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Abschaffung der Region und Sonntagsruhe im Landtag behandelt

Mittwoch, 08. November 2017 | 19:58 Uhr

Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden heute Nachmittag Anträge von BürgerUnion und Süd-Tiroler Freiheit behandelt.

Antrag auf Änderung des Autonomiestatuts Nr. 1/15 (Artikel 103 Absatz 2 des Autonomiestatuts und Artikel 108-bis der Geschäftsordnung des Südtiroler Landtages): Abschaffung der Region Trentino-Südtirol – Schaffung der Region Südtirol (vorgelegt vom Abg. Pöder).

Nach Annahme dieses Beschlusses könnte der Landeshauptmann noch rechtzeitig nach Belgien fliehen, scherzte Andreas Pöder (BürgerUnion). Man müsse den Antrag nicht lange begründen, auch die Trentiner seien nicht mehr zufrieden mit der Region in der derzeitigen Form. Eine Zusammenarbeit von Trient und Bozen wäre durch die Abschaffung nicht ausgeschlossen. Die Trentiner würden ohne Region um den Erhalt ihrer Autonomie fürchten, aber das sei nicht unser Problem. Sein Antrag würde jedenfalls wenig Chancen haben, denn er müsste auch durch den Regionalrat und den Trentiner Landtag.

Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) wies ebenfalls auf den Pflichtparcours für diesen Antrag hin. Auch der nicht besonders erfolgreiche Autonomiekonvent, der nur einen Teil der Bevölkerung repräsentiere, fordere die Abschaffung der Region und weitere Dinge, die nicht realistisch seien, wie etwa ein eigenes Verfassungsgericht. Er kritisierte Vorstöße, die auch Trient absegnen müsste, die dort aber keine Chance hätten. Die SVP verhalte sich in solchen Fragen nie eindeutig, sie solle sich endlich entscheiden zwischen Autonomie und Selbstbestimmung. Man laufe Gefahr, wie Katalonien zu enden.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) betonte, dass die Position der Mehrheit im Konvent nicht ausreichend vertreten war. Er hoffe, dass die SVP noch zu einer vernünftigen Lösung finden werde. Im Abschlussdokument des Konvents sei die Abschaffung der Region übrigens nicht eine einheitliche Forderung, sondern eine Möglichkeit. Er selbst sei gegen die totale Abschaffung der Region, sie sei eine Plattform der Zusammenarbeit, ohne sie wäre man gegenüber Rom schwächer. Die Region müsse auf ein neues Fundament gestellt werden. Die Euregio sei kein Ersatz, sie sei eine Arbeitsgemeinschaft der Regierungen. Er wäre – und das habe er auch im Konvent gemeinsam mit Laura Polonioli vorgeschlagen – für eine Region ohne eigene Verwaltung und ohne festgelegte Gesetzgebungskompetenzen, aber mit der Möglichkeit zur Gesetzgebung in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, nach Absprache mit den Landtagen. Für eine Änderung oder Abschaffung der Region brauche es die Zustimmung der Trentiner, und diese seien gegen die Abschaffung, weil sie um ihre Autonomie fürchteten. Eine Änderung sei aber notwendig, in der derzeitigen Form sei die Region nur ein Anlass für Politikmüdigkeit.

Sven Knoll (STF) erinnerte Dello Sbarba an die berühmte Nachtsitzung im Regionalrat, wo dieser gesagt habe, das mache alles keinen Sinn mehr. Die Region sei eine Zwangsgemeinschaft, die man nicht gewollt habe und die das Klima zwischen Trentino und Südtirol vergifte. Besser wäre eine mit Leben gefüllte Europaregion. Die Trentiner Autonomie sei eine reine Territorialautonomie, dafür gebe es auch keine Schutzmachtfunktion Österreichs. Es sei keine verantwortungsvolle Politik, die Dinge so zu belassen mit dem Argument, die anderen seien dagegen. Knoll verwahrte sich auch gegen den Vorwurf, der Konvent spiegle nicht die Meinung der Bevölkerung wider. Die meisten wollten diese Region nicht, es wäre konsequent, über eine Auflösung zu verhandeln. Auch in der Europaregion, die bis vor kurzem unter dem Vorsitz der Trentiner stand, habe man gesehen, dass das Trentino andere Prioritäten habe. Die Europaregion funktioniere nur halbwegs, weil hier alle ins Boot geholt werden müssten, auch jene, die eigentlich nicht wollten. Südtirol könne nicht das Feigenblatt für die Trentiner Autonomie sein. Knoll kritisierte die EU, die nur in Staatsgrenzen denke – wie man am Beispiel Katalonien gesehen habe – und neue Entwicklungen nicht zulasse.

Bernhard Zimmerhofer (STF) erinnerte an die vielen Forderungen nach Abschaffung der Region. Zwischen Bozen und Trient brauche es eine neue Form der Zusammenarbeit, dann werde man sich auch besser verstehen.

Dieter Steger (SVP) fragte die Kollegen, wie sie sich die Umsetzung dieses Antrags vorstellten. Das sei eben der Unterschied zwischen Oppositions- und Regierungsarbeit. Mit solchen Vorstößen entferne man sich vom Ziel. Stattdessen müsse man verhandeln, um etwas zu erreichen. Wenn man die Region reformieren wolle, brauche man die Zustimmung im Trentino und in der Region. Statt den Trentinern ins Gesicht zu steigen, sollte man mit ihnen über eine mögliche Lösung reden. Das Trentino wolle keine Region mit Normalstatut werden, und er wäre froh, wenn auch andere Regionen soviel Autonomie als möglich bekämen. In der derzeitigen Form sei die Region nicht zukunftsfähig, man sollte versuchen, die Situation zu verbessern. Auch Steger kritisierte das Schweigen der EU angesichts der Gewalt gegenüber den katalanischen Wählern, aber die katalanische Regierung habe sich außerhalb der Verfassung gestellt. Ebenso würden wir keinen Schritt weiter kommen, wenn wir nun mit dem Kopf durch die Wand wollten und die Abschaffung der Region forderten. Der Antrag sei reine Effekthascherei. Steger pflichtete Dello Sbarba bei, dass die Region keine Verwaltungskompetenz brauche, auf dieser Linie sei ein Weiterkommen möglich.

Die Region habe in dieser Form ihre Bedeutung verloren, bestätigte Roberto Bizzo (PD), sie brauche eine neue. Es habe aber keinen Sinn, heute weitere kleine Regionen zu schaffen, wenn der Trend Richtung Makroregion gehe, siehe Eusalp, die von Bayern bis in die Poebene reiche. In Katalonien habe es einen Umschwung gegeben, aber nicht durch die Politik, sondern erst, als die Unternehmen und Banken ihren Sitz aus der Region abgezogen haben. Die Region sei nicht nur in der Verfassung festgeschrieben, sondern auch in der Durchführungsbestimmung zur Streitbeilegungserklärung von 1992. Die Parlamente beider Staaten hätten diese Norm verabschiedet, es wäre gefährlich, sie einseitig in Frage zu stellen, gerade jetzt, wo den Autonomien ein kalter Wind ins Gesicht bläst. Das Statut sollte nicht in den Wahlkampf hineingezogen werden. Bizzo rief daher Pöder auf, seinen Antrag zurückzuziehen.

Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) erinnerte an die Kundgebung von Sigmundskron vor 60 Jahren. Damals habe es ein Ungleichgewicht in der Region gegeben. Inzwischen habe Südtirol es mit tüchtigen Politikern geschafft, immer mehr Eigenständigkeit und immer mehr Zuständigkeiten zu erreichen. Heute habe man eine Gesprächsbasis, die eine Konfrontation nicht mehr nötig mache, man könne gemeinsam über eine Reform der Region reden. Das Trentino sei nicht immer als Anhängsel unserer Autonomie zu sehen, mit den Trentinern teile man gemeinsame Traditionen, sie fühlten sich mit uns mehr verbunden als mit Rom. Ebenso sei die Zusammenarbeit gegenüber Rom nützlich.

Ulli Mair (Freiheitliche) fragte, wo die mutigen Südtiroler von damals geblieben seien. Der SVP-Fraktionssprecher habe heute eine Verteidigungsrede für die Region gehalten. Der Antrag Pöders sei nützlich, um den Druck zu erhöhen, damit könne man in Trient leichter etwas erreichen. Die nobelste Aufgabe für die Region wäre ihre eigene Auflösung, denn eine Zusammenarbeit zwischen Bozen und Trient könne man auch ohne sie bewerkstelligen. Auch Mair griff das Thema der EU in Zusammenhang mit Katalonien auf, es sei dramatisch, wenn gewählte Volksvertreter so behandelt würden. Für die Abschaffung der Region sei nun ein guter Zeitpunkt, sie weiterzuführen, habe keinen Sinn, sie sei reine Geldverschwendung.

Auch im Konvent sei lange und intensiv über die Region gesprochen worden, berichtete Christian Tschurtschenthaler (SVP). Alle im Konvent hätten die Region in ihrer heutigen Form als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Eine neue Form könne nur im Dialog gefunden werden. Die Trentiner Consulta habe ihre Schlussfolgerungen dazu aber noch nicht gezogen, die Arbeiten könnten auch bis September 2018 dauern. Das Abschlussdokument des Konvents sei jedenfalls eine gute Ausgangsbasis für eine Lösung.

Auch LH Arno Kompatscher unterstrich den Konsens im Konvent zur heutigen Region. Eine Änderung müsse mit Verfassungsreform erfolgen, aber es werde in Rom schwer eine Mehrheit zu finden sein, wenn Südtirol und Trentino keinen gemeinsamen Vorschlag vorlegten. Und Österreich müsse auch einverstanden sein. Mit der heutigen Region sei auch das Trentino nicht glücklich, es gebe also Spielraum. Die Alternative wäre der katalanische Weg, aber das sei für ihn keine Alternative. Würde Pöders Antrag angenommen, wäre das kontraproduktiv für Verhandlungen. Man werde zunächst ein Einvernehmen mit dem Trentino suchen. Falls das nicht zustande komme, könne Südtirol immer noch eine eigene Lösung vorschlagen.

Andreas Pöder wünschte sich vom Landeshauptmann mehr Mut gegenüber Rom. Der fehle ihm auch in der Impffrage. Man brauche nicht die Region nicht für eine gemeinsame Vorgehensweise mit dem Trentino gegenüber Rom. Die Trentiner profitierten von der Region viel mehr als Südtirol, das eine eigene Absicherung habe. Die Region sei auch nicht in die Europaregion oder den Dreierlandtag eingebunden. Was dieser Antrag fordere, fordere auch die SVP seit jeher, und Kompatscher hätte dies den Trentinern von Anfang an klar sagen sollen. Es gebe viele Bereiche, bei denen eine Zusammenarbeit mit dem Trentino sinnvoll sei, aber dazu brauche man nicht die Region. Der Landtag könnte ein klares Signal setzen, und Kompatscher könnte als der Mann in die Geschichte eingehen, die die Region abgeschafft habe.

Der Antrag wurde mit elf Ja, 22 Nein und einer Enthaltung abgelehnt.

 

 

Beschlussantrag Nr. 346/15: Klage zur Sonntags- und Feiertagsruhe (eingebracht vom Abg. Pöder am 16.3.2015).  Die Landesregierung wird verpflichtet, den Rechtsweg für den Erhalt der Sonntags- und Feiertagsruhe zu beschreiten und gegen die Sonntagsarbeit in nicht unbedingt notwendigen Bereichen bzw. gegen die Sonntagsöffnung vorzugehen.

“Die Sonntagsruhe sieht sich immer mehr Angriffen und Verletzungen ausgesetzt”, bemerkte Andreas Pöder (BürgerUnion). “Fabriken, Geschäfte, Dienstleister glauben durch Sonntags- und Feiertagsöffnungen ihren Profit zu erhöhen. Diese Steigerung geht jedoch auf Kosten der Arbeitnehmer und deren Familien. Zudem ist keineswegs erwiesen, dass Sonntagsöffnungen langfristig höhere Gewinne mit sich bringen. Teile der Südtiroler Handelsordnung wurden von staatlichen Organen ausgesetzt bzw. angefochten. Damit ist auch die Sonn- und Feiertagsruhe gefährdet. In Deutschland hat – wenngleich im Kontext einer anderen Rechtsordnung aber jedenfalls innerhalb der Rechtsordnung der Europäischen Union – das Bundesverwaltungsgericht Ende 2014 den Sonderstatus des Sonntags als weitgehend arbeitsfreien Tag bestätigt. Zur Begründung hieß es unter anderem, es sei kein erheblicher Schaden, “wenn der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe nicht hinter den Wunsch zurücktreten muss, spontan auftretende Bedürfnisse auch sofort erfüllt zu bekommen”.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) unterstützte den Antrag. Ein Teil des Handels sei für die Sonntagsöffnung, aber diese sei eine Grundsatzfrage der Gesellschaft. In anderen europäischen Regionen werde sie eingehalten. Die Nahversorgung in den Dörfern sei ein Alleinstellungsmerkmal Südtirols. Man müsse aber auch zugeben, dass in anderen Bereichen die Sonntagsruhe nicht möglich sei, etwa im Gastgewerbe.

Das Thema beschäftige den Landtag seit Jahren, besonders seit Montis Liberalisierung, erklärte Dieter Steger (SVP). In manchen Bereichen sei Sonntagsarbeit notwendig, im Handel nicht. Es tue auch der Gesellschaft gut, wenn sie an einem Tag in der Woche nicht im Business stehe. Steger schlug eine Präzisierung des Antrags vor: Die Landesregierung wird verpflichtet, sich weiter für die Sonntagsruhe einzusetzen und geeignete Maßnahmen zu setzen, welche zur Einschränkung der Sonn- und Feiertagsarbeit beitragen.

Andreas Pöder erklärte sich mit der Änderung einverstanden.

Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) sprach sich gegen den Antrag aus, der scheinheilig sei und nicht den Wandel der Zeiten berücksichtige. Die Kollegen, die dafür stimmten, sollten dann auch sonntags bei keiner Einweihung mehr dabei sein. Sie sollten auch einen Gasthausbesuch am Sonntag vermeiden. Mit solchen Maßnahmen ersticke man Südtirols Wirtschaft.

Gewisse Berufsgruppen wüssten von vornherein, dass am Sonntag zu arbeiten sei, meinte Ulli Mair (Freiheitliche). Aber Läden, die am Sonntag geöffnet seien, dienten nur mehr jenen, die sonst nicht wüssten, wie sie die Zeit totschlagen sollten. Kleinere Betriebe, die das nicht könnten, hätten dann das Nachsehen. Viele Frauen im Handel würden zu katastrophalen Bedingungen arbeiten.

Veronika Stirner (SVP) erklärte sich als vehemente Gegnerin der Sonntagsöffnung. In Österreich und Deutschland seien am Sonntag die Läden zu. Die Geschäfte würden durch die Sonntagsöffnung nicht mehr Geschäft machen, es werde nur der Einkauf verlagert. Der Sonntagseinkauf sei meist reiner Zeitvertreib. Ob aus religiösen oder anderen Gründen, der Mensch wolle einmal die Woche eine Ruhepause einhalten. Es sei bedauerlich, dass das Land hier wenig Möglichkeiten zum Eingreifen habe, hier weise unsere Autonomie große Lücken auf.

Hans Heiss (Grüne) unterstützte den Antrag ebenfalls. Er selbst komme aus dem Gastgewerbe und sehe eigentlich jeden Tag als Arbeitstag – und empfinde dies gleichzeitig als negativ. Die Sonntagsruhe sei eine sinnvolle Einrichtung, sie vermittle Grenzen und das Bewusstsein, dass nicht jeden Tag alles gehe.

Die Behandlung des Antrags wird morgen wieder aufgenommen.

Von: luk

Bezirk: Bozen