"Freunde des Westbalkans": Schallenberg und Lipavsky

Außenminister fordern Tempo bei EU-Beitritt des Westbalkans

Freitag, 23. Juni 2023 | 19:56 Uhr

Österreich und sechs weitere EU-Länder fordern, den EU-Beitritt der Westbalkanstaaten “mit neuem Elan voranzutreiben und zu beschleunigen”. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und seine Kollegen aus Kroatien, Tschechien, Griechenland, Italien, Slowakei und Slowenien verabschiedeten am Freitag beim Europaforum Wachau eine “Göttweiger Erklärung”. Sie verlangen darin “eine schrittweise und beschleunigte Integration mit konkreten Umsetzungsschritten bis 2024 und danach”.

“Wir haben 20 Jahre verloren”, beklagte Schallenberg in einer Diskussion mit seinen Kollegen. “Wir haben die Dynamik verloren.” Die Erweiterung sei ein Lackmustest für Europa. Man könne entweder Stabilität nach Südosteuropa, die Ukraine und Moldau übertragen, “oder wir haben versagt”. Der Fokus liege jetzt auf der Ukraine, die um ihr Überleben kämpfe, die EU müsse aber auch auf ihre südlichen Nachbarn am Westbalkan schauen.

Schallenberg hatte die Initiative “Freunde des Westbalkans” anlässlich des 20. Jahrestags des EU-Westbalkan-Gipfels von Thessaloniki vom 21. Juni 2003 ins Leben gerufen. Die EU hat damals die europäische Perspektive für die Region bekräftigt. Auf Einladung Schallenbergs sind die Außenminister Miroslav Wlachovský (Slowakei), Jan Lipavský (Tschechien) und Gordan Grlić Radman (Kroatien) persönlich zum Europaforum nach Stift Göttweig gekommen. Die Forderungen aus der Erklärung werden an die EU-Kommission und die übrigen Mitgliedsstaaten gesendet.

Lipavský forderte mehr Mut von der EU und von den Westbalkanländern zur Lösung offener Fragen. Jetzt gebe es dafür eine günstige Gelegenheit. Im Falle der Ukraine sei die Lage anders, Kiew werde von “Angst angesichts einer existenziellen Bedrohung” angetrieben, sagte der tschechische Außenminister.

“Wir finden, dass der (EU-)Erweiterungsprozess zu langsam und manchmal zu komplex und bürokratisch ist”, heißt es in der Erklärung der Freundesgruppe. Er habe zu wenig sicht- und greifbare Resultate für die Bürger des Westbalkans hervorgebracht, vor allem für junge Menschen, was zu “Enttäuschung und Entfremdung von der EU” geführt habe. Gleichzeitig stelle Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine eine Bedrohung der Sicherheit sowohl der EU als auch des Westbalkans dar.

“Darüber hinaus haben die jüngsten gewaltsamen Ereignisse im Nordkosovo gezeigt, dass ungelöste Spannungen und andauernde Konflikte die Stabilität von innen untergraben können. Wir können uns Instabilität in dieser Region, die von EU-Mitgliedstaaten umgeben ist, nicht leisten”, heißt es weiter in der Erklärung der “Freunde des Westbalkan”. Deshalb müsse die EU von der Erweiterung auch als geostrategisches Instrument voll Gebrauch machen. Die Geschichte habe gezeigt, dass bilaterale und regionale Konflikte so überwunden werden können.

Neben den Westbalkan-Staaten Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Kosovo und Nordmazedonien haben seit dem Vorjahr auch die Ukraine und Moldau offiziellen EU-Beitrittskandidatenstatus. Dies hat vor allem in Österreich eine gewisse Besorgnis ausgelöst, dass der Westbalkan dadurch ins Hintertreffen geraten könnte. Über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen müssen die EU-Staaten im Falle der Ukraine und Moldaus noch einstimmig entscheiden.

Die Außenminister fordern auch einen strukturierteren Austausch mit den Westbalkanländern. So sollten die Außenminister dieser Staaten mindestens zweimal jährlich zu EU-Außenministerräten eingeladen werden. Ebenso oft sollte die EU eine strategische Debatte zum Westbalkan führen. Verlangt werden überdies mehr Besuche in der Region auf Ministerebene, auch in Vertretung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Mehr Austausch soll auch mit den für Außen- und Sicherheitspolitik zuständigen Botschaftern stattfinden, ebenso mehr Expertendialoge zum Kampf gegen Organisierte Kriminalität und illegale Migration.

Die “Freunde des Westbalkan” begrüßten den jüngsten Vier-Punkte-Plan der EU-Kommission für eine engere Anbindung der Westbalkanländer. Er umfasst eine nähere Heranführung an den EU-Binnenmarkt sowie eine vertiefte regionale wirtschaftliche Integration. Außerdem sollen grundlegende Reformen beschleunigt und die sogenannten Heranführungshilfen der EU aufgestockt werden.

Zusammen mit dem US-State Department brachte das Außenministerium führende Mitglieder der bosnischen Zivilgesellschaft und der Diaspora in Österreich zum Europaforum. “Der Austausch zwischen bosnischen Bevölkerungsgruppen und neue Ansätze in der Zusammenarbeit mit Bosnien-Herzegowina sind wichtiger denn je, um das Land langfristig an das westliche Wertesystem zu binden. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, aber auch die Spannungen in der unmittelbaren Nachbarschaft, zwischen Serbien und Kosovo, haben die geopolitischen Karten neu gemischt”, sagte Schallenberg laut Aussendung. An der Veranstaltung nahm auch der US-Sondergesandte für den Westbalkan, Gabriel Escobar, teil.

Von: apa