Gemeinsam für die Mobilität der Zukunft

150-Jahre Brennerbahn: Geschichte und Zukunft er-fahren

Donnerstag, 31. August 2017 | 15:44 Uhr

Sterzing/Brenner/Innsbruck – „Geschichte und Zukunft sowie die Verbindung von Nationen und Kulturen im wahrsten Sinne des Wortes er-fahren“ wie Landeshauptmann Arno Kompatscher sagte, war heute bei der Premierenfahrt mit einem Railjet über den Brenner und von Sterzing weiter mit einer historischen Dampflok nach Franzensfeste möglich. Anlass dafür war das 150-Jahr-Jubiläum der Brennerbahn.

Bevor der Railjet, ein moderner Hochleistungszug der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), von Innsbruck Richtung Süden startete, gab es am dortigen Hauptbahnhof einen Landesüblichen Empfang mit Schützen und Musikkapelle.

Die Feier und die Zugfahrten würden einmal mehr die Bedeutung dieser Verkehrsanbindung unterstreichen, sagten Landeshauptmann Kompatscher, Landeshauptmann Günther Platter (Tirol) und der ÖBB-Vorsitzende Andreas Matthä.

„Mit dem Bau der Brennerbahn wurde Europa zum ersten Mal erlebbare Realität – 150 Jahre später und in Zeiten, in denen Grenzkontrollen ein Thema sind, ist es wesentlich, sich den Wert der Mobilitätsfreiheit und Zusammenarbeit der Länder wieder vor Augen zu führen“, sagte Platter. Während der Zug früher viel für den Transport von Kriegsgerät genutzt und somit mitverantwortlich für die Spaltung Europas gewesen wäre, so spiele er heute eine bedeutende Rolle die Integration Europas voranzutreiben und den Austausch unter Mitgliedsländern weiter zu verbessern, sagte Kompatscher. Er verwies auf den wirtschaftlichen Aufschwung durch die Brennerbahn, besonders im Tourismus und darauf, dass sie zur Positionierung Südtirols als Brückenland zwischen dem deutschen und italienischen Wirtschafts- und Kulturraum beigetragen habe. Noch heute stehe die wichtige Verkehrsachse für Erreichbarkeit, Austausch und Lebensqualität, sagte der Südtiroler Landeshauptmann.

lpa/rm

In der Geschichte des Bahnbaus jedenfalls zählt die Brennerbahn zu den komplexen und kühnen Projekten. Nach Plänen von Luigi Negrelli und unter Leitung von Carl von Etzel wurde die Bahnstecke in nur sechs Jahren nach dem ersten Ortsaugenschein errichtet. Am Bau beteiligt waren über 20.000 Arbeiter. Zumal die Anpassung an die topografischen Verhältnisse (viele Geländestufen) nicht einfach war, wird der Bau auch als ingenieur-technische Pionierleistung beschrieben. Mit einer Streckenlänge von 276 Kilometern zwischen Verona uns Innsbruck galt die Ende August 1867 in Betrieb genommene Brennerbahn als höchst gelegene Eisenbahn Europas. 1868 nutzen bereits 200.000 Reisende die Bahn. Bis in die 20-er Jahren wurden Dampfloks, wie die Lok Gr. 685, die nun zur 150-Jahr-Feier von Sterzing bis zum ehemaligen Militärbahnhof Franzensfeste unterwegs war, eingesetzt. Dann wurde die Strecke elektrifiziert. Am Brenner muss wegen der unterschiedlichen Stromsysteme der österreichischen (Wechselstrom) und der italienischen Bahn (Gleichstrom), außer bei modernen E-Loks, die Lokomotive gewechselt werden. Seit der Nachkriegszeit wurden ständig mehr Passagiere und Güter transportiert und die Strecke genügt den Anforderungen nicht mehr. 2015 erfolgte der Spatenstich zum Bau des Brennerbasistunnels. Die mit 64 Kilometern längste unterirdische Zugverbindung der Welt für Passagiere und Güter soll 2026 in Betrieb gehen.

Gemeinsam für die Mobilität der Zukunft

Unter dem Leitmotiv „Moderne trifft Historie“ wurde heute, 31. August, bei einer Feierstunde zu 150-Jahre Brennerbahn die Mobilität der Zukunft und insbesondere das Projekt Brennerbasistunnelgenauer beleuchtet. „Der Brenner Basistunnel wird gemeinsam mit verkehrspolitischen Maßnahmen die Grundlage für eine nachhaltige Verkehrsverlagerung des Warentransportes bilden. Zugleich wird er auch das Reisen zwischen München und Verona wesentlich erleichtern und die verschiedenen Regionen und Länder zwischen Bayern und dem Veneto sowie Europa im Allgemeinen noch besser vernetzen“, unterstrich Landeshauptmann Arno Kompatscher.

„Die Bahn ist das Mobilitätsmittel der Vergangenheit und noch viel mehr der Zukunft“, hob Kompatscher hervor. Auf lokaler Ebene habe der Zug laut Landeshauptmann Kompatscher in den vergangenen Jahren einen großen Aufschwung erlebt. Die Südtiroler Politik habe große Investitionen in das Schienennetz und in die Bahnhöfe getätigt, um die Passagierzahlen nachhaltig zu steigern und bald einen 15 Minutentakt auf allen Hauptachsen zu bieten. Zählte die Bahn in Südtirol 2013 noch 6,2 Millionen Fahrgäste, so konnte man 2016 bereits 9,8 Millionen Fahrgäste registrieren. Langfristig will man auf bis zu 15 Millionen Fahrgäste kommen.

„Entgegen aller Kritik schaffen Tirol und Südtirol mit dem Basistunnel neue Maßstäbe und fördern das Zusammenwachsen Tirols und Südtirols“, unterstrich der Tiroler Landeshauptmann Günther Platterund erinnerte daran, dass es auch Zweifel beim Bau der Brennerbahnstrecke gegeben haben. „Es ist unsere Aufgabe, Mobilität zu lenken und die Rahmenbedingungen für eine bestmögliche Infrastruktur zu schaffen, nicht nur für den Personen-, sondern auch für den Güterverkehr, denn die Kapazitätsgrenze ist erreicht“, sagte Platter. Derzeit arbeite man an einer Korridormaut für die Strecke zwischen München und Verona.

Der Geschäftsführer der italienischen Schienennetzbetreibergesellschaft „Rete ferroviaria italiana RFI“ Maurizio Gentile unterstrich, dass man nun mit dem Brennerbasistunnel die Zukunft projektiere. „Italien glaubt sehr an das Projekt und investiert mit 34 Milliarden Euro alle nötigen Ressourcen; der Bau verläuft nach Plan und die Zusammenarbeit zwischen RFI und Österreichischen Bundesbahnen ÖBB ist hervorragend“, sagte Gentile. Der Brennerbasistunnel werde mit 64 Kilometern der längste Bahntunnel der Welt und verbinde Europa auf moderne Weise, so der RFI-Geschäftsführer.

„Die Brennerstrecke gibt es seit 150 Jahren sicher für weitere 150 Jahre“, unterstrich der Vorstandsdirektor der Europäischen Brennerbasistunnelgesellschaft BBT SE Raffaele Zurlo (Italien), der darauf verwies, dass sich die beiden Länder vor 100 Jahren noch bekämpft hätten und nun zusammenarbeiten würden. Man arbeite auf Hochtouren dran, Kosten und Zeiten einzuhalten, sagte Zurlo.

„Die Europäische Union ist tragend für dieses Projekt, und wir haben heute über zehn verschiedene Völker, die beim Bau des Brennerbasistunnels zusammenarbeiten“, betonte der Vorstandsdirektor der Europäischen Brennerbasistunnelgesellschaft BBT für Österreich SE Konrad Bergmeister. Ein Drittel des Tunnels sei bereits ausgehoben und 80 Prozent der Bauarbeiten würden in den nächsten Wochen vergeben, berichtete Bergmeister und stellte in Aussicht, dass man in zehn Jahren durch den Tunnel fahren könne.

Zur Feierstunde in der Franzensfeste waren die Politiker, die Bahnvertreter und 400 Gäste zuerst mit dem Railjet von Innsbruck nach Sterzing gefahren und von dort mit einer nostalgischen Dampflok Gr. 685 in der Festung Franzensfeste angekommen. Dort empfing Florian Mussner, der als Museenlandesrat Hausherr der Franzensfeste ist, die Gäste.

Preisverleihung und Buchvorstellung

Anlässlich der Feierlichkeiten zu den 150 Jahren der Brennereisenbahn hat Landeshauptmann Arno Kompatscher am heutigen 31. August auch die Sieger des internationalen Fotowettbewerbs “Connecting People” gekürt und die gleichnamige Ausstellung eröffnet. Beide Initiativen gehen vom Kuratorium der Technischen Kulturgüter aus und wurden in Zusammenarbeit mit der Festung Franzensfeste und dem Archiv für Architektur der Universität Innsbruck realisiert. Im Anschluss an die Eröffnung stellte die Direktorin des Kuratoriums, Wittfrida Mitterer, zudem ihr Buch “150 Jahre Brennereisenbahn – Von der Postkutsche zur Hochgeschwindigkeit” vor.

Ziel des Fotowettbewerbs war es, aus dem Euregio-Raum die interessantesten Bilder der Brennerbahnlinie und jene, die davon eine persönliche Interpretation geben, zu sammeln. 47 Personen aus Italien, Österreich und Deutschland nahmen am Wettbewerb teil und schickten insgesamt über 400 Fotos der Linie Innsbruck-Verona ein. Zwei davon und zwar die Bilder von Giampaolo Arena aus Valdobbiadene (TV) und von Prosdocimo Terrassan aus Montegrotto Terme (PD) wählte die Jury für den zweiten Platz  aus (der erste Preis wurde nicht vergeben); den dritten Platz sicherten sich wieder zwei Bilder und zwar jene von Erich Kofler Fuchsberg aus Naturns und Reinhard Frena aus Bozen.

Eine Auswahl der 400 eingegangenen Fotos sind in der entsprechenden Ausstellung “Connecting People” zu sehen, die in der Festung Franzensfeste bis 30. September 2017 läuft. Diese Schau integriert die ebenfalls derzeit in der Festung gezeigte Wanderausstellung “Bahnlandschaften”, welche die Geschichte und die Bedeutung der Linie Innsbruck-Verona dokumentiert. Sie ist noch bis Ende November 2017 in der Festung und danach im Museo nazionale ferroviario in Pietrarsa/Portici (NA) zu sehen.

Die Themen und Bilder der zwei genannten Ausstellungen sind im Band “150 Jahre Brennereisenbahn – Von der Postkutsche zur Hochgeschwindigkeit” zusammengefasst. Die Autorin, Wittfrida Mitterer, analysiert darin auf 368 reich bebilderten Seiten die Geschichte, die heutige Situation und die Zukunft der Brennerbahnlinie einschließlich des Brennerbasistunnels. Die Publikation wurde vom Athesia-Verlag in deutscher und italienischer Sprache herausgegeben und ist zum Preis von 29,90 Euro erhältlich (ISBN 978-88-6839-311-3).

Von: mk

Bezirk: Wipptal