da er die IS-Flagge zu seinem Profilbild machte, folgten ihm auf TikTok und Instagram alsbald Gleichgesinnte. So kam er in Kontakt mit dem verhinderten Westbahnhof-Attentäter, den er auch mehrmals persönlich traf, und zwei weiteren in Wien lebenden IS-Mitgliedern. Diesen gegenüber erging er sich in Bewunderung für den Wien-Attentäter, der am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt im Namen des IS vier Personen erschossen hatte. “Möge Gott ihm gnädig sein”, äußerte sich der 15-Jährige gegenüber einem älteren IS-Sympathisanten, der sich später in einer Einvernahme vor dem Verfassungsschutz daran erinnerte, der 15-Jährige habe den Wien-Attentäter “total verehrt”.

Auch über den Villach-Attentäter, der im heurigen Februar einem 14-Jährigen mit einem Messer das Leben nahm, äußerte sich der Schüler positiv. Seinen jüngeren Bruder brachte er dazu, mit der Tauhid-Geste – dabei wird der ausgestreckte Zeigefinger der rechten Hand zum Himmel gerichtet, was als Erkennungszeichen extremistischer Gruppen dient – und einem Kampfmesser in der linken Hand für die Kamera zu posieren. Ein Freund des jüngeren Bruders schilderte als Zeuge dem Gericht, ihm seien die radikalen und terroristischen Gedanken des 15-Jährigen bekannt gewesen: “Er wollte am Westbahnhof eine Bombe hinlegen.”

“Wir müssen noch Waffen zulegen”

Diese Aussage sei unrichtig, versicherte darauf der Angeklagte. Chats, die nach der Festnahme des verhinderten Westbahnhof-Attentäters geschrieben wurden, deuteten jedoch durchaus in diese Richtung. “Wir hatten geplant. Aber Bruder, ich kann dir nicht sagen. Ich wurde nicht erwischt”, verriet der 15-Jährige einem Gleichgesinnten. Als dieser wissen wollte, wo denn der Anschlag angedacht sei, meinte der Angeklagte: “Deutschland nein, Wien vielleicht. Wir müssen noch Waffen zulegen.”

Damit vom Richter konfrontiert, behauptete der 15-Jährige, er habe “Aufmerksamkeit erregen” wollen: “Ich wollte mehr Leute gewinnen.” Er habe “großkotzig geschrieben”. Es habe keine konkreten Anschlagspläne gegeben.

Verhinderter Westbahnhof-Attentäter als Zeuge

Der verhinderte Westbahnhof-Attentäter, der als Zeuge aussagte, gab an, er habe mit dem Angeklagten nicht über seine eigenen Pläne gesprochen. Er habe von diesem “nie gehört, dass er ein Attentat verüben will”. Er habe dem 15-Jährigen “auch nicht viel erzählt. Wir haben sympathisiert.”

Fest steht, dass der Angeklagte einen Treueschwur auf den IS angelegt hatte und auf so genannten sozialen Medien die Tötung Andersgläubiger befürwortete. “Allah hat sein Blut”, meinte er etwa über jemanden, der sich kritisch über den Islam äußerte. Und weiter: “Es ist erlaubt, ihn zu töten.”

Davon habe er sich jetzt distanziert, versicherten der 15-Jährige und seine Anwältin. “Er hat in der Haft den Schulabschluss geschafft. Er ist bereit, sich zu ändern. Er hat eine positive Zukunftsprognose”, sagte die Verteidigerin. “Ich habe in der Haft dazu gelernt”, erklärte der 15-Jährige. Zu seinen früheren IS-Gesinnungsgenossen habe er “den Kontakt komplett abgebrochen.”

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