Von: luk
Bozen – In Bayern ein Einbruch bei der langjährigen Regierungspartei, in Tirol ein Erfolg der ÖVP und, nach einem Tiefgang, die Bestätigung des Koalitionspartners Grüne, in Südtirol ein weiterer Verlust der SVP, ein neuer Koalitionspartner und ein Wechsel in der Opposition, im Trentino der Erdrutschsieg der Lega und das Ende der langjährigen Koalition von Mitte-Links und Autonomisten. In allen vier Ländern wurden 2017 und 2018 Landtags- und Parlamentswahlen abgehalten, und es ist teils zu deutlichen Veränderungen gekommen.
Die Autoren von Politika 2019, dem nunmehr elften Jahrbuch der Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft, haben diese Wahlen analysiert, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden. „Wenn es bei Wahlen große Veränderungen gibt, suchen wir danach immer nach Erklärungen“, erklärte Helmuth Renzler, Mitglied des Landtagspräsidiums, bei der heutigen Vorstellung des Buchs im Landtag. „Wie ist es zu diesem Erdrutsch gekommen? Warum haben die einen so stark gewonnen und die anderen so stark verloren? Ist ein Trend feststellbar und wird er lange anhalten? Politika 2019 bietet Antworten auf diese Fragen.“ Bei der Vorstellung dabei waren auch die Herausgeber des Jahrbuchs, Alice Engl, Günther Pallaver und Elisabeth Alber dabei sowie Thomas Kager vom Raetia-Verlag, der dem Landtag für die Gastfreundschaft und dem Land für die Unterstützung dankte.
Das Kapitel über die Wahlen in Tirol fasste Alice Engl zusammen, die auf die politische Kontinuität im Unterschied zu den anderen drei Vergleichsländern hinwies. In Tirol habe der LH-Bonus Wirkung gezeigt, die Volkspartei habe auf Tradition gesetzt und nicht auf das Türkis der Bundes-ÖVP, im Wahlkampf standen Transit und Löhne im Vordergrund, weniger die Flüchtlinge. So hätten beide Koalitionspartner Stimmen zurückholen können. In Innsbruck wurde, erstmals für eine Landeshauptstadt, ein Grüner zum Bürgermeister gewählt, der sich als kritisch und liberal positioniert habe.
Im Trentino ist es zu einer Zäsur gekommen, wie Elisabeth Alber erklärte. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren sei das Land keine Mitte-Links-Enklave mehr im italienischen Nordosten und folge dem nationalen Trend. So hätten auch im Wahlkampf vor allem gesamtstaatliche Themen eine Rolle gespielt: Sicherheit und Einwanderung. Das habe es auch der Lega ermöglicht, in einem bereits autonomiebewussten Land stark Fuß zu fassen. Dazu beigetragen habe auch die Uneinigkeit im Mitte-Links-Lager, das bei den Wahlen dezimiert wurde.
Günther Pallaver sah ein Novum nach der Südtiroler Landtagswahl in einem ethnischen Wiederausgleich, mit acht statt fünf italienischen Abgeordneten im Landtag. Die Italiener seien lange unterrepräsentiert gewesen, hätten sich enthalten oder auch SVP gewählt. Diesmal hätten die Italiener nicht deutsch gewählt, und die Wahlbeteiligung bei den deutschsprachigen Südtirolern sei gesunken. In der Lega hätten die Italiener nun eine gleich starke Vertretung gefunden wie früher in der DC. Das ethnische Wahlverhalten sehe man auch beim Team Köllensperger, das fast nur deutsche Stimmen bekommen habe, während sein Namensgeber vor fünf Jahren vor allem italienische Wähler hatte. Die Distanz zwischen stärkster und zweitstärkster Partei, die 1993 noch bei 40 Prozent lag (SVP-MSI) habe sich inzwischen auf 26 Prozent verringert. Der Einsatz neuer Medien im Wahlkampf habe sich nahezu verdoppelt. Als stärkste „digitale Partei“ nannte Pallaver die Süd-Tiroler Freiheit.